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Deutschland gilt als reich – die Republik Moldau als das Armenhaus Europas. "Ja — es gibt erhebliche Unterschiede mit Blick auf den Wohlstand", bestätigt Olesea Balan, die in der Nähe der moldauischen Hauptstadt Chişinău aufgewachsen ist. Für die 27-Jährige steht dennoch fest, dass ihre Zukunft in der Heimat liegt. "Letztendlich sind die zwischenmenschlichen Beziehungen und meine Familie für mich das Wichtigste", betont sie und fügt hinzu: "Außerdem kann ich dort einen Beitrag zur Entwicklung meines Heimatlandes leisten." Genau deshalb absolviert sie auch ein Praktikum im Rahmen des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) des Deutschen Bundestages. "Ich wollte Erfahrungen mit den politischen Verwaltungsstrukturen Deutschlands sammeln und die Demokratie hautnah erleben", sagt Olesea Balan. Noch bis Ende Juli hat sie dazu als IPS-Stipendiatin im Büro des CDU-Abgeordneten und Parlamentarischen Staatssekretärs im Bildungsministerium, Dr. Helge Braun, Gelegenheit.
Für Olesea Balan, die ihre berufliche Zukunft im Bereich der beruflichen Bildung sieht, ist Braun eine gute Wahl. "Es ist mir eine Ehre, mit dem Staatssekretär zusammenzuarbeiten", sagt sie. Zu vielen Terminen begleitet sie den CDU-Politiker. Zuletzt etwa zu einem Besuch bei der Arbeitsgruppe Bildung der SPD-Fraktion. Ein beeindruckendes Erlebnis für die 27-Jährige. "Ich konnte beobachten, wie zwischen Regierung und Opposition ein wirklich offener, konstruktiver Dialog geführt wird", sagt sie. Nun versteht sie auch besser, dass die Rolle der Opposition wichtig ist, auch wenn es keine Mehrheiten für ihre Vorschläge gibt. Mit Blick auf ihr Heimatland stellt sie bedauernd fest: "Bei uns gibt es leider keinen vernünftigen Dialog zwischen Regierung und Opposition."
Was die berufliche Bildung angeht, so sei das "duale System" in Deutschland vorbildlich, sagt sie. Bildungsreformen in ihrem Heimatland anzustoßen und zu unterstützen ist ein großes Ziel von Olesea Balan. Mut machen ihr dabei die Erfahrungen im Osten Deutschlands. "Nach der Wende wurde das System ja auch in den fünf neuen Ländern auf die Beine gestellt", sagt sie. Die dabei gemachten Erfahrungen könnte man vielleicht auch auf die moldauischen Verhältnisse übertragen, hofft sie.
Bei der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Moldau in diesem Bereich habe sie allerdings die Erfahrung gemacht, "dass viele Diskussionen zwischen den Entscheidungsträgern auf beiden Seiten nicht so erfolgreich waren". Vielleicht, so mutmaßt Olesea Balan, habe es dabei an interkultureller Kompetenz gefehlt. Auch aus diesem Grunde wollte sie das deutsche politische System kennenlernen und sich mit Entscheidungsprozessen im Parlament auseinandersetzen. Dazu sei das IPS eine einzigartige Gelegenheit. Einziger Kritikpunkt an dem Programm: "Ich hätte mir gewünscht, einen besseren Bezug zu den deutschen Politikern zu bekommen, die auch für die deutsch-moldauischen Beziehungen zuständig sind und einen Beitrag zum Aufbau der Brücke zwischen unseren Staaten leisten", sagt sie.
Dies ändert jedoch nichts daran, dass das IPS Vorbildcharakter hat, macht Olesea Balan deutlich. In ihrer Heimat sei ein solches Praktikum unmöglich, bedauert sie. Dazu fehle es schlicht an Transparenz. "Das Parlament in Moldau habe ich noch nie von innen gesehen", sagt sie. Es gebe keine Kultur für eine Kontaktpflege zwischen Politikern und Bürgern, wie es in Deutschland der Fall ist. "Das Interesse der Politiker an den Wählern besteht größtenteils nur während der Wahlkampagne", urteilt die Moldauerin.
Von Deutschland, das wird im Gespräch schnell deutlich, ist die 27-Jährige schon lange begeistert. Bereits nach ihrem ersten Besuch im Jahre 2004 war Olesea Balan klar: "Ich möchte mit diesen Menschen und dieser Kultur zusammenarbeiten." Dabei hat sie die deutsche Sprache erst recht spät gelernt. Mit 18 begann sie ihr Fremdsprachenstudium für Deutsch und Englisch. 2008 hat sie an der Freien Internationalen Universität Moldau den Masterabschluss in Deutscher Philologie gemacht. "Später habe ich dann mit deutschen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit kooperiert und so auch regelmäßig Deutsch gesprochen."
Was ihr an Deutschland und den Deutschen so gefällt, wirkt auf den ersten Blick erstaunlich, sind es doch Sachen, die aus der Innenansicht eher kritisch gesehen werden. So lobt Olesea Balan die Freundlichkeit und den Optimismus der Deutschen. "Als ich das erste Mal ins Land kam, fiel mir auf, dass die Leute auf der Straße lächeln und optimistisch wirken", sagt sie. Ein Eindruck, den sicher nicht alle Deutschen teilen. Doch die 27-Jährige hat eben andere Vergleichswerte. "Angesichts der großen Armut bei uns wirken die Menschen oft gedrückt, traurig und sorgenvoll", sagt die Moldauerin.
Ein dickes Lob von Olesea Balan gibt es auch für das System der öffentlichen Verkehrsmittel. Dass es insbesondere an der Berliner S-Bahn immer wieder massive Kritik gibt, kann sie nicht verstehen. "Da müssten Sie mal die Situation in meiner Heimat sehen", sagt sie. Aber auch wenn die Republik Moldau ein armes Land ist — die Gastfreundschaft wird groß geschrieben, betont die 27-Jährige. "Wenn Sie sehen, wie reichhaltig der Tisch für Gäste gedeckt wird, kommen sie gar nicht auf den Gedanken an Armut." Und ein weiterer Punkt muss beim Thema Lebensqualität unbedingt erwähnt werden: "In Deutschland fehlt mir unser Obst und Gemüse", sagt Olesea Balan.
Auch wenn die hiesigen Produkte mit den europäischen Normen übereinstimmten, habe sie festgestellt: Ob man nun eine Gurke oder eine Tomate isst — irgendwie hat beides kein Aroma. "Anfangs habe ich noch nicht einmal den Unterschied bemerkt", setzt sie hinzu. Auch deshalb freut sie sich, im August wieder in die Heimat zu fahren. "Da ist bei uns die Obst- und Gemüsezeit", sagt sie. Leckere Birnen, Trauben und Äpfel kann man dann direkt beim Bauern kaufen, erzählt sie und macht damit Appetit auf die zwischen Rumänien und der Ukraine liegende Republik Moldau. (hau)