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"Die Rente ist sicher" – kaum ein politischer Satz brannte sich in die Köpfe der Deutschen ein wie dieser. Dr. Norbert Blüm (CDU, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung), sprach die Worte zwar erstmals im Wahlkampf 1986, am 10. Oktober 1997 sollte er diese jedoch in einer hitzigen Debatte im Deutschen Bundestag wiederholen. Mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP wurde an diesem Tag die umstrittene Rentenreform verabschiedet. Die gestiegene Lebenserwartung und eine geringe Geburtenrate zwangen die Politik zum Handeln. Die damalige Regierung reagierte: Ein sogenannter demografischer Faktor sowie die Absenkung des Rentenniveaus von 70 auf 64 Prozent sollten die Renten der Deutschen in Zukunft langsamer ansteigen lassen.
Im Parlament sorgten diese Pläne für reichlich Zündstoff. "Diese Bundesregierung will den Leuten an die Rente", sagte Rudolf Dreßler (SPD) vor dem Parlament. Der demografische Faktor sei ein pseudowissenschaftliches Alibi und politischer Unsinn, unterstrich die SPD deutlich. "Die Folgen dieses Gesetzentwurfes sind klar: Die Operation ist gelungen, die Rentenversicherung auf der Intensivstation", so Dreßler, der versicherte, dass die SPD diese Reform wieder abschaffen werde. "Unser Widerstand liegt auch im Interesse der jungen Generation."
Die junge Generation spielte auch in der Rede von Sozialminister Norbert Blüm die entscheidende Rolle. "Die erste Maxime dieser Rentenreform heißt: die Generationssolidarität durch Generationsgerechtigkeit stärken." Die finanziellen Folgen des demografischen Wandels könnten jedoch nicht allein von den Jungen getragen werden. "Solidarität ist keine Einbahnstraße", meinte der Abgeordnete Wolfgang Vogt (CDU/CSU). Und Blüm warnte: "Spielt nicht Jung gegen Alt aus."
Im Plenum kam es zu einem munteren Austeilen übers Aufteilen. Bündnis 90/Die Grünen sprachen bei der Rentenreform von einer Kapitulationserklärung und Stümperei. Die Alterssicherung müsste an moderne Lebenskonzepte angeglichen werden. "Die bloße Absenkung des Rentenniveaus, ohne gleichzeitig die Spielregeln für die Rentenberechnung zu ändern, wird viele Menschen in die Altersarmut treiben", prophezeite Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen).
Die geplante Reform sei unsozial und systemzerstörerisch, so die PDS. "Damit entledigen Sie die gesetzliche Rente nun völlig ihrer lebensstandardsichernden Funktion und verweisen auf zusätzliche private Vorsorge. Das werten wir als Systembruch", befand Petra Bläss (PDS). Ohne Umverteilung des produzierten Reichtums sei eine armutsfeste, gerechte Rentenversicherung nicht möglich, machte die Abgeordnete klar.
Die FDP plädierte in der Plenarsitzung ganz offen für eine Eigenvorsorge in privater Form. Zwar könne mit der gesetzlichen Rente auch künftig die Alterssicherung gewährleistet werden, versprach Dr. Gisela Babel (FDP), jedoch ohne Garantie des vollen Lebensstandards.
Bei einem waren sich die Fraktionen jedoch einig: Die Rentenreform kostet Geld. Ein steuerfinanziertes Versorgungssystem lehnte die Regierungskoalition aber ab. Mehr Steuergelder zur Finanzierung der Rente würden weniger Leistungsgerechtigkeit bedeuten, bilanzierte die FDP in Richtung Opposition.
Stattdessen solle ein stabiler Beitragssatz durch einen Bundeszuschuss und die Erhöhung der Mehrwertsteuer gesichert werden. Die SPD aber wolle den Rentnern einreden, die Rentenkassen ließen sich ohne Einsparungen sanieren, bemängelte Abgeordnete Babel und sprach beim sozialdemokratischen Vorhaben der Umfinanzierung von einem Gaukelspiel.
Die Wortwahl war am 10. Oktober 1997 deutlich. Die Rentenreform sollte zur letzten große Debattenschlacht vor der Bundestagswahl 1998 werden. So setzte Blüm alles auf seinen alten Wahlspruch. "Zum Mitschreiben: Die Rente ist sicher", sagte Blüm im Plenum. SPD-Politiker Rudolf Dreßler warnte, dies zu glauben. "Wer sich auf das Wort des Bundesministers verlässt, hat auf Sand gebaut", so Dreßler. Dabei ging es im Plenum um das Fundament der Gesellschaft. Schließlich ist die Rente eine Frage der Zukunft und der Generationen. Und so stellte Sozialminister Blüm abschließend fest: "Da helfen Worte nicht allein." (ldi/05.10.2012)