Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2012
Mit einem Schlagabtausch über die Entwicklungszusammenarbeit der Bundesregierung hat der Bundestag am Mittwoch, 12. September 2012, seine viertägigen Haushaltsberatungen fortgesetzt. In der ersten Lesung des Etats 2013 des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) äußerten Vertreter der Oppositionsfraktionen scharfe Kritik am Haushaltsentwurf der Bundesregierung (17/10200, Einzelplan 23). Dagegen verteidigte Ressortchef Dirk Niebel (FDP) die Vorlage ebenso wie Redner der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion. Niebel sagte, mit ihm habe die deutsche Entwicklungszusammenarbeit den "Aufstieg in die höchste internationale Spielklasse geschafft". In dieser Klasse kämpfe er weiter "für mehr Demokratie, mehr Bildung, mehr Engagement in der Wirtschaft, mehr Sichtbarkeit und mehr Wirksamkeit".
Diese Prioritätensetzung des Koalitionsvertrages werde mit dem Haushalt 2013 beibehalten. Dabei seien 67 Prozent der für seinen Etat veranschlagten Mittel investiver Natur. "Der BMZ-Haushalt ist der zweitgrößte Investitionshaushalt des Bundeshaushaltes", unterstrich der Minister.
Mit Blick auf das Vorhaben, die Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben, verwies er darauf, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Erreichen dieses Ziels wiederholt "zu ihrer eigenen Sache gemacht" habe.
Die SPD-Abgeordnete Dr. Bärbel Kofler bemängelte demgegenüber, der Entwurf von Niebels Haushalt für das kommende Jahr sei noch "meilenweit" von dem 0,7-Prozent-Ziel entfernt. Für dieses Ziel habe neben Niebels Ressort "die Bundesregierung als Ganzes und insbesondere auch die Bundeskanzlerin" die Verantwortung, fügte Kofler hinzu.
Sie würde interessieren, wie der Minister es angesichts des Etatentwurfs 2013 schaffen wolle, mit den "beiden noch ausstehenden Haushalten das 0,7-Prozent-Ziel bis 2015 zu erreichen". Diese Frage müssten sich auch die gesamte Bundesregierung und vor allem die Regierungschefin stellen.
Für Die Linke verwies ihre Parlamentarierin Heike Hänsel darauf, dass die europäischen Staaten für die Euro-Stabilisierung "irrwitzige Milliardenbeträge" zahlten. Diese Mittel würden langfristig gebunden, was zusammen mit der Schuldenbremse dazu führen werde, "dass in den nächsten Jahren viel weniger Geld für Entwicklungs- und Sozialausgaben zur Verfügung stehen wird".
Diese Politik stabilisiere vor allem Vermögende und Banken sowie das "System der Spekulation und der Zockerei an den Finanzmärkten". Darunter litten gerade die Entwicklungsländer. Notwendig sei eine Umverteilung von Reichtum in Deutschland und weltweit. "Das wäre die beste Form von Entwicklungspolitik", sagte Hänsel.
Der Abgeordnete Thilo Hoppe (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte, in der Entwicklungspolitik werde Deutschland seiner Rolle nicht gerecht. Betrachte man, wie viel Prozent vom Bruttosozialprodukt "ein Land abgibt, um extreme Armut und Hunger zu bekämpfen", liege Deutschland in der Europäischen Union nur auf Platz zehn. Damit bewege sich die Bundesrepublik nicht "in der Gewichtsklasse, die uns zustehen würde".
Mit dem Anstieg der Steuermehreinnahmen von 2011 und 2012 "wäre es doch ein Leichtes, einen größeren Betrag zu zahlen". Die Regierung spare aber "bei den Ärmsten der Armen". Spätestens mit dem jetzt vorgelegten Etat sei klar, dass das 0,7-Prozent-Ziel bis 2015 nicht erreicht werde.
Die Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU), betonte demgegenüber, die Opposition müsse nicht nur Probleme ansprechen, sondern auch Lösungsvorschläge unterbreiten. Auch die Koalition würde für den Etat lieber noch mehr Geld haben, doch habe man "diesen Haushalt verstetigen" und einen "leichten Zuwachs bekommen" können.
Dies sei angesichts der Vorgabe der Haushaltskonsolidierung gut und wichtig. Wenn man mehr Geld wolle, müsse man auch sagen, wo es herkommen solle. "Es müsste irgendwo anders aus dem Haushalt genommen werden; das heißt, irgendwo anders wäre wieder ein Loch", fügte Wöhrl hinzu.
Die FDP-Abgeordnete Dr. Christiane Ratjen-Damerau bezeichnete den BMZ-Haushalt 2013 als "Zukunftsetat", mit dem Deutschland seiner Verantwortung für den globalen Frieden gerecht werde. Gemessen am Bruttoinlandseinkommen steige der Anteil der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit seit 2009 kontinuierlich und erreiche 2011 mit 0,4 Prozent den höchsten Stand seit deutschen Wiedervereinigung.
Damit befinde man sich auf "einem sehr guten Weg", das "international vereinbarte und mehrfach bekräftigte" Ziel von 0,7 Prozent zu erreichen. Seit diesem Jahr sei Deutschland nach den USA weltweit der zweitgrößte Geber in der Entwicklungspolitik.
Nach dem Entwurf der Bundesregierung sollen Niebels Ressortim kommenden Jahr 6,42 Milliarden Euro zur Verfügung stehen und damit 37,5 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr. Dem stehen Einnahmen von knapp 559,6 Millionen Euro gegenüber, 2012 waren es 660,3 Millionen Euro.
Die Ausgaben des Ministeriums für Investitionen sollen insgesamt um 24,44 Millionen Euro auf 4,34 Milliarden Euro leicht sinken und die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse um 37,24 Millionen Euro auf 1,95 Milliarden Euro geringfügig steigen.
Den Löwenanteil der BMZ-Ausgaben bildet nach wie vor die "Bilaterale Finanzielle Zusammenarbeit". Hinter diesem Posten verbergen sich unter anderem Darlehen und Zuschüsse an unterentwickelte Länder. 1,62 Milliarden Euro werden für diese Mittel veranschlagt, was einer Kürzung um 260 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr entsprechen würde.
Auf gleichem Niveau sollen hingegen die Mittel für die "Bilaterale Technische Zusammenarbeit" bleiben. Vorgesehen sind hier — wie bereits 2012 — 1,12 Milliarden Euro. Diese Gelder fließen vor allem in Beratung, Studien, Gutachten und Ausbildung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, im begrenzten Umfang auch in Sachgüter. (sto/12.09.2012)