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Einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser fordert Thilo Hoppe. Die Wasserversorgung müsse am Gemeinwohl orientiert sein, damit das Menschenrecht auf sauberes Wasser oberste Priorität hat, so der Vizevorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Der Grünen-Abgeordnete warnt im Interview vor den schwerwiegenden Folgen der Wasserknappheit, die vor allem südlich der Sahara dramatisch sei und zu den Ursachen von Hungerkatastrophen gehöre. Einer halbstündigen Plenardebatte am Donnerstag, 24. Mai 2012, über die Sicherung von Wasser und Ernährung liegen ein Antrag von CDU/CSU und FDP (17/9153) und eine Beschlussempfehlung des Ausschusses (17/9526) zugrunde. Das Interview im Wortlaut:
Herr Hoppe, kann man tatsächlich von dramatischer Wasserknappheit sprechen? Von Wüsten abgesehen regnet es doch rund um den Erdball eigentlich genug.
Zwar sind 70 Prozent der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt, aber ein Großteil des Wassers ist salzhaltig oder in Gletschern gebunden. Lediglich 0,8 Prozent der Vorkommen können von Menschen genutzt werden. Vor allem aber handelt es sich bei Wasser um ein Gut, das ungleich verteilt ist. Zwar wurde das UN-Ziel "Zugang zu sauberem Trinkwasser" offiziell erreicht. Dennoch sterben laut Unesco noch immer mehr als 3,5 Millionen Menschen jährlich an den Folgen verunreinigten Trinkwassers, fast 800 Millionen müssen mit verschmutztem Trinkwasser vorlieb nehmen. Die Wasserversorgung bleibt besonders in ländlichen Gebieten südlich der Sahara dramatisch. Dort haben 97 Prozent der Familien keinen Wasseranschluss, mehr als zehn Prozent entnehmen ihr Trinkwasser direkt aus Flüssen oder Seen. Die Vereinten Nationen schätzen, dass 2025 zwei Drittel der Weltbevölkerung, die vor allem in Entwicklungsländern leben, unter Wasserknappheit leiden werden.
Wo liegen die Ursachen der Wasserknappheit?
Das Hauptproblem ist die ungleiche Verteilung der Ressource Wasser. Diese Schieflage wird sich weiter verschärfen, insbesondere wegen des Klimawandels, einer weltweit stark wachsenden Bevölkerung und veränderter Ernährungsgewohnheiten. Allein auf die Landwirtschaft entfallen 70 Prozent des globalen Verbrauchs, wobei nicht zuletzt wegen problematischer Produktionsweisen und einer unzweckmäßigen Bewässerung die kostbare Ressource verschwendet wird.
Welche handfesten Folgen hat Wasserknappheit?
Dieser Mangel hat schwerwiegende gesundheitliche, soziale und ökologische Konsequenzen. Nicht nur der Tod von Millionen Menschen durch verunreinigtes Trinkwasser springt ins Auge. Auch die Hungerkatastrophen am Horn von Afrika oder in der Sahelzone sind zum Teil durch Dürre und ungewöhnlich kurze Regenzeiten bedingt. Befürchtungen, dass eines Tages gewaltsame Konflikte auch wegen des Zugangs zu Wasser ausbrechen werden, sind nicht von der Hand zu weisen.
Ist Wasserknappheit ein unabwendbares Schicksal? Oder gibt es erfolgversprechende Gegenmittel?
Der Erdball wird von sieben Milliarden Menschen gemeinsam bewohnt, weshalb das Problem der Wasserknappheit alle angeht, auch jene, die selbst über genügend Wasser verfügen. Angepackt werden muss die bislang sehr ungleiche Verteilung dieses Guts. Geboten ist ein nachhaltiger Umgang mit dieser Ressource. Die Wasserversorgung hat sich am Gemeinwohl zu orientieren, um zu gewährleisten, dass das Menschenrecht auf sauberes Wasser oberste Priorität hat. Gerade armen Bevölkerungsgruppen muss der Zugang zu Wasser ermöglicht werden. Vonnöten ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem hohen Fleischkonsum in Industrieländern, der nicht zusammenpasst mit dem Hunger, unter dem weltweit eine Milliarde Menschen leidet.
Umstritten zwischen Koalition und Opposition ist der von Union und FDP geforderte Ausbau der Forschung zu dürreresistenten Nutzpflanzen. Ist angesichts von Wasserknappheit und steigendem Nahrungsmittelbedarf eine solche Strategie nicht naheliegend?
Die Forschung zu dürreresistenten Pflanzen zielt unter anderem auf die Entwicklung von genveränderten Organismen ab. Die Agro-Gentechnik führt aber zu Monokulturen in der Landwirtschaft, bedroht die Artenvielfalt, schafft Abhängigkeiten von großen Saatgut- und Chemiekonzernen und birgt große Risiken für Mensch wie Umwelt in sich. Das Konzept der Koalition bietet keine Lösung. Dem Problem von Wasserknappheit, Hunger und Armut ist nur durch ökologische und standortangepasste Anbaumethoden sowie durch die gezielte Förderung kleinbäuerlicher Strukturen in Entwicklungsländern beizukommen. In der Agrarforschung versprechen konventionelle Methoden Erfolg.
Kontrovers diskutiert wird auch die Frage einer staatlichen oder einer privaten Wasserversorgung. Die Koalition plädiert für eine Regulierung privater Unternehmen in der Dritten Welt mit dem Ziel, über bezahlbare Preise auch Armen den Zugang zu Wasser zu garantieren. Das ist doch ein Stück Dirigismus. Oder soll die Wasserversorgung grundsätzlich ganz in staatlicher Hand liegen?
Die Umsetzung des Menschenrechts auf sauberes Trinkwasser hängt nicht zwingend von einer staatlichen Organisation der Wasser- und Sanitärversorgungauch ab, das kann im Prinzip auch mit privatwirtschaftlichen Unternehmen erreicht werden. Im letzteren Fall steht allerdings der Staat in der Verantwortung, über eine entsprechende Regulierung auch sozial benachteiligten Gruppen den Zugang zu Wasser zu garantieren. Das hat nichts mit Dirigismus zu tun, sondern damit, dass Menschenrechte nicht verhandelbar sind.
(kos)