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Der Streit zwischen Koalition und Opposition um den Schutz der Verbraucher gerät zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung um das Verbraucherbild der Fraktionen. Zwischen der Auslieferung der Konsumenten an die Wirtschaft und der kleinteiligen Bevormundung im Alltag bewegten sich die Argumente der Redner in der Debatte über die Verbraucherpolitik der Bundesregierung am Freitag, 15. März 2013, im Deutschen Bundestag.
"Der Regierung fehlt der ehrliche Wille, Verbraucher schützen und informieren zu wollen", klagte Elvira Drobinski-Weißfür die SPD-Fraktion an. Der effektive Verbraucherschutz scheitere immer wieder an der Rücksichtnahme auf die Wirtschaft. Zwar hätten die Koalitionsfraktionen in Windeseile als Reaktion auf diverse Skandale das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch geändert, aber die Behörden werden dennoch nicht über Täuschungsfälle informieren. "Die juristischen Unsicherheiten sind zu hoch", sagte sie.
Deshalb forderte Drobinski-Weiß die Trennung des Verbraucherschutzressorts vom Landwirtschaftsministerium: "Der Verbraucherschutz ist in einem so wirtschaftsnahen Ministerium falsch aufgehoben." Weiter forderte sie, dass Marktwächter bei den Verbraucherzentralen und ihrem Bundesverband eingerichtet werden. Diese Wächter sollen in den Bereichen Finanzmarkt, Energie, Gesundheit und Internet die Verbraucher in die Lage versetzen, auf Augenhöhe mit Anbietern zu verhandeln und die Aufsichtsbehörden unterstützen.
"Erschreckende Rückschlüsse" zog Mechthild Heil (CDU/CSU) aus den Worten ihrer Vorrednerin bezogen auf das Verbraucherbild der SPD: "Der Verbraucher ist in Ihren Augen in erster Linie ein Opfer. Es wird ihm nicht zugetraut zu wissen, wo er überhaupt hin wolle." Aber für die CDU/CSU gelte: "Wir trauen den Menschen etwas zu." Denn vom Verbraucher gehe die Marktmacht aus. "Die Wirtschaft ist ohne den Verbraucher nichts."
Heil hielt der SPD indes vor, dass das Verbraucherinformationsgesetz in den rot-grünen Ländern bei Hygieneverstößen nur unzureichend angewendet werde. "Transparenz ist das nicht. Das ist verlogen", sagte sie.
Die Koalition verstecke sich hinter der Eigenverantwortung der Verbraucher, bemängelte Caren Lay (Die Linke) die in ihren Augen passive Regierungspolitik von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU). Die Ministerin reagiere nur mit nationalen Aktionsplänen und werde von einem Lebensmittelskandal zum nächsten getrieben. Im Ergebnis werde dadurch jedoch nichts besser.
"Sie liefern die Verbraucher der Wirtschaft aus, statt die Konzerne in die Pflicht zu nehmen", sagte Lay. Die Deckelung der Dispo-Zinsen, das Vorgehen gegen steigende Mieten, Abmahnungen im Internet und steigende Stromkosten würden ihrer Ansicht nach viele unbearbeitete Aufgaben bieten.
Prof. Dr. Erik Schweickert (FDP) hielt der Kritik entgegen, dass die Lage der Verbraucher noch nie so gut wie heute gewesen sei. Er zählte auf, dass die Einrichtung von Schlichtungsstellen im Bereich der Energie und im Flugverkehr auf die Koalition zurückgehe. Zudem wurde das Stiftungskapital der Stiftung Warentest um 50 Millionen Euro erhöht und ein Sachverständigenrat für Verbraucherfragen durch Schwarz-Gelb ins Leben gerufen.
Doch die Zinssätze bei Dispo-Krediten deckeln zu wollen, führe nur dazu, dass Girokonten teurer werden. "Dadurch werden jene mehr bezahlen, die ihre Finanzen im Griff haben, für jene, die es nicht haben", warnte er. "Ihre Verbraucherpolitik folgt der Bevormundung", urteilte Schweickert. "Die Liberalen setzen auf die Freiheit des Handelns, Sie stehen für das Verbot."
"Auf den Finanzmärkten ist noch viel zu tun", befand Nicole Maisch (Bündnis 90/Die Grünen) und widersprach der abweisenden Haltung Schweickerts. "Den Rechtsanspruch auf ein Girokonto muss es endlich geben", forderte sie. "Wer kümmert sich um die halbe Million Menschen, die nicht einmal ein Konto haben?", fragte Maisch, die befand, dass die Regierungskoalition nicht ihren Pflichten gegenüber den Verbrauchern nachkomme.
Dem Vorwurf seitens der FDP, dass rot-grüne Verbraucherpolitik wie beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nur höhere Kosten für die Bevölkerung bedeute, nahm Maisch in ihrer Rede auf: "Führen Sie die Industrieprivilegien beim EEG auf einen vernünftigen Stand zurück, dann sind die Kosten für die Privathaushalte tragbar."
Ein von der SPD-Fraktion vorgelegter Antrag zur Lage der Verbraucher (17/12689) und eine ebenfalls von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingereichte Vorlage (17/12694) wurden im Anschluss zur federführenden Beratung an den Verbraucherschutzausschuss überwiesen. (eis/15.03.2013)