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Die Oppositionsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen halten den Dienst in der Bundeswehr für nicht attraktiv genug. Wolfgang Hellmich (SPD) verwies in der abschließenden Beratung des Jahresberichts 2011 des Wehrbeauftragten (17/8400) am Mittwoch, 16. Januar 2013, im Bundestag darauf, dass derzeit rund 30 Prozent aller jungen Männer und Frauen, die sich freiwillig zu einem Wehrdienst in der Truppe melden, diesen vorzeitig wieder abbrechen würden. Das Konzept des freiwilligen Wehrdienstes müsse auf den Prüfstand gestellt werden. Die Bundeswehr müsse sich fragen, ob sie die Lebenswirklichkeit junger Menschen genügend berücksichtige. Insgesamt sei die Stimmung in der Truppe wegen der Streitkräftereform nicht gut.
Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) bemängelte den zu niedrigen Anteil von Frauen in der Truppe. Während im Sanitätsdienst bereits 50 Prozent aller Soldaten Frauen seien, liege der Frauenanteil in der Truppe insgesamt bei gerade mal sechs bis sieben Prozent.
Vom selbstgesteckten Ziel von 15 Prozent sei die Bundeswehr weit entfernt. Hellmich und Keul verwiesen auf die nicht ausreichenden Betreuungsplätze für Soldatenkinder und den mangelnden personellen Ersatz im Fall von Schwangerschaften.
Auf die durch die Bundeswehrreform ausgelösten Verunsicherungen und die Unzufriedenheit in der Truppe hatte der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus in seinem Bericht ausdrücklich hingewiesen. In der Debatte mahnte er erneut, dass die Familienfreundlichkeit des Soldatenberufs gesteigert werden müsse. Dazu gehöre auch der Ausbau von Betreuungsmöglichkeiten.
Lobend äußerte sich Königshaus über die verbesserte Ausrüstung der Soldaten im Afghanistan-Einsatz. Dies habe mit dazu beigetragen, dass die Bundeswehr seit Sommer 2011 keine Gefallenen mehr habe beklagen müssen und dass weniger Soldaten verwundet worden seien. Zugleich bezeichnete er es als "nicht vertretbar", dass dringend benötigte Ausrüstung, wie etwa Wärmebildkameras für die Marder-Schützenpanzer in Afghanistan, laut Aussage des Verteidigungsministeriums nicht vor dem Jahr 2016 beschafft werden könnten.
Vertreter der Bundesregierung und der Unionsfraktion wiesen die Kritik an der mangelnden Attraktivität der Truppe zurück. Die Meldungen über die Abbrecherquote von 30 Prozent bei den freiwillig Wehrdienstleistenden sei "aufgebauscht" worden, sagte die CDU-Abgeordnete Anita Schäfer.
Diese Quote entspreche durchaus auch den Erfahrungen der freien Wirtschaft. Die Bundeswehr habe derzeit keine Probleme, ihren Bedarf an Freiwilligen, Zeit- und Berufssoldaten zu decken.
Der Parlamentarische Staatssekretär des Verteidigungsministeriums Thomas Kossendey (CDU) argumentierte, die Gründe für den vorzeitigen Abbruch eines freiwilligen Wehrdienstes seien nicht nur in der Bundeswehr zu finden. Dies habe in vielen Fällen mit "falschen Erwartungshaltungen" vor Dienstantritt zu tun.
Kossendey widersprach zudem der Einschätzung, dass in der Truppe eine schlechte Stimmung herrsche. Die Soldaten der Bundeswehr seien "hoch motiviert", die Reform der Streitkräfte umzusetzen. Zudem sei die Zahl der Informationsveranstaltungen über die Reform in der Truppe erhöht worden.
Der FDP-Abgeordnete Christoph Schnurr hingegen hält die Abbrecherquote für zu hoch. Er forderte einerseits die Gründe hierfür zu untersuchen. Gleichzeitig sprach er sich für mehr Informationsveranstaltungen über den freiwilligen Wehrdienst durch Wehrdienstberater in den Schulen aus.
Schnurr lobte hingegen, dass bereits ein Drittel des Maßnahmenpakets zur Attraktivitätssteigerung des Dienstes in den Streitkräften umgesetzt worden sei.
Für die Fraktion Die Linke kritisierte Harald Koch, dass viele Probleme in der Bundeswehr seit Jahren bekannt seien, aber nicht entsprechend gehandelt werde. Dies zeige sich beispielsweise deutlich bei der Versorgung und Betreuung von traumatisierten Soldaten nach ihren Einsätzen oder bei der Entschädigung von radargeschädigten Soldaten.
Die Stellungnahme der Bundesregierung zum Jahresbericht des Wehrbeauftragten zeige, dass diese die Mängel offensichtlich nicht ernst nehme.
Selbstkritisch mahnten mehrere Abgeordnete aller Fraktionen an, dass der Wehrbericht zukünftig schneller durch den Bundestag beraten werden müsse. Königshaus habe seinen Bericht schließlich bereits im Januar vergangenen Jahres vorgelegt. Der Bundestag verabschiedete auf Empfehlung des Verteidigungsausschusses (17711215) eine Entschließung, wonach die Ergebnisse des Berichts und die Stellungnahme des Verteidigungsministeriums der Truppe zur Kenntnis gegeben werden müssen. Außerdem dankte das Parlament dem Wehrbeauftragten und dessen Mitarbeitern und forderte die Bundesregierung auf, über eingeleitete Maßnahmen zu berichten.
Königshaus selbst kündigte an, dass er den neuen Jahresbericht für 2012 am 29. Januar an das Parlament übergeben werde. (aw/16.01.2013)