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Ein im Auftrag des Bundeswirtschaftsministerium erstelltes Gutachten zur Umsetzung von Warnhinweismodellen bei Urheberrechtsverletzungen im Internet stößt auf Kritik von Experten. Nach den Vorstellungen des Medienrechtlers Prof. Dr. Rolf Schwartmann von der Fachhochschule Köln sollen Rechteinhaber den Internet-Providern die IP-Adressen melden, bei denen sie Urheberrechtsverstöße entdecken. Der Provider soll dann bis zu drei Warnhinweise verschicken. Der Ansatz, so heißt es in dem Gutachten Schwartmanns, sei "rechtsstaatlich von Vorteil, weil er vor einer Abmahnung auf aufklärende Warnungen setzt".
Während einer öffentlichen Sitzung des Unterausschusses "Neue Medien" unter Vorsitz von Sebastian Blumenthal (FDP) am Montag, 21. Mai 2012, lehnten sowohl der Medienanwalt Dr. Dieter Frey als auch Frank Rieger vom Chaos Computer Club (CCC) und Oliver Süme vom Verband der deutschen Internetwirtschaft (Eco) das Modell ab.
Von einer "Privatisierung der Rechtsdurchsetzung", bei der die Provider als Hilfssheriffs fungieren sollten, sprach Süme. Auf die Gefahr einer "vollständigen Überwachung des Internets" warnte CCC-Vertreter Frank Riegert. Medienanwalt Frey kritisierte den mit der Regelung verbundenen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis.
Wolle man an einer Rechtsdurchsetzung festhalten, sei das Modell ein "guter erster Aufschlag", sagte hingegen Dr. Florian Drücke vom Bundesverband der Musikindustrie. Schwartmann zeigte sich überrascht von der Kritik an seinem Modell. So sei keineswegs geplant, die Provider zu "Hilfssheriffs" zu machen.
Vielmehr gehe es um eine "Inpflichtnahme zu Botendiensten", was nicht mit einer Rechtsdurchsetzung verwechselt werden dürfe. "Es geht um die Mitwirkung in einem privatrechtlichen Vorgang ohne jede Sanktion", sagte Schwartmann. Am Ende münde das nach drei "Aufklärungsversuchen" in den heute schon praktizierten Vorgang.
Das Zusammenführen von dynamischen IP-Adressen mit den Kundendaten des Zugangsproviders stelle laut Bundesverfassungsgericht einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis dar, sagte hingegen Rechtsanwalt Frey. Die Vorstellung, nicht mehr unbeobachtet zu sein im Internet, die mit der Änderung verbunden sei, "kann man sich wünschen, um die Leute im Griff zu halten", so Frey.
Es stehe aber zu Recht unter Strafe, in das Fernmeldegeheimnis einzugreifen. "Ich möchte nicht, dass mein Provider nachschaut, was ich im Internet so tue", betonte er.
Vor einer "vollständigen Überwachung à la Syrien", warnte Frank Rieger vom CCC. Es stelle sich die Frage, was nach einem Warnmodell kommen solle. Eine Überwachung sei technologisch möglich, stellte er klar. "Wir müssen uns aber politisch dagegen entscheiden", forderte Rieger.
Zugleich machte er auf Probleme bei der Ermittlung von IP-Adressen aufmerksam. Die damit beauftragten "halbseidenen Firmen" würden höchst unzuverlässig arbeiten, was die Unsicherheit für alle Nutzer erhöhe, zu Unrecht einer Urheberrechtsverletzung verdächtigt zu werden.
Die Gefahr einer Überwachung sei real, urteilte auch Eco-Vertreter Oliver Süme. Zudem sei es auch heute schon möglich, Warnhinweise zu versenden. "Das tut aber niemand", sagte er.
Was die Herausgabe von IP-Adressen angehe, so sei dies ebenfalls schon möglich, allerdings auf richterlichen Beschluss, der dann die Basis für Abmahnverfahren bilde.
Abmahnungen, die die Menschen nicht verstehen, weil ihnen der Gesetzverstoß gar nicht bewusst ist, führe zu einer Abnahme des Glaubens an das Gesetz, sagte der Journalist Dirk von Gehlen. Das geschehe bei manchen Plattformen, wo unbewusst auch Uploads erfolgen. "Wollen wir in solchen Fällen die völlig berechtigten Interessen der Urheber höher stellen als die Frage, wie die Menschen mit dem Gesetz umgehen?"
Eine weitere Frage sei, ob es gut ist, wenn nur diejenigen verfolgt werden, die nicht in der Lage sind, ihre IP-Adresse zu verschleiern. Nach Ansicht von Gehlens führt das zu einem "Legitimationsverlust im Urheberrecht". Es müsse daher die Politik der Rechtsdurchsetzung beendet und über neue Modelle nachgedacht werden, forderte der Journalist.
Solche Forderungen seien "sehr niedlich", sagte Florian Drücke vom Bundesverband der Musikindustrie. "Es geht doch aber nicht darum, dass irgendjemand ein kleines Musikstück runterlädt", betonte er. Es gehe vielmehr um Uploads. Um hier die Graubereiche zum gewerblichen Bereich zu beenden sei es vielleicht sogar sinnvoll festzulegen, man dürfe nicht uploaden, sagte Drücke.
Er machte zugleich deutlich, dass man über Missstände beim Abmahnwesen reden könne. Eine grundsätzliche Abmahndeckelung zu fordern, "ohne zu schauen, welche Mechanismen dabei bedient werden", sei aber der falsche Weg.
Medienrechtler Schwartmann ging auch auf den Vorwurf ein, man schieße mit Kanonen auf Spatzen, da der Bereich der mit der Änderung erfasst wir, nur 20 Prozent der Urheberrechtsverletzungen ausmache. "Die Frage ist doch: Wo können wir überhaupt ansetzen?", sagte er.
Zwar könne man so "Schwerkriminelle im Netz, die ihre Identitäten verschleiern" nicht daran hindern, sich weiter illegal zu verhalten. Es sei aber möglich, "sanktionslos" die zu erreichen, die man noch aufklären kann. (hau)