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"Die gemeinsame elterliche Sorge dient dem Wohl des Kindes." Damit begründet die SPD-Fraktion ihre Forderung nach einer Neuregelung der elterlichen Sorge bei nicht verheirateten Eltern. Unter diesem Titel hat die Fraktion einen Antrag (17/8601) in den Bundestag eingebracht, der am Donnerstag, 26. April 2012, Thema einer dreiviertelstündigen Debatte im Plenum sein wird. Die Fraktion will das gemeinsame Sorgerecht beider Elternteile fördern, da diese "dem Wohl des Kindes" diene, sofern die Eltern "in der Lage sind, gemeinsam am Kindeswohl orientierte Entscheidungen zu treffen." Auch die Fraktion Die Linke hat einen Antrag zur Neuregelung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern (17/9402) vorgelegt, der ebenfalls beraten werden soll.
Bis vor zwei Jahren hatte das Gesetz vorgesehen, dass bei nicht verheirateten Eltern die gemeinsame Sorge ausschließlich mit Zustimmung der Mutter möglich war. Verweigerte sie ihr Einverständnis, hatte sie die Alleinsorge. Im Juli 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht einen Beschluss gefasst, demzufolge der Gesetzgeber die elterliche Sorge bei nicht verheirateten Eltern neu regeln müsse. Das Gericht rügte in seiner damaligen Entscheidung, dass der nichteheliche Vater keine Möglichkeit habe, die Ablehnung der Mutter gerichtlich überprüfen zu lassen.
Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung kann das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils das Sorgerecht übertragen, wenn dies dem Kindeswohl dient. Auch kann das Gericht das alleinige Sorgerecht auf den Vater übertragen, wenn dies dem Kind zugute kommt. "Die gesetzlich erforderliche Neuregelung", schreiben die Antragsteller, "muss also die Kinderrechte berücksichtigen und das Kindeswohl in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen". Schließlich, so heißt es weiter, sei das Recht des Kindes auf die Erziehung durch beide Elternteile bereits im Grundgesetz (Artikel 6 Absatz 2) verankert.
Die SPD-Fraktion schlägt deshalb vor, dass künftig der Standesbeamte bei der standesamtlichen Registrierung des Kindes beide Elternteile über die Möglichkeit einer gemeinsamen Sorge aufklärt. Das Jugendamt würde sie auffordern, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu der gewünschten Ausgestaltung der gemeinsamen Sorge zu äußern. Kann keine Einigung erzielt werden, so soll nach dem Willen der Fraktion das Familiengericht entscheiden. Zuvor solle jedoch das Jugendamt auf eine Einigung hinwirken.
Ziel der Neugerelung sei es, "dass die Bereitschaft, gemeinsam das Sorgerecht auszuüben, durch staatliche Institutionen gefördert" werde: "Dies dient in einer Mehrzahl der Fälle dem Kindeswohl."
Anlass für eine derartige Neuregelung ist laut SPD-Fraktion die "Zunahme von außerhalb der Ehe geborenen Kindern". In ihrem Antrag beruft sich die Fraktion auf Zahlen aus dem Jahr 2009: Damals habe die Zahl der außerehelich geborenen Kinder 61 Prozent in Ost- und 26 Prozent in Westdeutschland betragen.
Die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 2011 bestätigen diesen Trend: Jedes dritte in Deutschland geborene Kind kommt außerehelich zur Welt, doppelt so viele wie noch 1990. 33 Prozent der rund 678.000 im vergangenen Jahr geborenen Babys hatten Eltern, die nicht miteinander verheiratet waren.
Zwischen Ost und West verzeichnen die Statistiker erhebliche Unterschiede. Während 2010 in den neuen Bundesländern mit 61 Prozent die meisten Neugeborenen nicht verheiratete Eltern gehabt hätten, sei im Westen die Ehe der Eltern nach wie vor der Regelfall. Dort seien 2010 nur 27 Prozent aller Kinder außerehelich geboren worden, nur ein Prozent mehr als 2009.
Die meisten nichtelichen Kinder sind danach in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, jeweils 64 Prozent, geboren worden. Die niedrigsten Quote habe es mit 22 Prozent in Baden-Württemberg gegeben. (ver)