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Prävention, Bewältigung und Nachsorge von Konflikten kann nur funktionieren, wenn militärische und zivile Maßnahmen in einem umfassenden Konzept miteinander vernetzt werden. Das wurde deutlich bei einem Expertengespräch im Unterausschuss "Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit" des Auswärtigen Ausschusses unter Vorsitz von Joachim Spatz (FDP).Vier Experten sowie eine Regierungsvertreterin informierten am Montag, 25. Juni 2012, über die deutschen Aktivitätenim UN-Sicherheitsratin Bezug aufPeace Building und Capacity Building.Dabei ging esunter anderem um die Frage, wie Kinder in bewaffneten Konflikten besser geschützt werden können.
Weltweit werden Schätzungen zufolge 250.000 Kinder von Armeen und bewaffneten Gruppen als Soldaten und Arbeitskräfte missbraucht, erfuhren die Abgeordneten in der Sitzung zum Thema "Deutsche Aktivitäten im UN-Sicherheitsrat mit den Schwerpunkten Peace Building und Capacity Building unter Berücksichtigung der UN-Aktivitäten zu Kindern in bewaffneten Konflikten".
Nach Auskunft der Bundesregierung werden viele Aktivitäten der Vereinten Nationen mit deutschen Mitteln unterstützt, beispielsweise flossen 19 Millionen Euro in den Peace Building Fonds. Die Regierungsvertreterin wies darauf hin, dass Deutschland seit 2011 den Vorsitz in der Arbeitsgruppe zu Kindern in bewaffneten Konflikten des UN-Sicherheitsrates inne hat. Eine Hauptaufgabe der Arbeitsgruppe sei die namentliche Listung von Konfliktparteien, die Kindersoldaten einsetzen oder Kinder sexuell missbrauchen, verstümmeln oder töten. Im letzten Jahresbericht wurden 58 Konfliktparteien in 13 Ländern in dieser "Liste der Schande" aufgeführt.
Die sechs Tatbestände, die zur Auflistung führten sind: Tötung oder Verstümmelung von Kindern, Rekrutierung oder Einsatz von Kindersoldaten, Vergewaltigung und sexuelle Gewalt gegen Kinder, Entführung von Kindern, Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser sowie Versagung humanitärer Hilfe für Kinder. Der vorletzte Punkt wurde auf Betreiben Deutschlands neu in die Liste der Tatbestände aufgenommen. "Schwierige Verhandlungen führten zum Erfolg", berichtete die Vertreterin des Auswärtigen Amtes. Und sie versprach, dass sich die Bundesregierung weiterhin, für "einen besseren Schutz von Kindern" einsetzen wird.
Wiebke Hansen vom Zentrum für internationale Friedenseinsätze (ZIF) mahnte: "Der politische Wille der Länder wird gebraucht." Sie stellte fest, dass Deutschland im Bereich "Zivile Kapazitäten" einer der Vorreiter sei. Dieser Bereich habe ihrer Aussage nach eine rasante Entwicklung durchgemacht. So gebe es einen "Trend zu klaren Prioritäten" statt langer Wunschlisten. Das ZIF erarbeitet Analysen und Konzepte zu aktuellen Fragestellungen im Bereich Krisenprävention, Friedeneinsätze und Peacebuilding. Hansen warnte, dass die Anforderungen für Hilfsmaßnahmen sich ändern könnten und nannte als neue Herausforderung beispielsweise den Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Sie forderte zudem eine Verbesserung der Entsendungs- und Rückkehrbedingungen für Experten sowie Mindestvereinbarungen für eine Entsendung.
Frank Mischo von der Kindernothilfe gab den Abgeordneten erschütterne Fakten mit auf den Weg. Allein in den letzten zehn Jahren seien mehr als zwei Millionen Kinder in Konflikten ums Leben gekommen. In mehr als 20 Staaten werden rund 250.000 Kinder als Soldaten in den Kampf geschickt — sowohl von regulären Armee als auch von nichtstaatlichen Gruppen. Er betonte aber auch, dass es Erfolge in der Strafverfolgung für den Einsatz von Kindersoldaten gebe, so zum Beispiel im Falle von Liberia und dem Kongo. "Das zeigt Wirkung", so Mischo. "Trotzdem gehen weiterhin die meisten Täter straffrei aus." Der Mitarbeiter der Kindernothilfe kritisierte zudem, dass die Bundeswehr jährlich rund tausend 17-jährige Jugendliche rekrutiere. "Deutschland muss dringend die Grenze von mindestens 18 Jahren bei der Rekrutierung der Bundeswehrsoldaten anerkennen." Mischo sah zudem die Werbung der Bundeswehr in Schulen, Jugendmedien, bei Festen und Messen als kritisch an.
Noch schärfer äußerte sich Philipp Rotmann (Global Public Policy Institute). "Deutschland hat einen Haufen Pulver in den letzten Jahren verschossen." Er kritisierte, dass Deutschland sich zu sehr auf "kleine selbststehende Aktivitäten" konzentriert habe und sich vielleicht zu sehr auf dem Vertrauensbonus der anderen Länder ausgeruht habe. "Vertrauen allein reicht nicht mehr", so Rotmann in Hinblick auf den Versuch, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat einzunehmen. Es würde auch die Bereitschaft beobachtet, "Kosten und Risiken" zu übernehmen. Zurückhaltung sei lange ein Erfolgsrezept der deutschen Außenpolitik gewesen, meinte Rotmann. Jetzt würde aber eine "ernsthafte Evaluierung der Instrumente" benötigt.
Paul Mikov istRepräsentant von World Vision International bei den Vereinten Nationen. Er lobte ausdrücklich, dass sich der UN-Sicherheitsrat um das Thema "Kinder in bewaffneten Konflikten" kümmert, mahnte aber auch an, dass noch große Probleme bestehen blieben, beispielsweise die Straffreiheit vieler Akteure. Mikov forderte, dass sich Deutschland weiter engagieren müsse, auch wenn das Land nicht im UN-Sicherheitsrat vertreten sein wird. "Als Nachfolger wünschen wir uns einen deutschen Klon", so Mikov, denn "Deutschland kümmert sich wirklich um die Kinder in Krisengebieten". Der Mitarbeiter von World Vision International mahnte größere Anstrengungen bei der Prävention an, um militärisches Eingreifen zu verhindern. "Libyen war eine sehr bittere Erfahrung für viele Mitglieder des UN-Sicherheitsrates", so Mikov. Er deutete an, dass in manchen Fällen der Schutz von Zivilisten und Kindern zum Vorwand einer militärischen Intervention instrumentalisiert werde und warnte vor einer möglichen Vermischung unterschiedlicher Themen und Interessen. (ah)
Wiebke Hansen, Zentrum für internationale Friedenseinsätze
Frank Mischo, Kindernothilfe
Philipp Rotmann, Global Public Policy Institute
Paul Mikov, World Vision International