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Alle fünf Bundestagsfraktionen wollen mit einer Reform des Transplantationsgesetzes dafür sorgen, dass mehr Menschen in Deutschland ihre Bereitschaft zur Organspende erklären. Der Bundestag entscheidet am Freitag, 25. Mai 2012, über den fraktionsübergreifend von 222 Abgeordneten eingebrachten Gesetzentwurf (17/9030) zur Einführung einer sogenannten Entscheidungslösung. Zuvor ist von 9.20 Uhr an eine eineinhalbstündige Debatte vorgesehen. Auf der Tagesordnung steht zudem der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Transplantationsgesetzes (17/7376).
Der fraktionsübergreifende Entwurf sieht vor, dass alle Krankenversicherten über 16 Jahre ausführliche Informationen zum Thema Organspende geschickt bekommen. Ferner sollen sie in dem Brief eine Aufforderung finden, den mitgeschickten Spenderausweis auszufüllen. Eine Pflicht, sich zu entscheiden, ist nicht vorgesehen. Deshalb wird die geplante Neuregelung auch "freiwillige Entscheidungslösung" genannt. Das heißt, es drohen keine Konsequenzen, wenn der Spenderausweis nicht ausgefüllt wird.
Auf dem Organspendeausweis kann man — wie bisher — der Organspende generell zustimmen, einzelne Organe ausschließen oder nur bestimmte Organe freigeben. Zudem besteht auch die Möglichkeit, eine Organspende grundsätzlich abzulehnen oder die Entscheidung einer Person des Vertrauens zu übertragen.
Bislang gilt in Deutschland die sogenannte Zustimmungslösung. Danach müssen Bürger zu Lebzeiten oder nach dem Hirntod die Angehörigen der Entnahme von Organen und Gewebe zustimmen. Dieses Prinzip wird beibehalten, jedoch sollen künftig Versicherte regelmäßig - geplant sind alle zwei Jahre - nach ihrer Bereitschaft gefragt werden. Es wird also weniger Eigeninitiative nötig sein als bislang. Die Fraktionen hoffen, damit das Bewusstsein für das sensible Thema zu schärfen und die Zahl der möglichen Spender zu erhöhen.
Mehr informieren sollen nicht nur die gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Auch bei der Ausgabe neuer Pässe, Personalausweise und Führerscheine sollen die zuständigen Behörden laut Entwurf Aufklärungsunterlagen zur Organspende aushändigen.
In einer zweiten Stufe sollen Versicherte — vermutlich ab 2017 — für die Dokumentation der Erklärung zur Organspende die elektronische Gesundheitskarte nutzen können. Grüne und Linksfraktion haben dies aus datenschutzrechtlichen Gründen kritisiert.
Der ebenfalls zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass die rund 1.400 Krankenhäuser mit Intensivstation, in denen Organspenden möglich sind, je einen Transplantationsbeauftragten bekommen. Ein Hintergrund ist, dass manche Kliniken kaum Spenderorgane zur Verfügung stellen.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat zudem angekündigt, diejenigen, die einem engen Angehörigen zu Lebzeiten ein Organ spenden, besserzustellen. Jeder Lebendspender soll unter anderem einen Anspruch gegen die Krankenkasse des Organempfängers auf Krankenbehandlung, Vor- und Nachsorge, Rehabilitation sowie Krankengeld bekommen.
Der Bundesrat fordert in diesem Zusammenhang, den Unfallversicherungsschutz auf alle Komplikationen infolge einer Organlebendspende zu erstrecken. Eine Leistungspflicht der Unfallversicherung soll nach Willen der Länder auch bei Spätschäden der Organspender bestehen, ohne dass dieser nachweisen muss, dass die Schäden auf die Organentnahme zurückzuführen sind.
Der Gesundheitsausschuss hat am Mittwoch, 23. Mai, einstimmig Änderungen am Regierungsentwurf befürwortet (17/9773). Unter anderem sollen Lebendspender von Organen und Geweben einen Rechtsanspruch auf eine sechswöchige Entgeltfortzahlung, ein höheres Krankengeld und einen Anspruch auf medizinische Behandlung, Rehabilitation und Fahrtkosten bekommen.
Zuständig für die Leistungen wird nach dem Willen der Abgeordneten die Krankenkasse des Organempfängers. Bei Folgeerkrankungen, "die in einem zeitlichen Abstand zur Spende eintreten", soll laut dem geänderten Gesetzentwurf die Krankenkasse des Spenders für die Behandlung zuständig sein.
Der Gesundheitsausschuss beschloss, dass die Krankenkasse des Organempfängers dem Arbeitgeber des Lebendspenders das fortgezahlte Arbeitsentgelt und die fälligen Sozialversicherungsbeiträge erstatten muss. Zur Begründung hieß es, bislang gälten die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht für Spender von Organen oder Geweben, "da arbeitsunfähige Spender nicht infolge eigener Krankheit an ihrer Arbeitsleistung gehindert sind".
Mit dem Änderungsantrag werde klargestellt, dass eine Arbeitsverhinderung infolge einer Organspende "eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit darstellt" und ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.
Nach dem Beschluss des Gesundheitsausschusses wird auch der Krankengeldanspruch von Lebendspendern zur Vermeidung von Nachteilen modifiziert. Anders als die übrigen Krankengeldempfänger bekommen Lebendspender danach Krankengeld in Höhe ihres ausgefallenen Arbeitseinkommens.
Der geänderte Gesetzentwurf der Regierung wurde im Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Die Linke stimmte gegen den Gesetzentwurf. Zur Begründung hieß es, wesentliche Themen wie die Hirntodproblematik und wissenschaftliche Kriterien für den Organtransport seien nicht besprochen worden.
Kritik — auch von Seiten der Grünen — gab es zudem am Umgang mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), die die Organspenden in Deutschland koordiniert. Linke und Grüne vermissten im Ausschuss gesetzgeberische Konsequenzen aus den Vorwürfen — etwa mangelnder Transparenz — gegen die DSO.
Kein konkretes Votum gab der Gesundheitsausschuss zum Gesetzentwurf der 222 Abgeordneten ab (17/9774).
Abgestimmt werden wird auch über Änderungsanträge von 23 Abgeordneten der Linksfraktion (17/9775) und von 44 Abgeordneten der Grünen (17/9776). Entschließungsanträge haben CDU/CSU, SPD und FDP gemeinsam (17/9777) sowie Die Linke (17/9778) zur Abstimmung gestellt. (mpi)