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Karl A. Lamers leitete die Bundestagsdelegation der Tagung des Nato-Parlaments vom 9. bis 12. November in Prag. © DBT/Schuering
Für eine Vertiefung des Dialogs zwischen den arabischen Ländern und der Parlamentarischen Versammlung der Nato plädiert Dr. Karl A. Lamers (CDU/CSU), Präsident des Nato-Parlaments, im Interview. Eine solche Zusammenarbeit liege auch im Interesse der Allianz, schließlich könne die Sicherheit der Nato-Staaten auch durch Instabilitäten und Konflikte an den Grenzen des Bündnisses bedroht werden. Die Konsequenzen des arabischen Frühlings und der Bürgerkrieg in Syrien gehören zu den Schwerpunktthemen der Tagung des Nato-Parlaments vom 9. bis 12. November 2012 in Prag. Lamers leitet die Bundestagsdelegation beim Abgeordnetenhaus der Allianz. Das Interview im Wortlaut:
Herr Lamers, die Folgen des arabischen Frühlings, der Bürgerkrieg in Syrien und das iranische Atomprogramm nehmen in Prag einen breiten Raum ein. Können diese Entwicklungen Konsequenzen für die Nato haben, die doch eine Allianz zur Verteidigung der Mitgliedsstaaten ist?
Letzteres ist im Prinzip richtig. Jedoch kann die Sicherheit des Bündnisses auch durch Instabilitäten oder Konflikte mittel- oder unmittelbar an den Nato-Grenzen bedroht werden. So war es etwa im Falle Libyens, weswegen dort das Bündnis auf der Basis eines UN-Mandats sowie nach Aufforderung durch die Arabische Liga und nach der Einschätzung der Allianz, dass ein Erfolg erreichbar ist, interveniert hat. Der Einsatz der Nato in Libyen hat somit einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität in dieser Region vor der Haustür der Allianz geleistet. Die Nato ist gut beraten, das internationale Umfeld wie etwa in Syrien genau zu beobachten, um Krisen rechtzeitig zu erkennen und um im Bedarfsfall aktiv zu werden, damit das Entstehen größerer Konflikte verhindert werden kann.
Ein neuralgischer Aspekt sind die Scharmützel an der türkisch-syrischen Grenze. Sehen Sie die Gefahr, dass das Bündnis über diese Auseinandersetzungen militärisch in den Syrien-Konflikt hineingezogen wird?
Die Türkei ist Nato-Mitglied, weshalb bei einem Angriff auf das Land im Grundsatz die Beistandspflicht des Bündnisses greift. Allerdings dürfte Ankara in der Lage sein, die Zwischenfälle, zu denen es derzeit an der Grenze zu Syrien kommt, vorerst aus eigener Kraft zu beherrschen. Natürlich hat die Nato die Attacken auf das türkische Territorium verurteilt und dem Land Unterstützung zugesagt. Bislang ist aber die Schwelle noch nicht erreicht, von der an die Allianz Ankara militärisch beispringen müsste.
Die Umwälzungen im arabischen Raum haben die Flüchtlingsströme in der Mittelmeerregion anschwellen lassen. Warum diskutieren die Nato-Abgeordneten über dieses nichtmilitärische Problem?
Flüchtlingsbewegungen aus Nordafrika nach Europa haben im Kern mit problematischen Zuständen in den jeweiligen Herkunftsländern zu tun. Solche instabile Verhältnisse an der Südküste des Mittelmeers können leicht auf Nato-Staaten übergreifen. Insofern dienten die Einsätze der Allianz im Kosovo 1999 und in Libyen 2011 der Sicherheit in den Ländern des Bündnisses, schließlich können Flüchtlingsströme Auswirkungen auf die Lage in Europa haben. Vor diesem Hintergrund macht es durchaus Sinn, wenn das Nato-Parlament frühzeitig über sich abzeichnende Gefahren debattiert. Das Bündnis ist eine militärische, aber auch eine politische Organisation.
Welche Möglichkeiten bieten sich den Abgeordneten, auf die Politik der Nato gegenüber Syrien und generell den arabischen Ländern Einfluss zu nehmen?
Es gehört zur Politik des Bündnisses, Sicherheit auch durch Zusammenarbeit zu erreichen. Deshalb wollen wir die Beziehungen zur arabischen Welt ausbauen. Als Präsident des Nato-Parlaments habe ich die Bemühungen um eine Vertiefung dieses Dialogs initiiert, vor allem mit Parlamentariern aus diesen Ländern. Dabei kommen uns die Erfahrungen zugute, die wir nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in osteuropäischen Transformationsstaaten gesammelt haben. Wir als Abgeordnete können in Nordafrika und im arabischen Raum auch konkret beim Aufbau demokratischer Strukturen helfen, wenn wir von diesen Ländern um Hilfe gebeten werden.
Wieso diskutiert das Nato-Parlament über die Eurokrise? Das sind doch finanzielle und keine militärischen Verwerfungen.
Die Eurokrise wirkt sich wegen des Spardrucks ohne Zweifel auf die Verteidigungsbudgets der Nato-Staaten aus. Eine Bündelung der Kräfte durch eine Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Bündnismitgliedern soll helfen, den Sicherheits- und Verteidigungsauftrag der Allianz auch bei knappen Kassen zu erfüllen. Einseitige Etatkürzungen auf nationaler Ebene sind problematisch, nötig ist vielmehr eine intelligente Zusammenführung der militärischen Kompetenzen der Mitgliedsländer. Und dies trifft besonders für die 21 Staaten zu, die sowohl Mitglied in der Nato als auch in der Europäischen Union sind.
Ist es nicht naheliegend, dass im Zuge der Sparprogramme mit massiven Sozialkürzungen auch die Militäretats nicht verschont bleiben können?
In der Tat haben einige Nato-Länder ihre Verteidigungsausgaben gegenüber 2008 inzwischen halbiert, andere Staaten haben Kürzungen um ein Drittel oder ein Viertel vorgenommen. Dies hat natürlich Konsequenzen für die Finanzierung des Bündnisses und des Militärs auf nationaler Ebene. Ich bin indes überzeugt, dass sich die Lage nach Überwindung der Eurokrise wieder bessern wird – vor allem dann, wenn die Kooperation vertieft wird, etwa über gemeinsame Beschaffungsprogramme.
(kos/05.11.2012)