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Vor zehn Jahren wurde der Interfraktionelle Gesprächskreis Hospiz und Palliativmedizin gegründet, der sich für die Belange todkranker Menschen einsetzt. Ein Gespräch mit seiner Vorsitzenden Marlene Rupprecht (SPD) über den gesetzlichen Anspruch auf palliativmedizinische Versorgung, Probleme bei der konkreten Umsetzung und den Fall einer Familie, deren unheilbar krankes Kind nicht zu Hause sterben durfte. Das Interview im Wortlaut:
Frau Rupprecht, mit dem Tod und einem möglicherweise qualvollen Sterben setzt sich niemand gern auseinander …
Ja, das stimmt. Dabei kann jeder unversehens in die Lage kommen, dass er oder ein ihm nahe stehender Mensch Unterstützung braucht, um sein Leben in Würde und möglichst schmerzfrei beschließen zu können. Mit dem Gesprächskreis Hospiz und Palliativmedizin setzen wir uns für die Belange der Menschen ein, die sich in dieser Situation befinden.
Der Gesprächskreis wurde 2002 von der damaligen Justizministerin und Bundestagsabgeordneten Herta Däubler-Gmelin (SPD) gegründet, Sie selbst waren von Anfang an dabei. Was war Ihre Motivation, sich hier zu engagieren?
Ich bin seit vielen Jahren Mitglied der Kinderkommission des Bundestages und weiß dadurch um die schwierige Situation von Familien, die ein todkrankes Kind haben. Einmal habe ich eine Familie mit drei Kindern kennengelernt, von denen eines schwer krank war. Es würde sicher sterben, aber es musste im Krankenhaus bleiben, weil die Krankenkasse die Kosten für die ambulante Versorgung nicht übernommen hat. Da war mir klar, dass sich etwas ändern muss. Also habe ich mich im Gesprächskreis von Anfang an vor allem um die Bereiche Kinderhospize und Palliativmedizin für Kinder gekümmert.
Nach dem Ausscheiden von Frau Däubler-Gmelin aus dem Bundestag 2009 haben Sie dann den Vorsitz des Gesprächskreises übernommen.
Ja, zusammen mit meinem Kollegen Markus Grübel von der CDU/CSU-Fraktion. Mir war von Anfang an klar, dass dieser Gesprächskreis, dem Parlamentarier aller Fraktionen angehören, seinen Anliegen im Bundestag nur Gehör verschaffen kann, wenn ein Kollege aus den Regierungsfraktionen mit den Vorsitz innehat. Und das funktioniert sehr gut.
Wie genau läuft die Arbeit des Gesprächskreises ab?
Seine Mitglieder treffen sich einige Male jährlich, um aktuelle Themen zu erörtern. Zuvor besprechen Herr Grübel und ich mit Palliativmedizinern und den Vertretern von Verbänden wie etwa dem Deutschen Hospiz- und Palliativverband, was ihrer Meinung nach auf die Tagesordnung soll. Denn sie wissen am besten, wo im konkreten Alltag bei der Versorgung sterbenskranker Menschen Verbesserungsbedarf besteht. Aber natürlich binden wir auch die Regierung in die Arbeit des Gesprächskreises ein.
Inwiefern?
Nun, wir achten darauf, dass bei allen Sitzungen nach Möglichkeit die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz, und jemand von der Arbeitsebene des Ministeriums dabei sind. Außerdem sitzt immer ein Vertreter des GKV-Spitzenverbandes mit am Tisch.
Warum das?
Weil es manchmal bei der Umsetzung der Gesetze, die der Verbesserung der palliativmedizinischen Versorgung dienen sollen, hakt, und dann ist es gut, wenn wir das direkt mit einem Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen besprechen können.
In diesem Jahr blickt der Gesprächskreis auf sein zehnjähriges Bestehen zurück. Sind Sie zufrieden mit dem, was er bisher erreicht hat?
Ja, sehr. In den letzten Jahren konnte das Angebot an Palliativversorgung erheblich verbessert werden, das ist ein großer Erfolg. Und dass es seit kurzem endlich einen Lehrstuhl für Kinder-Palliativmedizin und ein Kinderschmerzzentrum gibt, ist auch der Tatsache zu verdanken, dass wir diese Themen in die politische Diskussion getragen haben. Dennoch bleibt genug zu tun.
Inwiefern?
Nun, zum einen betrachten wir es als unsere Aufgabe, zu überprüfen, ob das, was wir im Parlament beschlossen haben, auch wirkungsvoll ist oder ob wir in dem einen oder anderen Bereich nachjustieren müssen. Zum anderen wird leider nach wie vor nicht alles, was in den Gesetzen steht, von den Krankenkassen umgesetzt. Wenn sich das Parlament aber selbst ernst nimmt, dann kann es das nicht durchgehen lassen.
(nal)