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In einer öffentlichen Anhörung zum Thema Berechnung von Wohn- und Heizkosten von Hartz-IV-Beziehern im Ausschuss für Arbeit und Soziales unter Vorsitz von Katja Kipping (Die Linke) hat sich die Mehrheit der geladenen Experten am Montag, 7. Mai 2012, gegen Wohnkostenpauschalen ausgesprochen. Vorausgegangen war der Antrag der Fraktion Die Linke (17/7847), der das Recht der Länder, Kreise und kreisfreien Städte kritisiert, monatliche Pauschalen für die Höhe von Miet-und Heizungskosten bei Hartz-IV-Beziehern festzulegen.
Durch Pauschalen würden sich letztlich bei den Kommunen "die Kosten nicht verringern, sondern erhöhen", argumentiert die Linksfraktion. Schon um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen, müssten Pauschalen sehr hoch angesetzt werden, um "bedarfsdeckend" zu sein. Schließlich dürfe kein Hartz-IV-Bezieher gezwungen sein, "Teile seines Regelsatzes für die Kosten der Unterkunft zu verwenden". Stattdessen sollten neue Mindeststandards für Wohn-und Heizungskosten eingeführt werden.
Zudem spricht sich die Die Linke gegen "Zwangsumzüge" im ersten Jahr des Hartz-IV-Bezuges aus. Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass Hartz-IV-Empfänger nach maximal sechs Monaten umziehen müssen, wenn ihre Wohnkosten zu hoch sind. Da sich Hartz-IV-Bezieher vor allem darum kümmern sollten, eine neue Arbeit und nicht eine neue Wohnung zu finden, sei die Sechsmonatsregel kontraproduktiv, argumentiert die Linksfraktion. Sie fordert, die Bleibedauer in der angestammten Wohnung bei Hartz-IV-Bezug auf zwölf Monate auszudehnen.
Die Sachverständige Alexandra Frank-Schinke lehnt bedarfsgerechte Pauschalen ab, weil sie "zu teuer" seien. "Das würde nur dazu führen, dass die, die eine geringere Miete haben, trotzdem die volle Pauschale bekommen." Potenzial für Einsparungen durch Pauschalen sieht Frank-Schinke kaum, da eine Einzelfallprüfung ohnehin stets erfolgen müsse. "In der Praxis würden die Kommunen daher so gut wie nie auf Pauschalen zurückgreifen", sagte Frank-Schinke.
Aus den gleichen Gründen sprach sich der Sachverständige Dr. Andy Groth gegen Wohnkosten-Pauschalen aus. Auch der Experte Joachim Rock sagte, dass Kostenersparnisse in der Verwaltung durch Pauschalen nicht zu erwarten seien.
Die Forderung nach neuen Mindeststandards bei der Berechnung der Aufwendungen für Wohn- und Heizungskosten wies Regine Offer vom Deutschen Städtetag zurück. Es herrsche kein Handlungsbedarf, da es bereits "sehr dezidierte Regelungen" gebe. Neue zentrale Vorgaben wären "nicht zielführend".
Kontroverser diskutiert wurde das Thema "Zwangsumzug": Der Experte Dr. Stefan Schifferdecker hält die im Antrag vorgeschlagene Fristverlängerung von sechs auf zwölf Monate für zu lang. Er sieht die Gefahr von Missbrauch. Auch werde Harz-IV-Empfängern ein Anreiz genommen, sich der neuen Situation anzupassen.
Laut dem Sachverständigen Holger Gautzsch könnte eine Fristverlängerung auf zwölf Monate jedoch sinnvoll sein. Aufgrund der dreimonatigen Kündigungsfrist bei Wohnungen bliebe den Empfängern gegenwärtig kaum Zeit, sich eine neue Wohnung zu suchen. Das Argument der Linksfraktion, die Wohnungssuche behindere die Jobsuche, ließ Michael Schweiger von der Bundesagentur für Arbeit nicht gelten. Dazu gebe es keine validen Erhebungen. (mla)
Liste der geladenen Sachverständigen: