Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2012
Mehrere Sachverständige haben die geplanten Änderungen bei der Zusammensetzung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kritisiert und vor zu viel Bürokratie für die Wirtschaft durch Einführung zusätzlicher Mitteilungspflichten gewarnt. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Vorsitz von Dr. Birgit Reinemund (FDP) am Montag, 10. September 2012, zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht (17/10040, 17/10252) pochte die deutsche Kreditwirtschaft, der Zusammenschluss der Bankenverbände, auf ihr Recht, Vertreter in das Gremium entsenden zu können.
Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, die zehn Mandate für die Finanzbranche im Verwaltungsrat auf sechs zu reduzieren und das ausschließliche Bestellungsrecht dem Finanzministerium zu übertragen. Damit würden "den bisherigen Repräsentanten der beaufsichtigten Wirtschaftszweige ihre Mandate im Verwaltungsrat der BaFin de facto künftig entzogen", protestierte die Kreditwirtschaft in ihrer Stellungnahme.
Der Verband der Auslandsbanken beklagte, durch die Benachteiligung bei der Zusammensetzung des Verwaltungsrates könnten die beaufsichtigten Unternehmen ihr legitimes Recht zur Kostenkontrolle nicht mehr ausüben. Die Beiträge der Unternehmen an die BaFin seien jedoch inzwischen erheblich. Auch der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft erklärte, da die beaufsichtigten Branchen die BaFin zu 100 Prozent finanzieren würden, sei das vorgesehene Vorschlags- und Anhörungsrecht bei der Besetzung des Gremiums nicht ausreichend.
Das Deutsche Aktieninstitut verlangte auch die Berücksichtigung von Vertretern von Industrieemittenten im Verwaltungsrat, da diese auch zur Umlagefinanzierung der BaFin beitrügen. Eine andere Ansicht äußerte der Verband unabhängiger Vermögensberater in seiner Stellungnahme. Angesichts unpräziser Vorgaben im Gesetzentwurf wäre es weiter möglich, dass alle sechs Positionen wiederum mit Interessenvertretern nur der Kredit- oder Versicherungswirtschaft besetzt würden. Die Gegenposition vertrat Prof. Dr. Rudolf Hickel (Universität Bremen): Man könne die Kontrolle der BaFin nicht einem Verwaltungsrat überlassen, der von den Kontrollierten kontrolliert werde.
Die Kreditwirtschaft verlangte außerdem, den neu zu bildenden Ausschuss für Finanzstabilität zu stärken, indem dessen Mitglieder keine Weisungen annehmen sollen. Nach den Regelungen des Gesetzentwurfs sollen dem Ausschuss für Finanzstabilität Vertreter der Deutschen Bundesbank, des Bundesfinanzministeriums, der BaFin sowie ein Vertreter der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (ohne Stimmrecht) angehören.
Mit dem Entwurf wird der Deutschen Bundesbank die Aufgabe zugewiesen, auch zur Wahrung der Finanzstabilität beizutragen, indem sie "laufend die für die Finanzstabilität maßgeblichen Sachverhalte analysiert, um Gefahren für die Finanzstabilität zu identifizieren und gegebenenfalls Vorschläge zu Warnungen vor diesen Gefahren beziehungsweise zu Empfehlungen von Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahr zu erarbeiten".
Auf dieser Grundlage solle dann der Ausschuss für Finanzstabilität gegebenenfalls Empfehlungen an zuständige nationale Stellen zur Beseitigung von Gefahren für die Finanzstabilität aussprechen. "Durch den Ausschuss für Finanzstabilität wird in Fragen der Finanzstabilität ein strukturierter und transparenter Dialog zwischen den für die Beaufsichtigung und Regulierung des deutschen Finanzplatzes maßgeblichen Institutionen geschaffen", heißt es in der Begründung.
Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) warnte ebenso wie die Versicherungswirtschaft vor der Schaffung weiterer genereller Auskunftspflichten. Es müsse sichergestellt sein, dass bereits gemeldete und bei den Behörden vorliegende oder von ihnen abzurufende Daten nicht ein weiteres Mal angefordert werden könnten.
Zum Gesetzentwurf insgesamt hieß es von der Deutschen Bundesbank, dies sei ein "Beitrag zur weiteren Stärkung der Finanzaufsicht". Mit Blick auf die auf EU-Ebene geplante Schaffung einer europäischen Aufsicht äußerten Bundesbank und BaFin übereinstimmend die Auffassung, es werde noch Jahre dauern, bis man einen einheitlichen Aufsichtsansatz haben werde. Auch Prof. Dr. Stephan Paul (Ruhr-Universität Bochum) sagte, es werde bis zum 1. Januar 2013 nicht möglich sein, eine einheitliche Aufsicht über 6.600 Kreditinstitute in Europa zu schaffen.
Mit einem sehr weitgehenden Vorstoß meldete sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in seiner Stellungnahme. Die Bundesbank solle ihr Wirken nicht allein mehr nur vorrangig auf die Preisstabilität ausrichten, sondern auch auf einen hohen Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und angemessenes Wirtschaftswachstum. (hle/10.09.2012)