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Der Bundestag hat den Weg für Finanzhilfen des vorläufigen Euro-Rettungsschirms EFSF an Spanien freigemacht. Mit 473 von insgesamt 583 Stimmen votierten die Abgeordneten in namentlicher Abstimmung in einer Sondersitzung am Donnerstag, 19. Juli 2012, für einen Antrag (17/10320, 17/10321), des Bundesfinanzministeriums um die Zustimmung des Bundestages zur Gewährung einer Notmaßnahme der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro. 97 Abgeordnete stimmten dagegen, 13 enthielten sich.
Die Laufzeit der Notmaßnahme soll laut Antrag 18 Monate betragen. Mit ihm stimmte der Bundestag außerdem der Übertragung der Rechte und Pflichten der EFSF auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu, nachdem dieser in Kraft getreten sei. Dabei soll der ESM auf den eigentlich vorgesehenen bevorrechtigten Gläubigerstatus verzichten. Das sei "eine einzelfallbezogene Ausnahme und dient dem Erhalt des Marktzugangs Spaniens", heißt es in der Begründung des Antrags.
Vor Aussprache und Abstimmung am Donnerstagnachmittag hatte Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) in einer Regierungserklärung von einer "Ausnahmesituation" in Spanien gesprochen, mit der Gefahr von "gravierenden Ansteckungsproblemen" in Europa. Eine umfangreiche und schnelle Hilfe für den spanischen Finanzsektor sei ein "Beitrag zur Stabilisierung der Euro-Zone insgesamt". An sich sei Spanien mit seinen Renten- und Arbeitsmarktreformen und einem ambitionierten Sparprogramm "auf einem guten Wege", konstatierte der Minister. Allerdings seien dies Anstrengungen bedroht durch "Unsicherheiten im Bankensektor". Mit den Hilfen aus der EFSF bekäme das Land die Zeit, die es für seine Reformen benötige.
Schäuble stellte zudem klar, dass die Gelder spanischen Banken nicht direkt gezahlt würden. Spanien habe den Antrag gestellt und es hafte auch für die Kredithilfen. Zudem würden die Hilfen nur unter strengen Auflagen gegeben, die unter anderem vorsehen, dass sich die in Frage kommenden Geldhäuser einer externen Prüfung unterziehen müssen und dass nicht lebensfähige Geldinstitute abgewickelt werden können.
Schäuble wiedersprach damit auch Spekulationen zu direkten Hilfen für Banken ohne Haftung von Staaten: Gemeinsame Regeln für eine "Rekapitalisierung von Banken" seien — wenn überhaupt — erst auf längere Sicht mit einer gemeinsamen starken Bankenaufsicht in Europa möglich. Wer heute von einer "kollektiven Haftung für Banken schwadroniert", der werde dem Ernst und den zugrundeliegenden fachlichen Fragen nicht gerecht, sagte Schäuble.
SPD-Fraktionschef Dr. Frank-Walter Steinmeier warf der Bundesregierung erneut vor, ihre Schritte in der Euro-Rettung zu wenig erklären. "Mit bloßem Schulterzucken" habe die Koalition bisher noch jede der von ihr zuvor aufgestellten "roten Linien" überschritten, kritisierte Steinmeier. "Wer sich nicht erklärt, der wird auch nicht verstanden." Vor allem aber gehe der Rückhalt in den eigenen schwarz-gelben Reihen verloren. Wichtige Entscheidungen bei der Euro-Stabilisierung habe die Koalition nur mit Hilfe von SPD und Grünen durch den Bundestag bringen können, die sich nicht parteitaktisch verhielten, sondern europapolitische Verantwortung zeigen würden. Es habe früher andere Kanzler und Regierungen gegeben, die bei fehlender Kanzlermehrheit "andere Konsequenzen gezogen" hätten, als zu schweigen und "sich in die Sommerpause zu retten".
Steinmeier warnte davor, die Sanierung von maroden Kreditinstituten durch den Rettungsschirm zur Dauerlösung zu machen. Es dürfe keine Rettung um jeden Preis geben: "Wer sich verspekuliert hat, der darf kein Steuergeld verscherbeln, der muss schlicht und einfach vom Markt", sagte der SPD-Fraktionschef. Nötig sei ein eigener Rettungsschirm für Geldinstitute, der über eine Bankenabgabe, nicht aber über Steuergelder finanziert werde soll.
Der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Rainer Brüderle, entgegnete, dass im Falle Spanien von einer direkten Bankenhilfe überhaupt keine Rede sein könne: "Die Möglichkeiten von Direkthilfen ist klar an die Umsetzung, nicht an die Ankündigung einer Bankenaufsicht geknüpft", sagte Brüderle. Spanien hafte für die in Aussicht gestellten Gelder aus der EFSF. Zudem enthielten die Hilfen ein "knackiges Verpflichtungspaket".
Das Land habe "industrielle Kerne" und "attraktive Dienstleistungszentren" — allerdings könne sich die Realwirtschaft nicht von der Finanzwirtschaft abkoppeln, sagte Brüderle. Jetzt gehe es darum, den "Teufelskreis von Schuldenkrise und Bankenkrise" zu durchbrechen — und dabei würden nur Kredite helfen und nicht warme Worte.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Sarah Wagenknecht, warf der Koalition vor, das Geld der Steuerzahler wieder einmal "im schwarzen Loch des Finanzmarkts zu versenken". Es sei ein "verdammt schlechtes Geschäft", wenn Banken vom Staat Kredite bekommen, die selbst nicht mehr in der Lage seien, eigene Anleihen auf dem Markt loszuwerden.
Der Bundesregierung warf Wagenknecht eine Politik vor, die "gigantische Wettbuden am Markt" belasse und wenn es für diese eng würde, den Steuerzahler in die Pflicht nehme. "Bankensozialismus für die Vorstände und Kapitalismus für den Rest der Bevölkerung" — das sei ein "absurdes" ordnungspolitische Modell, sagte Wagenknecht.
Unionsfraktionschef Volker Kauder betonte, dass es bei den Spanien-Hilfen keine direkte Bankenfinanzierung gebe. Es werde über einen Antrag Spaniens abgestimmt und Spanien hafte dafür, und es gebe für die Hilfen "ganz klare Konditionen". Von Anfang an habe die Koalition in bei ihrer Euro-Stabilisierungspolitik darauf geachtet, dass "Leistung und Gegenleistung, Solidität und Solidarität zusammenkommen" — so auch im Falle der Hilfen für Spanien.
Damit die "Staatsschuldenkrise" in Europa überwunden werden könne, "müssen sich alle an die Spielregeln halten, die wir miteinander vereinbart haben" sagte Kauder zudem mit Blick auf SPD und Grüne, in deren Regierungszeit die Stabilitätskriterien von Maastricht gebrochen worden waren.
Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, warf Kauder vor, die Tatsachen zu verdrehen, wenn er in einer Debatte zur Krise in Spanien von einer "Staatsschuldenkrise" rede: Die Schuldenquote des Landes liege auch heute noch deutlich unter der deutschen — Spanien habe vielmehr ein Problem mit seinen Banken nach dem Platzen einer Immobilienblase.
Es sei richtig, dem spanischen Staat bei der Lösung des Problems zu helfen, sagte Trittin, fügte aber hinzu: "Warum sind wir schon wieder dabei, mit Staatsgeldern eine Bankenkrise zu lösen?" Um dies künftig zu verhindern, sei eine Schuldenbremse nicht nur für Staaten, sondern auch für Geldinstitute nötig und eine Einlagensicherung, die von den Banken selbst finanziert werde, sagte Trittin. (ahe/hle)