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Die Beteiligung an Kosten für Folgebehandlungen nach Schönheitsoperationen ist umstritten. In einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Kathrin Vogler (Die Linke) am Mittwoch, 25. April 2012, bezeichnete der Professor für öffentliches Recht an der Universität Augsburg, Dr. Ulrich M. Gassner, einen entsprechenden Paragrafen im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als "absolut legitimen Ansatz".
Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei "keine Einbahnstraße". Dagegen befürworteten der Sozialverband Deutschland, die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen und weitere Organisationen den der Anhörung zugrunde liegenden Antrag der Fraktion Die Linke (17/8581).
Darin verlangen die Abgeordneten, dass Betroffene etwa die operative Entfernung fehlerhafter Brustimplantate nicht aus eigener Tasche bezahlen müssen. Dazu soll den Angaben zufolge ein Paragraf im SGB V abgeschafft werden, der die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, die Versicherten bei Folgebehandlungen nach Schönheitsoperationen "in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen".
Der Richter am Sozialgericht Düsseldorf, Matthias Bernzen, wies darauf hin, dass die derzeitige Beschränkung auf Gesundheitsrisiken infolge von Schönheitsoperationen, Tätowierungen und Piercings eine "sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung" darstelle. Zur Erläuterung fügte Bernzen hinzu: "Sie können sich die Zunge aufschneiden lassen und die Behandlung wird bezahlt, die Behandlung nach einem Zungenpiercing aber nicht."
Der Experte des GKV-Spitzenverbandes, Ralf Kollwitz, machte hingegen deutlich, dass die Formulierung des betreffenden Paragrafen eine weit auslegbare Regelung beinhalte. Unter medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operationen könnten auch sogenannte Brandings und andere Eingriffe in den Körper aus rein ästhetischen Gründen verstanden werden, im Zweifelsfall auch Ohrlochstechen.
Zunächst übernähmen die Kassen die Kosten für medizinisch notwendige Behandlungen aufgrund von Körpereingriffen aus ästhetischen Gründen vollständig. Dann werde grundsätzlich in jedem Einzelfall eine Kostenbeteiligung geprüft. Als grundsätzlich akzeptabel werde eine Kostenbeteiligung in Höhe von 50 Prozent angesehen. Kollwitz fügte hinzu, der GKV-Spitzenverband verfüge über "keinerlei Fallzahlen".
Die Frauen, denen minderwertige Silikonkissen der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) implantiert worden sind, die nun entfernt werden müssen, seien ein spezieller Fall, erläuterte Kollwitz. Bei der Prüfung einer Kostenbeteiligung sei hier zu berücksichtigen, dass die Betroffenen "unverschuldet in diese Situation geraten" seien.
Hans-Jürgen Maas von der Bundesärztekammer betonte, die Selbstverschuldensregel im SGB V werde von seiner Organisation grundsätzlich für richtig gehalten. Die von den PIP-Billigsilikonkissen ausgehenden Risiken seien aber weder Ärzten noch den Operierten bekannt gewesen. Die Frauen seien daher nicht bewusst ein spezielles Gesundheitsrisiko eingegangen. Deshalb solle in diesem Fall die Kostenbeteiligungspflicht hintangestellt werden. (mpi)