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Die Oppositionsfraktionen dringen nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Korruption von Kassenärzten auf Konsequenzen. In einer Aktuellen Stunde verlangten die Fraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen am Freitag, 28. Juni 2012, im Bundestag einen Straftatbestand zur Medizinerbestechung einzuführen. Wenn die Koalition jetzt nicht handele, sei dies "eine Legitimierung der Korruption im Gesundheitswesen", sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dr. Edgar Franke. Der BGH in Karlsruhe hatte am 22. Juni entschieden, dass sich niedergelassene Kassenärzte, die für die Verordnung von Arzneimitteln Geschenke oder Vergünstigungen von Pharma-Unternehmen annehmen, nicht wegen Bestechlichkeit strafbar machen. Eine solche Strafbarkeit hätte vorausgesetzt, dass ein Kassenarzt als Amtsträger oder Beauftragter der Krankenkassen tätig ist. Beides sei nicht der Fall, entschieden die Richter.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) kündigte in der Aktuellen Stunde an, das BGH-Urteil gründlich auszuwerten und zu prüfen, "ob und welche Konsequenzen" daraus zu ziehen sind. Dazu zähle auch die Frage, "ob bestimmte Verbote strafbewehrt sein sollten". Es gebe aber bereits zahlreiche Regelungen gegen Korruption im Gesundheitswesen. Zugleich betonte er die Freiberuflichkeit von Ärzten als "hohes Gut", an dem die schwarz-gelbe Koalition festhalten wolle.
Ähnlich argumentierte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU). Die Freiberuflichkeit der Ärzte bedeute einen "Mehrwert für Patienten": Die freiberuflichen niedergelassenen Ärzte machten "nicht um 17 Uhr Schluss, die sind um 21 Uhr noch im Einsatz, die setzen sich ein, die engagieren sich". Der Opposition warf Spahn vor, die Ärzteschaft "unter Generalverdacht" der Korruption zu stellen. Der FDP-Abgeordnete Dr. Erwin Lotter ergänzte, die SPD betreibe "billigste Polemik" und versuche, "ein totes Pferd zu reiten". Sein Fraktionskollege Heinz Lanfermann betonte: "Wenn der SPD keine neue Steuer einfällt, dann ist es halt ein neuer Straftatbestand."
Edgar Franke sagte, die Patienten müssten "sicher sein, dass bei der Entscheidung eines Arztes allein medizinische Gründe für eine Therapie ausschlaggebend sind" und "nicht monetäre Verlockungen". Deutschland habe hervorragende Ärzte. Gerade deshalb brauche es eine wirksame Abschreckung, denn "ein Arzt, der betrügt, schädigt immer auch seine richtig abrechnenden Kollegen", betonte Franke.
Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach, sagte, nach seiner Einschätzung werde die BGH-Entscheidung dazu führen, "dass diese Art der Korruption" zunimmt, wenn ihr nicht strafrechtlich Einhalt geboten werde. Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Dr. Carola Reimann (SPD), fügte hinzu, der Einsatz von Union und FDP bei der Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen lasse sich "bestenfalls mit dem Begriff Arbeitsverweigerung beschreiben".
Der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, Harald Weinberg, bekräftigte die Forderung nach einer strafrechtlichen Regelung. Auch die Mehrheit der Ärzte wünsche sich, dass die strafrechtliche Lücke bei der Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen geschlossen werde. An die Koalition gewandt rief Weinberg: "Kommen Sie zu sich, hören Sie auf, sich schützend vor kriminelle schwarze Schafe zu stellen."
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen warnte Maria Klein-Schmeink die Koalitionsfraktionen davor, "so zu tun, als gäbe es nichts zu tun". Sie forderte, zunächst für Transparenz zu sorgen. Die schwarzen Schafe unter den niedergelassenen Ärzten müssten erfasst werden. Dann könne für eine "vernünftige rechtliche Regelung" gesorgt werden.
Der Bundestag wollte ursprünglich am Freitag, 15. Juni, über einen Antrag der SPD-Fraktion (17/3685) zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen entscheiden. Wegen des Sitzungsabbruchs musste die Abstimmung jedoch verschoben werden. Die SPD-Fraktion geht in ihrem Antrag davon aus, dass der gesetzlichen Krankenversicherung pro Jahr wegen Korruption im Gesundheitswesen jedes Jahr Milliarden Euro verloren gehen.
In dem Antrag fordern die Sozialdemokraten, dass Korruptionshandlungen niedergelassener Vertragsärzte künftig als Straftatbestand behandelt werden. Die Abgeordneten verlangen, dass es einen strafrechtlichen Schutz für die Patienten geben müsse, "der sicherstellt, dass nicht wirtschaftliche, sondern ausschließlich medizinische Beweggründe für die Art der Behandlung maßgeblich sind". (mpi)