Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2012
Kurz vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel hat sich Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) für eine Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit ausgesprochen. "Nur mit ihr können wir Wachstum und Beschäftigung dauerhaft zurückgewinnen", sagte sie am Donnerstag, 13. Dezember 2012, in ihrer Regierungserklärung zum Europäischen Rat am 13. und 14. Dezember. Als einen entscheidenden Faktor für mehr Wettbewerb nannte Merkel die Förderung der Industrieproduktion. Gleichzeitig sprach sie sich auch für Reformvereinbarungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedsländern aus.
Dafür sei in Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamente ein abgestuftes Verfahren notwendig. Auf dem Gipfel in Brüssel solle ein Fahrplan entwickelt werden, um 2013 die wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter auszubauen. Dabei rief Merkel zu "Mut zu Veränderungen auf". Mit allen Maßnahmen werde es gelingen, "Europa stärker aus der Krise herauszuführen, als es hineingegangen ist", sagte sie.
Sigmar Gabriel hingegen warf der Bundeskanzlerin vor, auf den vorangegangenen 27 EU-Gipfeln ihre wirtschaftlichen Versprechen gebrochen zu haben und für die steigende Jugendarbeitslosigkeit und explodierende Schulden mitverantwortlich zu sein.
"Die schlechten Zahlen zeigen, wie die Realität ist", sagte der SPD-Parteivorsitzende. Er kritisierte, dass der Finanzsektor auch weiterhin nicht an den Kosten der Finanzkrise beteiligt werde: "Gläubiger und Aktionäre müssen zur Kasse gebeten werden und nicht die Steuerzahler", fordert er.
Otto Fricke warf Gabriel vor, Wahlkampf auf Kosten von Europa zu machen. Europa, sagte Fricke weiter, befinde sich in einer Schulden- und Vertrauenskrise. "Was Europa braucht, kann nur funktionieren, wenn Europa wächst", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP.
Gleichzeitig warnte er vor "einfachen Lösungen" und sagte, dass Deutschland in diesem Prozess führen müsse, "ohne sich wie ein Führer zu gerieren".
Nach Ansicht von Dr. Gregor Gysi (Die Linke) ist durch die gegenwärtige Politik die politische Akzeptanz Europas in Gefahr. Viele Menschen, sagte er, würden Europa als "Abbau sozialer Leistungen" erfahren. Es sei nicht hinnehmbar, "dass Menschen, die nichts getan haben, die Krise bezahlen sollen".
Erneut sprach er sich für eine Regulierung der Finanzmärkte und eine Vergesellschaftung von Banken aus. Momentan gebe es ein "Primat der Banken über die Politik", beklagte er.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Dr. Michael Meister, ging auf Konfrontationskurs zur SPD. Europa sei ein ungeeignetes Feld für populistische Innenpolitik, rief er Sigmar Gabriel zu. Die SPD wolle das Geld der Steuerzahler ohne Vorbedingungen an andere geben.
"Die hohe Jugendarbeitslosigkeit bedrückt uns", sagte Meister mit Blick auf südeuropäische Krisenstaaten. Diese sei aber nicht Folge deutscher Politik. Vielmehr gebe die deutsche Politik das Vorbild dafür ab, wie man den Wohlstand der Menschen mehrt. Dagegen ziele die Politik der SPD darauf ab, Arbeit zu zerstören, Jugendarbeitslosigkeit zu schaffen und Wohlstand zu zerstören. "Sie machen die falsche Politik", hielt er den Sozialdemokraten vor: "Diesen falschen Weg sollten wir weder in Deutschland noch in Europa gehen."
Katrin Göring-Eckardt, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, warf der Kanzlerin vor, dass sie den Deutschen "Europa als Belastung und Kostenfaktor" erklären würde. Sie räumte ein, dass die Krisenländer Strukturreformen durchführen müssten. Die Kürzungen dürften aber nicht die Ärmsten und Schwächsten treffen.
"Das ist das kalte Europa, für das sich zu Recht niemand erwärmen kann", sagte sie. "Europa denken, heißt mutig sein", forderte Göring-Eckardt und sprach sich zugleich für einen Europäischen Konvent aus, da die Menschen "mitreden und mitentscheiden wollen".
Der Bundestag lehnte gegen das Votum von Linken und Grünen einen Entschließungsantrag der SPD (17/11848) ab. Die Fraktion hatte die Regierung unter anderem aufgefordert, sich für die Einrichtung eines europäischen Schuldentilgungsfonds einzusetzen, um notleidenden Mitgliedstaaten eine realistische Entschuldungsperspektive zu bieten.
Gegen das Votum aller übrigen Fraktionen scheiterte auch Die Linke mit zwei Entschließungsanträgen zur Regierungserklärung (17/11849, 17/11850). Die Fraktion hatte verlangt, Vorschläge zur Schaffung einer Fiskal- und Wirtschaftsunion zurückzuweisen und die Umgehung von EU-Verträgen durch völkerrechtliche Verträge außerhalb des EU-Vertragswerks zu beenden. Auch sollten die Anpassungsprogramme mit den Krisenstaaten keine Auflagen enthalten, die die Rechte von Gewerkschaften beschneiden. (as/13.12.2012)