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Für ein Engagement der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in den arabischen Reformländern zur Förderung einer "soliden demokratischen Kultur" plädiert Doris Barnett. Angesichts des geplanten Truppenabzugs vom Hindukusch appelliert die Abgeordnete im Interview an Afghanistan, sich selbst nachdrücklicher für den Aufbau einer friedlichen Gesellschaft einzusetzen. Im Blick auf die Übernahme des OSZE-Vorsitzes durch Kiew 2013 sieht die SPD-Politikerin die Ukraine in besonderem Maße in der Pflicht, demokratische und rechtsstaatliche Standards zu beachten. Der arabische Frühling, Afghanistan und die Lage in der Ukraine gehören zu den Themen, die von der Parlamentarischen Versammlung der OSZE in Monaco vom 5. bis 9. Juli 2012 diskutiert werden. Barnett leitet die Bundestagsdelegation bei dieser Tagung. Das Interview im Wortlaut:
Die OSZE-Abgeordneten haben den "arabischen Frühling" mit Beifall und Unterstützung begrüßt. Inzwischen aber triumphieren bei Wahlen in den betreffenden Ländern nicht liberale, sonder sehr konservative Kräfte, Ägypten ist ein aktuelles Beispiel. Hätten Sie mit einer solchen Wendung gerechnet?
Im Rahmen der Mittelmeer-Partnerschaft der Parlamentarischen Versammlung der OSZE engagieren wir uns für die Förderung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Stabilität in dieser Region. Dieses Engagement kann helfen, eine solide demokratische Kultur entstehen zu lassen. Allerdings verläuft diese Entwicklung nicht in allen Ländern gleich, in Marokko und Tunesien sieht das anders aus als in Ägypten und Libyen. Auch Mittel- und Osteuropa hat seit 1989 nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gewaltige Umbrüche erlebt. Dieser Transformationsprozess erwies sich als sehr langwierig, war mit Rückschlägen und der Enttäuschung von Erwartungen verbunden. Im arabischen Raum brauchen Länder wie Ägypten ebenfalls Zeit, und die sollten wir ihnen geben.
Was kann, was will das OSZE-Parlament tun? Soll man die verbliebene liberale Opposition unterstützen und Kontakte zu den neuen Regenten einstellen?
Die Parlamentarier der OSZE halten ihre Türen offen und bieten konkrete Hilfen an, beispielsweise beim Aufbau demokratischer, rechtsstaatlicher und administrativer Strukturen. Die Unterstützung des Westens für die gestürzten autoritären Regime hat sich als Fehler entpuppt, der so entstandene moralische Vertrauensverlust wiegt immer noch schwer. Neues Vertrauen kann nur über eine Partnerschaft auf Augenhöhe erworben werden. Die Kontakte müssen deshalb von echtem gegenseitigem Respekt geprägt sein.
Laut einem Resolutionsentwurf für Monaco befürchten die OSZE-Abgeordneten für die Zeit nach dem Isaf-Truppenabzug aus Afghanistan offenbar ein Übergreifen der Spannungen auf zentralasiatische Staaten. Ist der Rückzug vom Hindukusch bis 2014 angesichts der instabilen Lage überhaupt sinnvoll? Wird sich die afghanische Armee dem Kampf gegen die Taliban ohne fremde Hilfe stellen können?
Es ist ungewiss, in welchem Maße auf die afghanischen Sicherheitskräfte von 2015 an Verlass sein wird. Die Nato-Staaten und ihre Partner wollen Kabul auch nach dem für 2014 geplanten Abzug der internationalen Truppen unter die Arme greifen. Einige OSZE-Länder beteiligen sich wegen ihrer Nato-Mitgliedschaft aktiv an diesem Vorhaben. Die OSZE hat bekräftigt, sich auch nach 2014 weiter für das Land engagieren zu wollen. Hierbei gilt es, das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Afghanistans zu beachten.
Wie stellt sich das OSZE-Parlament eine Minimierung der mit dem Truppenabzug vom Hindukusch verbundenen Risiken vor? Soll man die Nachbarnationen Afghanistans stärker in die Suche nach einer Konfliktlösung einbinden?
Derzeit wird vor allem über die Stärkung der afghanischen Armee und Polizei für die Zeit nach 2014 diskutiert. Doch das Land muss sich auch selbst nachdrücklicher für den Aufbau einer friedlichen Gesellschaft engagieren. Dazu gehört die Bildung einer neutralen Übergangsregierung, die alle gesellschaftlichen Gruppen integriert und die Korruption entschiedener bekämpft. Das Land braucht zudem eine Perspektive ohne Drogenökonomie. Natürlich muss sich der Blick auch auf die Nachbarstaaten Afghanistans richten. Nur wenn alle in der Region zusammenarbeiten, eröffnet sich die Chance für eine langfristige Stabilisierung.
Nächstes Jahr soll die Ukraine die OSZE-Präsidentschaft übernehmen. Ein Resolutionsentwurf für Monaco proklamiert nun, ein Land an der Spitze der Organisation müsse in besonderem Maße Bürgerrechte, Grundfreiheiten und Rechtsstaatlichkeit wahren, was in der Ukraine nicht der Fall sei.
Kein Parlament, auch nicht die Parlamentarische Versammlung der OSZE, hat Einfluss auf die Vergabe des OSZE-Vorsitzes, das ist allein Sache der Regierungen. Aus meiner Sicht müssen alle OSZE-Länder Vorbilder sein, wenn es um die Achtung politischer Grundfreiheiten, der Menschen- und Bürgerrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Medienfreiheit geht. Auch die Ukraine ist gegenüber der OSZE entsprechende Verpflichtungen eingegangen. Ich denke, Kiew weiß um die besondere Verantwortung, die der OSZE-Vorsitz mit sich bringt, in dieser Funktion steht man noch mehr im Rampenlicht und setzt sich noch stärker kritischen Blicken aus. Die Nichtbeachtung demokratischer und rechtsstaatlicher OSZE-Standards sowie das juristische Vorgehen gegen Ex-Premierministerin Julia Timoschenko und andere Mitglieder ihrer Regierung werfen jedenfalls kein gutes Licht auf das Land in seiner gegenwärtigen Verfassung.
(kos)