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Die gegenseitige Blockade von Polizei und Geheimdiensten, die nicht erfolgte Zentralisierung der Ermittlungen beim Bundeskriminalamt (BKA) und die mangelnden Kompetenzen des Generalbundesanwalts zählen für Wolfgang Wieland zu den zentralen Problemen bei der gescheiterten Aufklärungsarbeit zu der Mordserie, die inzwischen dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelastet wird. Die Geheimdienste hätten auch wissen müssen, dass das Fehlen von Bekennerschreiben typisch für solche Attentate sei, sagt Wieland im Interview. Wieland ist Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Untersuchungsausschuss, der Pannen und Fehlgriffe der Sicherheitsbehörden bei den Recherchen zu der Erschießung von neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin durchleuchtet. Das Interview im Wortlaut:
Herr Wieland, in Nürnberg betreibt die Polizei eine Dönerbude, in Hamburg beauftragt man einen persischen Geisterbeschwörer mit Recherchen im Jenseits: Hätten Sie in Ihrer Fantasie mit solch eigentümlichen Ermittlungen gerechnet?
Derart Merkwürdiges konnte man wirklich nicht vermuten. Wenn im Rahmen meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt türkische Mandanten ein Vorgehen nach dem Hamburger Muster vorgeschlagen haben, dann habe ich stets einen Vortrag über die Aufklärung gehalten. Die hanseatische Polizei scheint dies ebenfalls nötig zu haben. Leider müssen wir uns darauf gefasst machen, dass noch mehr seltsame Ermittlungsmethoden ans Tageslicht kommen. Näher durchleuchten müssen wir etwa den Undercover-Einsatz einer falschen Journalistin durch die bayerische Sonderkommission Bosporus in Nürnberg, das dürfte interessant werden.
Der Ausschuss hat bereits zahlreiche Probleme bei den Recherchen zur Mordserie entdeckt. Welches sind denn die gravierendsten Defizite?
Wohin man auch schaut, man stößt auf Mängel. Als Kardinalfehler hat sich das Problem entpuppt, dass der Generalbundesanwalt nicht von sich aus prüfen kann, ob er in solchen Fällen zuständig ist. Diese Gesetzeslücke muss geschlossen werden. Verhängnisvoll war, dass die Ermittlungen nicht zentralisiert waren. Bernhard Falk als Ex-Vizepräsident des BKA hat die damalige Arbeit als stümperhaft kritisiert, dem ist nichts hinzuzufügen. Polizei und Geheimdienste haben sich gegenseitig blockiert, das macht fassungslos.
Wenn bei der Polizei alles bestens gelaufen wäre: Angesichts der perfekten konspirativen Tarnung der NSU-Zelle wäre die rechtsextreme Spur trotzdem kaum aufgespürt worden. Es gab auch keine Bekennerschreiben.
Das Fehlen von Bekennerschreiben ist geradezu typisch für gewalttätige Rechtsextremisten. Das ist jedenfalls nicht so ungewöhnlich, wie es jetzt dargestellt wird. Solche Drehbücher kennen wir vom Ku-Klux-Klan in den USA, und die sind auch nach Europa gelangt. Man wollte Taten statt Worte sprechen lassen. Das wird auch so in dem Video erläutert, das bei der NSU-Zelle gefunden wurde. Die Täter hofften darauf, dass solche Morde Ausländer verunsichern. Das alles hätte zumindest den Geheimdiensten bekannt sein können, und die hätten die Polizei informieren müssen.
Nun hat sich das NSU-Trio aber auch innerhalb der eigenen Szene abgeschottet.
Das ist richtig. Was es mit dieser Abschottung genau auf sich hatte und wie weit sie reichte, untersuchen derzeit BKA und Generalbundesanwalt.
Hätten zentrale BKA-Ermittlungen etwas genutzt? Dort hielt man von der Theorie eines rechtsextremen Hintergrunds der Erschießungen doch nichts.
Wir können heute nicht wissen, ob das BKA die Schieflage bei den auf das kriminelle Milieu konzentrierten Nachforschungen beseitigt hätte. Das BKA saß damals am Katzentisch und leistete nur Hand- und Spanndienste für die Polizei in den Ländern. Hätte das BKA den Hut aufgehabt, hätte die Bundesbehörde ihren Apparat in Bewegung setzen, eigene Anstrengungen unternehmen und dabei vielleicht die richtigen Erkenntnisse gewinnen können. Es gab ja im BKA auch Befürworter jener Profiler-Hypothese, die Täter mit fremdenfeindlichem Motiv im Blick hatte.
Wie es scheint, hätte ein besserer Informationsaustausch zwischen dem bayerischen Verfassungsschutz und der Soko Bosporus wohl nichts gebracht, da man Rechtsextremisten als eventuell in Frage kommende Täter in Nürnburg vermutet hat und es keine Hinweise auf die NSU-Herkunftsländer Thüringen und Sachsen gab.
Das war etwas anders. Die Soko Bosporus wollte vom Verfassungsschutz die Daten aller registrierten bayerischen Rechtsextremisten, was wegen des Datenschutzes abgelehnt wurde. Erst danach ließ sich die Soko auf die Übermittlung von Erkenntnissen über diese Szene im Raum Nürnberg runterhandeln. Die Geheimdienstler hätten jedoch ihrerseits in ihren Datenbeständen nachschauen müssen, ob dort jemand verzeichnet ist, der für die Morde in Betracht kommen könnte. Außerdem haben die bayerischen Verfassungsschützer nicht bei anderen Landesämtern nachgefragt, ob man dort über Hinweise verfügt. Drastisch formuliert: Die Soko Bosporus verhielt sich dämlich, und der Geheimdienst noch dämlicher.
Wenn Sie selbst die Ermittlungen geleitet hätten: Was hätten Sie unter den damals gegebenen Umständen anders gemacht?
Ich räume ein, dass ich bei den ersten Morden ebenfalls nach Tätern im kriminellen Milieu gefahndet hätte. Nach dem vierten oder fünften Toten war aber klar, dass man nach Alternativen und auch nach einem rechtsextremen Hintergrund hätte suchen müssen. Dabei hätte ich das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Geheimdienstbehörden auf Landesebene umfassend einbezogen, was seinerzeit nicht geschah. Für mich hätte auch ein Zusammenhang zwischen der Mordserie und dem Kölner Nagelbombenattentat nahegelegen. Auf diesen Wegen hätte man darauf kommen können, dass die Täter als Rechtsextremisten einzustufen waren.
(kos)