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"Einen Schlussstrich unter das begangene Unrecht kann und wird es nicht geben." Dieser Aussage von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) zum Auftakt der Debatte des Bundestages über die Aufarbeitung der SED-Diktatur am Freitag, 22. März 2013, schlossen sich die Vertreter aller Fraktionen an. Trotz der prinzipiellen Einigkeit führte die rund 90-minütige Aussprache zu teilweise sehr emotional geführten Auseinandersetzungen. Grundlage der Debatte war der von der Bundesregierung vorgelegte "Bericht zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur" (17/12115).
Neumann betonte, dass die 40-jährige Diktatur "nicht verdrängt, nicht vergessen und schon gar nicht verharmlost" werden dürfe. Der Bericht der Regierung dokumentiere auf beeindruckende Art die Leistungen der Aufarbeitung in den vergangenen 20 Jahren. Die Regierungskoalition habe die Mittel für das Gedenkstättenkonzept zur nationalsozialistischen und kommunistischen Diktatur auf deutschem Boden um rund 50 Prozent erhöht. Neben den Gedenkorten könnten Zeitzeugen der Verharmlosung der SED-Diktatur am besten entgegenwirken.
Neumann verwies auf das eingerichtete Zeitzeugenbüro bei der Stiftung Aufarbeitung. Insgesamt gebe der Bund jährlich 100 Millionen Euro für die Aufarbeitung aus. Neumann räumte allerdings auch Schwierigkeiten ein. So belegten beunruhigende Studien über das fehlende Wissen von Schülern über die DDR. Unterstützung signalisierte der Kulturstaatsminister für den Vorschlag des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, auf dem Gelände des ehemaligen Stasi-Hauptquartiers einen Lernort einzurichten. Über den vorgeschlagenen Namen "Campus für Demokratie" müsse allerdings noch einmal diskutiert werden.
Dr. Wolfgang Thierse (SPD) übte scharfe Kritik am Bericht der Bundesregierung und ihrer Politik. Der Bericht belege zwar sehr anschaulich und ausführlich die "vielfältige Aufarbeitungslandschaft", die in den vergangenen Jahren entstanden sei, aber er benenne keine Kriterien für eine erfolgreiche Aufarbeitung der SED-Diktatur und mache auch keine Angaben zu ihrer Zukunft.
Konkret bemängelte Thierse, dass die Regierung bislang eine Debatte über die Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde verweigere. Ende 2019 läuft die Gültigkeit des Stasi-Unterlagengesetzes aus, auf dessen Grundlage die Behörde arbeitet. Thierse erinnerte daran, dass die Behörde nie für die Ewigkeit konzipiert worden sei. Aber der Zugang zu den Stasi-Akten müsse auch für die Zeit nach 2019 sichergestellt werden, um die Aufarbeitung fortsetzen zu können.
Entgegen der Ankündigung im Koalitionsvertrag zwischen CDU,CSU und FDP sei aber bis heute die angekündigte Expertengruppe nicht eingesetzt worden, die Vorschläge für die Zukunft erarbeiten soll. Die Stasi-Unterlagenbehörde sei eine Behörde des Bundestages, mahnte Thierse. Deshalb müsse auch der Bundestag über ihre Zukunft entscheiden. Die Regierung verweigere allerdings die Debatte darüber.
Thierse verwies auf die steigenden Wartezeiten bei der Bearbeitung von Anträgen auf Einsicht in die Stasi-Akten wegen des Personalabbaus in der Behörde. Es müsse endlich gehandelt werden, damit diese ihre Kernaufgabe – nämlich den Zugang zu den Akten – erfüllen könnte. Ablehnend äußerte sich Thierse zudem gegenüber dem von Jahn vorgeschlagenen "Campus für Demokratie".
Patrick Kurth (FDP) hielt Thierse entgegen, dass die Koalition bei Regierungsantritt neuen Schwung in die Aufarbeitung der SED-Diktatur gebracht habe. Kurth stellte sich demonstrativ schützend vor Roland Jahn und warf Thierse im Gegenzug vor, er wolle die Stasi-Unterlagenbehörde möglichst schnell schließen. Solange die Behörde noch von Marianne Birthler geführt worden sei, habe sich Thierse gegenteilig geäußert.
Kurth warb darum, vor allem jungen Menschen den Wert von Freiheit und Demokratie zu vermitteln. Er warnte zugleich davor, den Fokus der Aufarbeitung einseitig auf die Stasi zu legen. Die Diktatur in der DDR sei eine SED-Diktatur gewesen. Vor allem die Linkspartei versuche, dies als Nachfolgerin der SED immer wieder in den Hintergrund zu schieben.
ine heftige Auseinandersetzung führten Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke) mit Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) über die Auseinandersetzung der Linkspartei über deren Vergangenheit. Bartsch hatte den Vorwurf zurückgewiesen, seine Partei habe ihre Vergangenheit nicht aufgearbeitet. Im Gegensatz zu den Blockparteien habe die PDS als Nachfolgerin der SED und Vorläuferin der Linken sich deutlich selbstkritischer mit ihrem Erbe auseinandergesetzt.
"Wir wollen eine seriöse Aufarbeitung", sagte Bartsch. Er wehrte sich zudem gegen eine Gleichsetzung der DDR mit dem Nationalsozialismus, wie dies im Bericht der Bundesregierung angedeutet werde. Dies sei "nicht akzeptabel". Die Gründung der DDR sei eine Folge des Hitler-Faschismus gewesen. Nicht ohne Grund hätten sich nach dem Zweiten Weltkrieg viele Intellektuelle ganz bewusst für diesen Staat entschieden. Die DDR habe den 8. Mai 1945 viel früher als die Bundesrepublik als "Tag der Befreiung" vom Faschismus gewürdigt.
Wieland hielt Bartsch entgegen, "nicht akzeptabel" sei der Umgang der Linkspartei mit der eigenen Vergangenheit. "Die DDR war von der ersten Minute an eine Diktatur", stellte Wieland fest. Bartsch betreibe "Geschichtsrevisionismus". Zur Aufarbeitung gehöre eben auch Reue und das Eingeständnis von Schuld, argumentierte Wieland. Dies sei die Linkspartei den Opfern der SED-Diktatur bis heute schuldig geblieben.
Die Gelder, die die PDS nach dem Ende der DDR aus dem Parteivermögen der SED in die "dunkle Kanäle" abgezweigt habe, hätte eigentlich den Opfern der Diktatur zugestanden. Auch die Vertreter der übrigen Fraktionen bemängelten die aus ihrer Sicht unzureichende Aufarbeitung ihrer Vergangenheit durch die Linkspartei. (aw/22.03.2013)