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Die Zeiten, in denen Nasiba Abbasova gefragt wurde, ob ihr Heimatland Aserbaidschan in Afrika liegt, sind vorbei. "Das ist dem Eurovision Song-Contest zu verdanken", freut sich die 27-Jährige. Mit dem Sieg im Jahre 2011 und der Ausrichtung der Veranstaltung ein Jahr später in Aserbaidschans Hauptstadt Baku hat sich das Land am Kaspischen Meer in den europäischen Fokus gerückt. "Wir liegen zwar zwischen Russland und dem Iran und haben auch viele amerikanische Einflüsse", sagt Nasiba Abbasova, fügt aber hinzu: "Ich plädiere dafür, uns mehr in Richtung Europa zu orientieren."
Sie persönlich tut dies längst: Drei Jahre studierte sie in München und hat ganz frisch den Master gemacht. Derzeit absolviert sie ein Praktikum im Rahmen des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) im Deutschen Bundestag.
Niemals, so sagt sie, habe sie sich vorstellen können, dass man "so nah am deutschen politischen Leben sein kann". Ob Fraktionssitzungen, Plenardebatten, AG-Runden oder Ausschusssitzungen – Nasiba Abbasova ist dabei. "Ich bin ein Glückspilz", sagt sie auch mit Blick auf die Arbeitsatmosphäre im Büro der Linken-Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, in dem sie bis Ende Juli arbeitet.
"Wir sind hier wie eine große Familie", freut sie sich und ist jetzt schon wehmütig, wenn sie an das Ende der Berliner Zeit denkt. "Es ist schade, dass man sich nicht noch ein zweites Mal für das IPS bewerben darf", findet sie.
Nach dem Ende des Praktikums führt sie ihr Weg wieder zurück in die Heimat. Dort will sie in dem Bereich weiterarbeiten, mit dem sie sich im Studium beschäftigt hat. "Mein Schwerpunkt ist Ex-Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten", sagt Nasiba Abbasova, die an der Ludwig-Maximilians-Universität in München den Elitestudiengang "Osteuropastudien" absolviert hat.
Eine auf den ersten Blick vielleicht verwunderliche Studienwahl für eine Aserbaidschanerin. "Das Thema ist bei uns neu, und so gibt es noch nicht viele Experten", räumt sie ein. Zurzeit wird ein solcher Studiengang auch noch gar nicht in Aserbaidschan angeboten.
Und dennoch gibt es eine Verbindung zwischen ihrer Heimat und dem Westbalkan. Auch dort hätten einst verfeindete Volksgruppen in einer neuen Staatengemeinschaft zueinander gefunden, sagt sie. Mit Blick auf die Situation in Berg Karabach eine nicht uninteressante Konstellation.
"Wir müssen dort eine friedliche Lösung finden", betont sie. Einen Kompromiss im Streit um die auf dem Staatsgebiet von Aserbaidschan liegend, aber inzwischen zum Großteil von Armeniern bewohnte Region zu finden, sei aber nicht einfach, "solange dort armenische Truppen sitzen und Aserbaidschaner nicht einreisen dürfen".
Nasiba Abbasova verweist auf UN-Konventionen, nach denen das Gebiet, welches auf immerhin 20 Prozent der Fläche Aserbaidschans liegt, zum Staatsgebiet ihres Heimatlandes gehört. Mit einer militärischen Intervention Aserbaidschans müsse jedoch nicht gerechnet werden, glaubt sie. "Krieg bringt keinem irgendetwas und schafft noch mehr Probleme", lautet ihre Einschätzung.
Führt die Problematik nun dazu, dass sie die Straßenseite wechselt, wenn sie einem Armenier begegnet? "Keinesfalls", macht die Aserbaidschanerin deutlich. "Ich bin jederzeit für Diskussionen offen und bereit." Sie verweist zugleich auf gute Beispiele von Serben und Kosovaren, die "mit der Vermittlung der EU" gemeinsame Ausstellungen oder andere Veranstaltungen organisieren. "Das wäre auch für unseren Fall sehr nützlich", findet sie.
Um sich da weitere Tipps abzuholen, passt es gut, dass sich Serbien und der Kosovo – neben sämtlichen anderen Staaten aus der Westbalkan-Gruppe – unter den 30 Ländern befinden, die in diesem Jahr im IPS-Programm vertreten sind. "Wir haben schon einen häufigen Meinungsaustausch, bei dem ich auch meine Serbisch-Kenntnisse ausbauen kann", sagt Nasiba Abbasova.
Sprachen scheinen ihr ohnehin zu liegen: Neben ihrer Muttersprache spricht sie Deutsch, Russisch, Englisch und Türkisch fließend. Gute Kenntnisse attestiert sie sich im Spanischen und dem Tschechischen. Dazu kommt noch wie erwähnt Serbisch, und auch im Albanischen hat sie Grundkenntnisse.
Schon um ihre Sprachkenntnisse immer neu aufzufrischen – "wenn ich sie nicht verwende, gehen sie verloren" – will sie künftig nicht ausschließlich eine Vollzeit-Universitätskarriere anstreben. "Ich bin ein Mensch, der immer in Bewegung sein muss", erklärt sie. Projekte mit internationalem Bezug auf die Beine zu stellen sei etwas, das sie gerne machen würde.
Und dennoch hat sie die Situation an den Universitäten ihrer Heimat im Auge. "Unsere Lehrkräfte sind da noch vielfach dem alten autoritären Denken aus den Sowjetzeiten verhaftet", bemängelt sie. Als Beispiel führt sie auf, dass schon das Trinken eines Schlucks Wasser verboten sei. "In Deutschland essen die Studenten während des Seminars ihren Obstsalat", verweist sie auf das gegenteilige Extrem.
Ihre Kritik richtet sich auch an die jüngeren Dozenten, die nach dem Motto arbeiteten: Das haben die alten vor uns gemacht, da machen wir es auch so. "Da wäre eine Fortbildung in Europa sinnvoll", findet sie.
Nasiba Abbasova selbst hat auch schon Erfahrungen als Lehrerin gemacht. "Da haben die Studenten manchmal gedacht, ich sei verrückt, weil ich nicht ständig darauf rumgehackt habe, wenn jemand fünf Minuten zu spät war", erzählt sie.
Die 27-Jährige verbindet die Hoffnung auf eine positive Entwicklung in Aserbaidschan stark mit der jüngeren, mit ihrer Generation. "Wir müssen etwas ändern", fordert sie. Es gebe sehr viele Aserbaidschaner, die im Ausland studieren – teils sogar mit einem Stipendium des Staates. "Wenn wir alle zurückkommen, können wir die Erfahrungen aus dem Ausland umsetzen", hofft sie. (hau/29.04.2013)