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Dass Derivate, also Termingeschäfte in Bezug auf Rohstoffe oder Wertpapiere, nicht mehr unkontrolliert rund um den Erdball gehandelt werden sollen, ist als Lehre aus der Finanzkrise inzwischen gemeinsamer Nenner aller Fraktionen im Deutschen Bundestag. Es geht um Milliarden-Geschäfte, die jeden Tag auch außerhalb von Börsen gemacht werden. Damit soll jetzt Schluss sein: Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag, 13. Dezember 2012, einen weiteren Baustein der Finanzmarktregulierung.
"Wenn diese Finanzinstrumente sich immer nur auf die Realwirtschaft beziehen würden, hätten wir wahrscheinlich kein Problem", stellte der CDU/CSU-Finanzexperte Klaus-Peter Flosbach fest. Aber das sei nicht der Fall. Daher müsse es eine scharfe Kontrolle geben, sagte Flosbach mit Blick auf die Pleite von Lehman Brothers.
Das US-Institut, das 2008 unter anderem wegen Problemen mit dem Derivatehandel zusammengebrochen war, sei nicht ausreichend kontrolliert worden. Jetzt solle in Europa einheitlich gehandelt werden. "Das wichtigste ist: Alle Geschäfte müssen gemeldet werden", sagte Flosbach zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ausführungsgesetzes zur EU-Verordnung Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (17/11289, 17/11883).
Dem Gesetzentwurf stimmten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP sowie die SPD-Fraktion zu. Die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Mit dem nach dem englischen Begriff "European Market Infrastructure Regulation" auch als EMIR-Ausführungsgesetz bezeichneten Vorhaben werden die für die Umsetzung der EU-Vorgaben zuständigen Behörden, darunter die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), benannt. Außerdem werden Bußgeldtatbestände im Kreditwesengesetz erweitert.
Nach Angaben der Bundesregierung sieht die EU-Verordnung vor, dass bestimmte Derivategeschäfte außerhalb von Börsen künftig nicht mehr direkt zwischen den Geschäftspartnern abgewickelt werden dürfen, sondern über zentrale Clearing-Stellen geleitet und in Transaktionsregistern dokumentiert werden müssen. Mit den neuen Vorschriften werde es der Finanzaufsicht erleichtert, einen besseren Überblick über die Marktaktivitäten und Risikopositionen zu erlangen und in diesen bisher weitgehend unregulierten Bereich einzugreifen, erwartet die Regierung.
Die Finanzkrise habe gezeigt, dass intransparente, frei abgeschlossene Derivategeschäfte zu großem Misstrauen zwischen den Banken geführt und die Funktionsfähigkeit der Märkte beeinträchtigt hätten. Der Finanzausschuss hatte bei seiner Beratung des Gesetzentwurfs noch zahlreiche Änderungen vorgenommen und unter anderem die sogenannte Nachteilsausgleichsverpflichtung zentraler Gegenparteien im Insolvenzverfahren gestrichen.
Sachverständige hatten ebenso wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme (17/11690) die Sorge geäußert, die Wettbewerbsfähigkeit der Clearing-Dienstleistungen könnte im Vergleich zu internationalen Wettbewerbern erheblich geschwächt werden.
Flosbach erinnerte an die zahlreichen Regulierungsgesetze der Koalition. Dazu gehöre das Banken-Restrukturierungsgesetz, das eine Zerschlagung von Instituten ermögliche. Leerverkäufe von Wertpapieren seien verboten worden. Der Anlegerschutz und die Regeln für Finanzberatung seien verbessert worden. "Auch dieses Gesetz schafft wieder einen wesentlichen Beitrag dazu , dass wir in Deutschland mit einem stabilen Finanzmarkt auf Dauer ein Stück Sicherheit für unsere Bürger schaffen", sagte Flosbach.
Kritischer äußerte sich die Opposition. Dr. Carsten Sieling (SPD) warf der Koalition vor, die Finanzmarktregulierung verschlafen zu haben. Das Gesetz komme drei Jahre zu spät.
Unter Verweis auf einen von SPD-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam eingebrachten Antrag (17/11878) verlangte Sieling die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer, die Einführung einer wirkungsvollen europäischen Bankenabgabe, die Abtrennung des Investmentzweiges von anderen Bankgeschäften und die Einschränkung dieser spekulativen Derivategeschäfte: "Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen." Daher sei das Gesetz zum OTC-Handel ("over the counter") dringend notwendig.
Der Finanzexperte der FDP-Fraktion, Björn Sänger, sprach von einem "wichtigen Gesetz, das für mehr Transparenz an den Finanzmärkten sorgen wird". Die Umsetzung der EMIR-Richtlinie werde den Derivatemarkt stabilisieren und weniger anfällig gestalten.
Sänger wies aber auch darauf hin, dass es sinnvolle Derivategeschäfte gebe. Es handele sich um eine Art "Dual-use-Güter": Man könne sie gut verwenden und man könne sie auch schlecht verwenden. Der FDP-Politiker widersprach unter Verweis auf zahlreiche Gesetze der SPD-Kritik, die Koalition habe in Fragen der Finanzmarktregulierung jahrelang geschlafen.
"Gegenüber dem heutigen Wildwest-Regime ist EMIR eindeutig eine Verbesserung", erklärte Dr. Axel Troost für die Linksfraktion. Viele Derivate seien "ausschließlich Zockerprodukte" und mit hohen Risiken verbunden: Fehlspekulationen würden leicht im Ruin enden. "Derivate sind heute ein ganz zentrales Element, mit dem riesige Spekulation gemacht wird, und das muss beendet werden."
Wie schon Sieling verwies auch Troost auf das Risiko, das von den zentralen Clearing-Stellen ausgehen könne. Er verlangte die Einführung eines Finanz-TÜV, der Derivate genehmigt. Alles andere dürfe gar nicht erst auf den Markt kommen.
Auch Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) verwies auf die Risiken, die von den Clearing-Stellen ausgehen könnten. Diese würden zu neuen systemrelevanten Spielern auf den Finanzmärkten werden. "Das ist problematisch, denn wir wissen ja aus der Bankenkrise, welche großen Gefahren von systemrelevanten Instituten ausgehen."
Das Gesetz schaffe aber endlich ein Mindestmaß an Regulierung und Transparenz auf dem Derivatemarkt. Es sei "mehr als überfällig", dass alle Geschäfte gemeldet werden müssten. (hle/13.12.2012)