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Das Zustandekommen und der Aufbau des aktuellen vierten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung (17/12650) ist nach Ansicht von Experten in Teilen kritikwürdig. Das wurde während einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales unter Vorsitz von Sabine Zimmermann (Die Linke) am Montag, 3. Juni 2013, deutlich, in der es nicht nur um den Bericht selbst, sondern auch noch um einen Entschließungsantrag von CDU/CSU und FDP (17/13250) und um Anträge der SPD (17/13102) sowie der Linken (17/12709), aber auch um einen im Ausschuss vorgelegten Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/(11)1170) ging.
Dabei kritisierten die Experten zum einen, dass sich der Armuts- und Reichtumsbericht auf einen Lebensphasen-Ansatz konzentriert, also den Fokus auf die "Dynamik gesellschaftlicher Teilhabe innerhalb des eigenen Lebensverlaufs" richtet, wie es im Bericht dazu heißt.
"Ein solcher Ansatz macht es schwer, wenn man zu einzelnen benachteiligten Gruppen Informationen finden will", sagte dazu Joß Steinke von der Arbeiterwohlfahrt.
Dr. Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ergänzte, dass dieser Ansatz gegenüber dem vorher verwendeten Lebenslagen-Modell zwar neue Erkenntnisse biete. "Strukturelle Ursachen geraten bei einem solch individuellen Ansatz aber aus dem Blick", befand er.
So würden zum Beispiel die Ursachen der Benachteiligung von Frauen nicht ausreichend gewürdigt. Dies sei aber ein wesentlicher Aspekt, fügte Ingo Kolf vom Deutschen Gewerkschaftsbund an. "Denn der Niedriglohnsektor in Deutschland ist weiblich. Armut ist weiblich", betonte Kolf.
Ein weiterer Kritikpunkt ist aus Sicht der Sachverständigen die Einbeziehung von Wissenschaftlern in die Arbeit am Armuts- und Reichtumsbericht. Michael David von der Nationalen Armutskonferenz nannte die Beteiligung der Wissenschaft und von Nichtregierungsorganisationen mangelhaft. Diese hätten im Vorfeld nur sehr wenig Zeit für ihre Stellungnahmen gehabt.
Er plädierte deshalb für eine unabhängige Kommission als Verfassergremium. Dem schloss sich auch Markus Grabka (DIW) an, der die Einbindung der Wissenschaftler ebenfalls als "verbesserungswürdig" bezeichnete und sich eine unabhängige Beraterkommission als Option vorstellen konnte.
Diskutiert wurde aber auch über die geeigneten Instrumente zu Armutsvermeidung. Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg bekräftigte, dass verbesserte Jobchancen ein probates Mittel seien, Armut zu vermeiden. Denn über eine Arbeit finde gesellschaftliche Teilhabe statt, während Arbeitslosigkeit von einer solchen ausgrenze.
Die Förderung der Erwerbstätigkeit sei deshalb ein zentrales Element. Sie allein biete aber auch keine Garantie zur Armutsvermeidung. Gerade bei Geringqualifizierten reiche eine Erwerbstätigkeit oft nicht aus, sagte Walwei in Bezug auf den Niedriglohnsektor.
Für Ingo Kolf ist es ebenfalls zu einseitig, sich nur auf den Arbeitsmarkt zu konzentrieren. Er plädierte statt dessen für ein eigenständiges Armutsbekämpfungsprogramm, das ausreichend Bildungschancen über den gesamten Lebenslauf hinweg ermöglichen müsse, sowie für eine andere Verteilungspolitik.
Markus Grabka bezeichnete das Bildungswesen zwar als einen der wichtigsten Aspekte überhaupt. Es wäre aber zu kurz gegriffen, sich nur auf Bildungschancen zu konzentrieren. "Die ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung kann man durch reine Bildungspolitik nicht lösen. Dafür bedarf es steuerpolitischer Ansätze", betonte Grabka. (che/03.06.2013)