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Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Markus Löning (FDP), hat am Mittwoch, 13. März 2013, vor den Abgeordneten im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ein düsteres Bild von der Lage in Bulgarien gezeichnet. Viele Menschen würden das Land verlassen. Innerhalb Bulgariens gebe es eine starke Binnenmigration vom Land in die Hauptstadt Sofia.
Löning sprach auch von einem "sehr fragilen Verhältnis zu Minderheiten". Während seines Aufenthalts war er Zeuge eines gescheiterten Anschlags auf den Chef der Türkenpartei, Ahmed Dogan, geworden. Der Politiker berichtete in der öffentlichen Sitzung von diesem "traumatischen Erlebnis". Die Sitzung wurde zunächst von Gabriele Molitor (FDP) geleitet. Später übernahm Gunther Krichbaum (CDU/CSU) den Vorsitz.
Zu Beginn der Anhörung gab Löning einen Überblick über die aktuelle politische Situation in Bulgarien. Nach dem Rücktritt der Regierung habe Staatspräsident Rossen Plewneliew eine neue Regierung ernannt. "Alles erfahrene Leute, aber nicht politisch vorbelastet", so Löning.
In zwei Monaten soll dann gewählt werden. Laut Löning wird mit einer Koalitionsregierung gerechnet. Er berichtete unter anderem, dass er von unterschiedlichen Seiten um Hilfe gebeten worden sei, "damit die Dinge bei den Wahlen vernünftig laufen". Appelle wie "Helft uns, macht Druck" seien an ihn herangetragen worden.
Die Infrastruktur in Bulgarien liege weit hinter den Verhältnissen im EU-Durchschnitt zurück. Löning sprach vom "ärmsten Land der EU". Er kritisierte die Korruption im Land und in der Justiz. Oligarchen beherrschten die Wirtschaft. Große Probleme gebe es auch mit der Pressefreiheit. In Bulgarien würden die Medien wirtschaftlich konzentriert und dann benutzt, um Interessen durchzusetzen. So müssten Abgeordnete oder Kandidaten beispielsweise für Artikel bezahlen. "Das ist ein Problem, das wir als Europäer sehr ernst nehmen" müssten, so Löning.
Der Menschenrechtsbeauftragte hatte sich unter anderem über die Situation der Roma im Land informiert. "Das ist eine Aufgabe für Jahrzehnte, die nicht leicht und schnell lösbar ist", sagte Löning. Es gebe eine extreme Ablehnung in der Bevölkerung. Eltern nähmen ihre Kinder aus den Klassen, wenn mehr als zwei oder drei Roma-Kinder mitunterrichtet werden sollen. Dies, so Löning, sei aber kein reines Roma-Problem. Es betreffe auch andere Bevölkerungsgruppen. Über die staatliche Roma-Behörde sagte er kühl: "Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen." Die Mitarbeiter hätten noch nicht einmal Zahlen zu ihrem Alphabetisierungsprogramm gehabt.
"Es ist mehr politischer Wille nötig", sagte der FDP-Politiker. Doch es fehlten in Bulgarien auch administrative Fähigkeiten zur Lösung der Probleme. Hier sah Löning Möglichkeiten für die EU das Land zu unterstützen. Neben Druck müsse es auch Hilfe geben. "Aus eigener Kraft kann Bulgarien es nur sehr schwer schaffen", sagte er im Ausschuss. Löning gab aber auch zu bedenken, dass es in den vergangenen 20 Jahren auch Fortschritte gegeben habe. Die Modernisierung eines Landes könne nicht in wenigen Jahren passieren, betonte er.
Zum Thema der Armutswanderung skizzierte Löning: "Es kommen Leute, denen geht es einfach dreckig. Wir müssen vernünftig damit umgehen." Und er schrieb den Abgeordneten ins Stammbuch: "Wir wollen Offenheit und Bewegungsfreiheit in Europa. Wir wollen Studenten, Qualifizierte, Pflegekräfte." Doch: "Nicht alles ist umsonst zu haben."
Von den Kommunen forderte Löning auch mehr Augenmaß: Wenn er mit seinem Auto falsch parke, sei sofort jemand da, um ihn aufzuschreiben. Aber wenn Menschen umwürdig untergebracht seien, passiere zu wenig. "Die Kommunen müssen ihre Möglichkeiten ausschöpfen und Verantwortung übernehmen", appellierte Löning im Ausschuss.
Die Abgeordneten forderte Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe auf, mit einer Mischung aus Druck und Unterstützung die Veränderung im Land zu begleiten. Außerdem sollten "wir alle reisen, hinfahren und unsere Sicht der Dinge erklären", so Löning. Zudem schlug er die Schaffung einer EU-Grundrechte-Agentur vor, die durch permanentes Monitoring Fragen der Entwicklung von Presse, Justiz und so weiter beobachten könnte. "Wir brauchen die Entwicklung von Strukturen", sagte er. (ah/13.03.2013)