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Das Recht auf freien Zugang zu den Datenbeständen von Behörden ist genauso viel Wert wie die Bereitstellung von Infrastruktur durch den Staat. "Denn es macht keinen Unterschied, ob ich auf einer durch öffentliche Mittel finanzierten Straße entweder in den Urlaub oder nur zur Arbeit fahre", sagte Hauke Gierow von der Open Knowledge Foundation Deutschland am Montag, 25. Juni 2012, im Expertengespräch zum Thema "Entwicklung und Stand von Open-Data-Projekten" im Unterausschuss "Neue Medien".
Dass ein kommerzieller Nutzen aus Daten gezogen werden kann, die von öffentlichen Stellen bereitgestellt werden, sah Gierow in der Sitzung unter Vorsitz von Sebastian Blumenthal (FDP) als legitim an. "Denn jegliche Infrastruktur wird auch zum wirtschaftlichen Nutzen vorgehalten." Wie Strom aus den Stromnetzen, der nicht nur privat, sondern ebenso für die Arbeit in Büros genutzt wird, führte Gierow weiter aus.
Pavel Richter von Wikimedia Deutschland pflichtete ihm bei, denn der Zugang zu Informationen sei die wirtschaftliche Grundlage moderner Wissensgesellschaften. "Hat jemand eine Idee, die gut ist, und er nutzt dafür öffentlich zugängliche Informationen, dann ist das gut, weil jeder diese Daten nutzen kann", sagte Richter.
Auch Wolfgang Bauer als Vertreter des Beauftragten für Informations- und Kommunikationstechnik der Bayerischen Staatsregierung sah "wirtschaftliches Potenzial" durch Open Data und sprach sich grundsätzlich dafür aus. So führte er zum Beispiel Innovationen im Nahverkehr an, indem auf Smartphones mitgeteilt werden kann, wann ein Bus tatsächlich seine Haltestelle erreicht.
Doch warnte er auch: "Die Koppelung von Datensätzen, die für sich genommen unbedenklich erscheinen, kann dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen widersprechen." Bauer führte an, dass zum Beispiel ein besonderes Interesse der Nutzer in Bayern an der Aufbereitung von Geodaten-Informationen besteht — zum Beispiel zur Feststellung der Hochwassergefährdung in bestimmten Regionen.
Doch könnten solche Daten auch zur Geo-Referenzierung genutzt werden, indem zum Beispiel Grundbücher, Durchschnittseinkommen und andere Informationen kombiniert würden. Wolfgang Bauer betonte, dass insofern gegenüber den Bürgern eine "Schutzpflicht" besteht, die durch die Freigabe von Daten verletzt werden könnte.
Dr. Frank Jendro, Vertreter der Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg, forderte deshalb eine "konkrete Rechtsgrundlage", die regelt, was erlaubt sein darf. Jendro sah ebenfalls die Gefahr, dass die Daten zur Profilbildung missbraucht werden könnten. "Das kann ein enormer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte sein — zum Beispiel in die Kreditwürdigkeit."
Er plädierte dafür, ein einheitliches Informationsgesetz gegenüber Behörden und Firmen einzuführen, das dass bereits bestehende Informationsfreiheitsgesetz, Umweltinformationsgesetz und Verbraucherinformationsgesetz zusammenfasst.
Aus Sicht von Transparency International Deutschland sprach sich Dr. Christian Humborg dafür aus, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge besser dokumentiert werden muss, "weil rund zehn Prozent des erwirtschafteten Bruttoinlandprodukts in Deutschland Folge von Ausschreibungen sind". In diesem Bereich müsse die Öffentlichkeit besseren Einblick erhalten, ohne dass dieser zu schnell verwehrt werde, weil Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen seien.
Die Vertragspartner sollen bereits vorher deklarieren, welche Informationen geschützt werden müssen und welche zugänglich sein sollen. Dadurch könnten Unsicherheiten bei der Freigabe von Informationen vermieden werden. Frank Jendro verwies in dieser Frage darauf, dass ein Mentalitätswandel gefördert werden müsse: "Jeder, der mit der öffentlichen Hand Verträge abschließt, sollte sich darüber bewusst sein, dass diese Verträge gegenüber der Öffentlickeit von Interesse sind." (eis)