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Der Bundestag debattiert am Freitag, 19. Oktober 2012, über einen Antrag der SPD-Fraktion zu den "Chancen für Menschen mit Migrationshintergrund am Arbeitsmarkt" (17/9974). Die Aussprache beginnt gegen 13.10 Uhr und ist auf eine Stunde angesetzt. In dem Antrag fordert die SPD die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen und Initiativen zu starten, um Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund zu beseitigen. Die Abgeordneten wollen, dass ausländische Berufsabschlüsse leichter anerkannt werden. Zudem müssten das arbeitspolitische Instrumentarium angepasst und die berufliche Deutschförderung gestärkt werden. Auch Beratungen und Fallmanagement von Einrichtungen und Initiativen, die sich mit dem Arbeitsmarkt und der gesellschaftlichen Teilhabe von ausländischen Mitbürgern beschäftigen, müssten auf deren Bedürfnisse ausgerichtet werden, heißt es in dem Antrag.
Diskriminierung würden sowohl Menschen erfahren, die auf der Suche nach einem Arbeitsplatz sind, als auch diejenigen, die bereits einen Arbeitsplatz gefunden haben. Bewerbungen von Menschen mit ausländisch klingenden Namen würden teilweise von Unternehmen aussortiert, schreiben die Sozialdemokraten. Sie berufen sich dabei auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und fordern die Einführung anonymer Bewerbungsverfahren als Standard.
Im AGG heißt es, dass "Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen" seien. Ein Schwerpunkt des Gesetzes liegt auf dem Schutz vor Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf. Es regelt sowohl ein arbeitsrechtliches Benachteiligungsverbot als auch Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers sowie Rechte der Beschäftigten.
Durch die Einführung anonymer Bewerbungsverfahren könnten Migranten nicht mehr aufgrund ihres Namens oder ihrer Herkunft abgelehnt werden. Da in einer anonymen Bewerbung keine Angaben zum Alter und Geschlecht gemacht werden, könnte auch bei diesen Merkmalen Chancengleichheit geschaffen werden.
In einem Modellprojekt "Anonymisiertes Bewerbungsverfahren" der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADD) wurde in Zusammenarbeit mit vier weltweit agierenden Unternehmen, drei öffentlichen Verwaltungen und einem mittelständischen Unternehmen die Effizienz dieses Verfahrens erprobt. Das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) und die Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder (KOWA) evaluierten dieses Projekt. Insgesamt wurden 8.550 anonyme Bewerbungen eingesehen.
Von den Bewerbern sind 1.293 zu einem Vorstellungsgespräch oder Eignungstest eingeladen worden. 246 Personen erhielten einen Arbeitsplatz, ein Studien- oder Ausbildungsangebot. Ein positives Ergebnis sei, dass anonyme Verfahren dazu beitragen könnten, den Fokus stärker auf die Qualifikation der Bewerber zu richten. Vorurteile über bestimmte Personengruppen könnten im ersten Schritt der Bewerbung überwunden werden. Allerdings sei der Zeitaufwand zur Einführung eines solchen Verfahrens je nach Unternehmensgröße unterschiedlich hoch, erklärten die Wissenschaftler.
Das Statistische Bundesamt zählt zu einer Bevölkerung mit Migrationshintergrund alle, die entweder selbst oder deren Eltern beziehungsweise Großeltern nach Deutschland zugewandert sind. Zu ihnen gehören unter anderen Ausländerinnen und Ausländer, Spätaussiedler und die Eingebürgerten. Im Jahr 2010 waren dies laut Mikrozensus 15,7 Millionen Menschen, was einem Anteil von 19,3 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. 8,6 Millionen Menschen von ihnen besaßen einen deutschen Pass, während 7,1 Millionen Menschen Ausländer waren.
Die Arbeitslosenquote von Ausländern betrug danach im März 2012 15 Prozent, die von Deutschen 6,5 Prozent, wie aus der Vorlage der SPD hervorgeht. Besonders betroffen seien die 25- bis 50-Jährigen und Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Die Ursachen für Schwierigkeiten in Schule und Beruf würden bereits früh gelegt, erklären die Abgeordneten. So stellten fehlende Deutschkompetenzen eine entscheidende Integrationsbarriere dar.
Das Bundesinstitut für Berufsbildung habe in einer aus dem Jahr 2006 datierten Studie den Zusammenhang von sozialer Herkunft und den Übergang in die Ausbildung von Jugendlichen in Deutschland ermittelt. Dafür seien 7.320 Jugendliche der Geburtsjahrgänge 1982 bis 1988 befragt worden, von denen 23 Prozent einen Migrationshintergrund hatten. In der Altersklasse zwischen 20 und 30 Jahren hätten 31 Prozent der befragten jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund keine abgeschlossene Berufsausbildung gehabt. Das seien doppelt so viele wie in der Vergleichsgruppe ohne Migrationshintergrund (13 Prozent).
Benachteiligungen auf dem Bildungsweg würden sich bei Migranten kumulieren, heißt es im Antrag weiter. So seien bereits die Einstiegschancen in die Schullaufbahn schwieriger, weil die Eltern häufiger keinen Berufsabschluss hätten oder eine niedrig qualifizierte Tätigkeit ausübten. Die sozialdemokratische Fraktion fordert, dass jugendliche Migranten auf dem Weg ihrer Ausbildung von einem Mentor begleitet und unterstützt werden, damit ihnen ein Ausbildungsabschluss besser als bisher ermöglicht werden könne. Aber auch auf der Seite der Unternehmen müsse die Bereitschaft geweckt werden, mehr Auszubildende mit Migrationshintergrund einzustellen.
Die Abgeordneten fordern, das "Programm zur berufsbezogenen Sprachförderung für Personen mit Migrationshintergrund im Bereich des Bundes" der Bundesregierung stärker zu fördern und die finanzielle Ausstattung zu erhöhen. Die Bundesregierung wolle mit dem Programm die Chancen für Migranten auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. Ziel sei es, berufsbezogene Deutschkenntnisse zu verbessern. Der Deutschunterricht werde mit Elementen der beruflichen Weiterbildung verknüpft.
Das Programm werde seit August 2008 durch Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanziert und sei vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge initiiert (BAMF) worden. Die Sprachvermittlung solle laut SPD auch auf die Gruppe der Existenzgründer erweitert werden. Die Fraktion schlägt vor, ein Arbeitsmarktprogamms "Perspektive MigraPlus" einzuführen. Damit will sie "innovative Ansätze für den Erwerb der deutschen Sprache" schaffen und Qualifizierungs- und Fördermaßnahmen verbessern. Die Fraktion sieht einen finanziellen Rahmen von 200 Millionen Euro dafür vor.
Um die "migrationssensible Beratung" zu verbessern, solle mehr Beratungspersonal mit Migrationshintergrund in Jobcentern und der Agentur für Arbeit eingestellt werden, schreiben die Abgeordneten. Dafür seien auch gezielte Fortbildungsmöglichkeiten sinnvoll. In Städten mit einem Ausländeranteil von mehr als 20 Prozent sollen in den Arbeitsagenturen und Jobcentern Integrationbeauftragte benannt werden: "Sie/Er stellt die Verbindung zu den für Menschen mit Migrationshintergrund relevanten Netzwerken her, ist Ansprechpartner, stellt migrationsspezifische Informationen bereit."
Zudem fordert die sozialdemokratische Fraktion, dass auf eine Beratungsfachkraft maximal 75 Arbeitsuchende mit Migrationshintergrund kommen. Nur so könne ein Berater "einer ganzheitlichen und intensiven Unterstützung von Arbeitsuchenden" gerecht werden. (jtk/11.10.2012)