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Bundeskanzler Konrad Adenauer (3.v.r.; 4.v.r.: Walter Hallstein, Staatssekretär im Auswärtigen Amt) und Moshe Sharett, Außenminister Israels (3.v.l.) unterzeichnen das deutsch-israelische Wiedergutmachungsabkommen © Bundespresseamt
Eine bloße Unterschrift kann keine Wunden heilen, und dennoch hatte Konrad Adenauers (CDU) Schriftzug am 10. September 1952 eine enorme Bedeutung. An jenem Tag unterschrieb der damalige Bundeskanzler die Wiedergutmachungsverträge mit Israel. Das Luxemburger Abkommen sollte die unbeschreiblichen Schmerzen der Juden lindern, die ihnen die Schreckensherrschaft des NS-Regimes zugefügt hatte. Doch die Verträge von 1952 beinhalten nicht nur wichtige finanzielle Unterstützung für die geflohenen, mittellosen Juden, sie waren auch ein Eingeständnis der Schuld und ein erster Schritt der Aussöhnung.
Knapp ein halbes Jahr später, am 18. März 1953, ratifizierte der Deutsche Bundestag nach einer intensiven Debatte die Verträge vom 10. September. Kanzler Adenauer unterstrich bei seiner Rede in erster Lesung die Wichtigkeit des Abkommens, sprach von einem "Akt der Wiedergutmachung". Das deutsche Volk habe die ernste Pflicht zu helfen. "Denn unter Missbrauch des Namens des deutschen Volkes sind die Untaten begangen worden", sagte Adenauer. Sechs Millionen Juden wurden unter dem NS-Regime verfolgt, vergast, ermordet.
Das Luxemburger Abkommen umfasste Leistungen zur Eingliederung jüdischer Flüchtlinge in Israel von insgesamt drei Milliarden DM. Hinzu kamen Zahlungen an jüdische Flüchtlinge außerhalb Israels und an nichtgläubige Juden.
Vor allem die arabische Welt blickte jedoch kritisch auf das Abkommen Deutschlands. Es wurde als Affront gegen die freundschaftlichen Bemühungen gedeutet. Adenauer wies in seiner Erklärung die arabischen Einwände, Deutschland beziehe mit dem Luxemburger Abkommen im Krieg Israels gegen Palästina Stellung und verletze so die Neutralität, zurück. "Außerdem ist Vorsorge dafür getroffen, dass das Abkommen nicht zur Lieferung von Waffen, Munition oder sonstigem Kriegsgerät an Israel benutzt werden kann", so Adenauer im Bundestag. Denn die deutschen Hilfsleistungen basierten auf Warenlieferungen.
Die FDP fürchtete dennoch die negative Wirkung des Abkommens auf die arabischen Staaten. "Meine Fraktion teilt nicht die Sorglosigkeit der Bundesregierung in dieser Beziehung", stellte Dr. Walther Hasemann klar und fügte hinzu: "Wir möchten nicht, dass das große Maß an Vertrauen und Freundschaft, das Deutschland seit langer Zeit in der mohammedanischen Welt genießt, unüberlegt verspielt wird." Die FDP machte deshalb die Entscheidung, dem Abkommen zuzustimmen, zur Gewissensfrage.
Moral und Gewissen spielten in der 254. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. März 1953 eine entscheidende Rolle. Die SPD forderte mehr zu tun, als die "Einlösung einer nur durch die Normen des geschriebenen Rechtes begründeten Schuld", um "wenigstens etwas von dem entsetzlichen Unheil wiedergutzumachen". Deshalb müsse bis an die äußerste Grenze des deutschen Leistungsvermögens gegangen werden.
Die KPD befürchtete jedoch, dass diese Leistung bei den geflohenen Juden nicht ankomme. "Unter dem Namen der Wiedergutmachung erhalten also die Industriellen Israels aus Westdeutschland alles, was sie zum Ausbau ihrer Grundindustrien benötigen. Die Tatsachen beweisen, dass dieses Abkommen mit einer Wiedergutmachung auch nicht das Geringste zu tun hat", sagte der Abgeordnete Oskar Müller (KPD) und ergänzte: "Wir lehnen es ab." Die Kommunistische Partei Deutschlands stimmte bei der namentlichen Abstimmung geschlossen dagegen.
Das Luxemburger Abkommen stieß dennoch am Ende auf eine breite Mehrheit. Doch dieser war eine intensive Debatte vorausgegangen — über einen Vertrag, der Deutschland wieder in einem anderen Licht darstellen sollte. "Wir haben die berechtigte Hoffnung, dass der Abschluss der Verträge zu einem neuen Verhältnis zwischen dem deutschen und dem jüdischen Volke wie auch zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Staate Israel führen wird", sagte Adenauer.
Dabei werde man Geduld zeigen und auf die heilende Kraft der Zeit bauen müssen, so der Bundeskanzler. Denn auch wenn die Tinte unter dem Vertrag vom 10. September 1952 getrocknet sei, blieben die Gräueltaten des Nationalsozialismus für jeden Deutschen die "traurigsten Kapitel unserer Geschichte." (ldi/06.09.2012)