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Um die Öko-Umlage für Strom zu senken, haben die Grünen die Rücknahme von Ausnahmeregelungen für energieintensive Betriebe im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gefordert. "Wir sagen, dass man vier Milliarden Euro im EEG einsparen kann. Das wäre umgerechnet auf die EEG-Umlage ein Cent weniger", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Bärbel Höhn, in einem am Montag, 22. Oktober 2012, erschienenen Interview mit der Wochenzeitung "Das Parlament". Gleichzeitig erklärte sie, dass die Grünen die Sonderregelungen für diese Betriebe "nicht kippen, sondern auf den Stand von 2008 zurückfahren" wollen. Das EEG bezeichnete Höhn als ein "lernendes System", das so konzipiert sei, "dass man es auch verändern kann". Schwarz-Gelb warf sie vor, es nicht stark genug angepasst und zu viele teure Ausnahmeregelungen zugelassen zu haben. Das Interview im Wortlaut:
Frau Höhn, haben Sie schon Ihre Stromabrechnung für dieses Jahr bekommen?
Wir haben bei uns zuhause die Energiekosten erheblich senken können, dadurch dass wir öfter sagen "Licht aus" oder unsere Gefriertruhe nicht mehr nutzen. Außerdem haben wir sparsamere Geräte gekauft und heizen mit einer Solar- und Holzpelletanlage. Wir zahlen durch viele Energiesparmaßnahmen 60 Prozent weniger Heizkosten als in dem Winter, in dem wir das Haus gekauft haben.
Nach der Erhöhung der EEG-Umlage auf 5,28 Cent pro Kilowattstunde wird der Strompreis weiter steigen. Sind daran die erneuerbaren Energien schuld?
Der Anteil des Zubaus der Erneuerbaren an der Erhöhung beträgt in diesem Jahr 0,6 Cent pro Kilowattstunde. Das ist ein Drittel von 1,8 Cent. Der Rest sind Ausnahmen und Boni, die sich in den letzten Jahren im EEG angesammelt haben und nur Mitnahmeeffekte sind. Wir sagen, dass man vier Milliarden Euro im EEG einsparen kann. Das wäre umgerechnet auf die EEG-Umlage ein Cent weniger.
Welche Faktoren spielen beim Strompreis noch eine Rolle?
Die anderen sind Steuern und Konzessionsabgaben, aber auch Transportkosten und Preise am Strommarkt. Dabei haben wir festgestellt, dass die Preise am Strommarkt seit 2008 sogar gesunken sind und jetzt unter fünf Cent pro Kilowattstunde liegen. Das müsste auch irgendwann mal bei den Verbrauchern landen, aber dort kommen immer nur die Kostensteigerungen an, nicht aber die Kostensenkungen.
Umweltminister Peter Altmaier hat Rot-Grün eine Mitschuld an den Preissteigerungen durch das EEG gegeben. Sind es strukturelle Probleme oder ist es das Ergebnis einer falschen Politik?
Wir haben immer gesagt, das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein lernendes System. Daher ist es im Gegensatz zur Kohlesubvention, die auf Dauer angelegt war, so konzipiert, dass man es auch verändern muss. Als Schwarz-Gelb 2009 an die Regierung kam, hatten wir eine EEG-Umlage von einem Cent, jetzt sollen wir 5,3 Cent bekommen. Da gibt es schon eine klare Verantwortung, denn auch Schwarz-Gelb hätte es stärker anpassen und darauf achten können, dass es nicht diese vielen teuren Ausnahmeregelungen gibt.
Warum sinkt der Strompreis an der Strombörse in Leipzig und gleichzeitig steigt der Preis für die EEG-Umlage?
Der Ausbau der Erneuerbaren führt dazu, dass das Angebot an der Strombörse steigt und so der Börsenpreis sinkt. Da aber bei der EEG-Umlage genau die Differenz zwischen Strompreis und Einspeisevergütung gezahlt werden muss, erhöht sich die Öko-Umlage für die Verbraucher.
Die FDP will es anders machen und fordert, zur Senkung des Strompreises die Stromsteuer zu senken...
Ich denke, das ist kein guter Ansatz, denn immer wenn wir etwas senken, kommt das bei den Verbrauchern nie an. Das heißt, es ist bisher immer nur in die Taschen der großen Unternehmen geflossen. Außerdem ist es nicht gerecht. Jemand, der viel Strom verbraucht, würde davon mehr profitieren als die Leute, die wirklich sparen wollen.
Die Linke fordert, den Strompreis einzufrieren, die Einführung eines Strom-Sozialtarifs und eine Abwrackprämie für energieintensive Geräte. Unterstützen Sie solche Forderungen?
Solche Regulierungen haben bisher noch nichts gebracht. Wir wollen auch keinen Sozialtarif, weil man gegen steigende Energiekosten gar nicht ansubventionieren kann. Wir schlagen einen Spartarif vor. Das heißt, dass Energieversorger einen Tarif anbieten müssen, der die ersten Kilowattstunden zu einem niedrigeren Tarif anbietet und dann entsprechend höher geht. Jemand, der viel verbraucht, hat dann auch einen höheren Preis. Es reicht nicht, nur in das System hineinzusubventionieren, sondern man muss es auch mit einem Anreiz zum Sparen verbinden.
Sie sagen, dass die EEG-Umlage um einen Cent sinken könnte, wenn man unter anderem die Privilegien für energieintensive Betriebe zurückführen würde. Umweltminister Altmaier nennt andere Zahlen. Wer hat denn nun Recht?
Die Befreiung der Betriebe, die in den letzten Jahren immer stärker zugenommen hat, macht genau die 0,5 Cent aus, von denen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel gesprochen hat. Die hat offenbar dieselben Zahlen wie wir. Daneben gibt es aber auch noch die Marktprämie und die Liquiditätsreserve. Das heißt, es gibt noch weitere Verteuerungen der EEG-Umlage, die nicht notwendig sind.
Sehen Sie nicht auch die Gefahr, dass Betriebe aus Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig sind und abwandern, wenn die Energiekosten zu hoch sind?
Wir wollen die Sonderregelungen für energieintensive Betriebe nicht kippen, sondern auf den Stand von 2008 zurückfahren. Wir wollen aber auch, dass diese Betriebe sparen und schauen, ob sie wirklich im internationalen Wettbewerb stehen. So braucht etwa die Zementindustrie zwar viel Energie, befindet sich aber gar nicht im internationalen Wettbewerb, denn Zement exportiert man nicht, weil er einfach zu schwer ist.
Eine weitere Sorge ist die Versorgungssicherheit. Brauchen wir bei Kraftwerken eine "stille Reserve", damit in Deutschland die Lichter nicht ausgehen?
Die größten Probleme hatten wir im letzten Winter, weil damals acht Atomkraftwerke abgeschaltet worden waren. Die Situation wird sich eher 2020 wieder zuspitzen, wenn mehr Kraftwerke vom Netz genommen und noch mehr Erneuerbare da sind. Der Trend geht dahin, dass die Erneuerbaren, wie etwa Windkraftanlagen in größeren Höhen, dauerhaftere Betriebszeiten haben. Man muss daher zu einem guten Energiemix kommen.
Wie kann dieser Energiemix aussehen?
Es gibt viele kluge Lösungen, die auch schon da sind. Nehmen Sie etwas das Beispiel der Biogasanlagen. Die laufen derzeit in der Grundlast, was bedeutet, dass sie einfach eingespeist werden. Hier würde es viel mehr Sinn machen, sie je nach Bedarf ans Netz gehen zu lassen. Oder wenn wir zu viel Windkraft im Netz haben, könnten wir den überschüssigen Strom in Wärme umwandeln.
Bundesumweltminister Peter Altmaier hat vorgeschlagen, das EEG in einem möglichst großen Konsens neu zu regeln. Ist das ein richtiger Weg?
Auch wenn er sie nicht so nennt, will Altmaier eine Quote für bestimmte Energieformen und auch Quten auf regionaler Ebene. Ich halte davon gar nichts. Solche Quotenmodelle sind Planwirtschaft. Großbritannien gibt sein Quotenmodell gerade auf, weil es nicht funktioniert und sehr teuer ist.
Wie sehen Ihre Vorstellungen für ein neues EEG aus?
Kurzfristig müsste man die Befreiungstatbestände, aber auch bestimmte Boni geringer ansetzen. Auf längere Sicht müssen wir es schaffen, dass bestimmte Erneuerbare wie Windkraft und Fotovoltaik in Zukunft auch außerhalb des EEG ihren Weg gehen. Man kann die Erneuerbaren aber nicht einfach aus dem EEG entlassen. Dafür muss man sich etwas mehr Zeit lassen und schauen, was es außerhalb des EEG für Geschäftsmodelle gibt, um diese Energien zu vermarkten.
Sehen Sie die Chance für einen parteiübergreifenden Konsens in der Energiewende?
Das sehe ich momentan nicht, weil es bei der Energiefrage um sehr viel Macht, Geld und Einfluss geht. Im Moment sind einige unterwegs, die zwar sagen, rettet die Energiewende, aber das Herzstück, das EEG, kaputt machen wollen.
(as/22.10.2012)