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Am 22. September 2013 wird der SPD-Abgeordnete Dr. Dieter Wiefelspütz 67 Jahre alt. An seinem Geburtstag findet die Bundestagswahl statt, aber der langjährige Parlamentarier kandidiert nicht mehr, sondern geht in den Ruhestand. Dieter Wiefelspütz war 26 Jahre Abgeordneter im Deutschen Bundestag mit vollem Engagement und mit Leidenschaft.
Der Politiker sagt zum Ende seiner Karriere: "Für mich ist es wichtig, die Tür aus der Politik allein zu finden. Ich werde sie leise öffnen und leise hinter mir schließen. Ich bin froh darüber, dass ich den Zeitpunkt des Ausstieges allein bestimme."
Bundestagsabgeordneter zu sein, sei für ihn immer die schönste Aufgabe gewesen, die er sich vorstellen konnte: "Aber ich habe darauf geachtet, die Bedeutung des herausragenden Amtes nicht mit der eigenen Bedeutung zu verwechseln. Ich gehe mit dem Gefühl und der Zufriedenheit, politisch etwas bewegt zu haben."
Dieter Wiefelspütz hat drei Berufe, und alle drei sind für ihn sehr wichtig – nur jeder zu seiner Zeit. Nach der Realschule absolvierte Dieter Wiefelspütz eine Ausbildung zum Buchhändler, denn Bücher sind seine große Leidenschaft. Auf dem zweiten Bildungsweg holte er das Abitur nach und studierte Rechtswissenschaften in Bochum.
Nach dem ersten und zweiten juristischen Staatsexamen wurde er Verwaltungsrichter. Diesen Beruf hat er als herausragend bezeichnet und mit viel Leidenschaft ausgeübt. Dieter Wiefelspütz promovierte zum Thema "Das Untersuchungsausschussgesetz". Neben seiner beruflichen, hat er auch eine beeindruckende politische Karriere vorzuweisen. 1972 trat der Jurist in die SPD ein und legte damit den Grundstein für seinen dritten Beruf als Politiker.
Der Sozialdemokrat kandidierte 1987 erstmals für den Bundestag, damals war Johannes Rau Kanzlerkandidat der SPD, deren Ziel es war, Helmut Kohl abzulösen. Die Sozialdemokraten holten damals mit 37 Prozent der Wählerstimmen zwar ein beachtliches Wahlergebnis, aber für einen sozialdemokratischen Kanzler reichte es nicht. Dieter Wiefelspütz machte deshalb seine ersten Erfahrungen als Berufspolitiker in der Opposition.
Dass der neu gewählte Bundestagsabgeordnete Potenzial besaß, erkannten die Genossen der SPD-Fraktion sehr schnell und übertrugen Dieter Wiefelspütz von Beginn an viel Verantwortung. Den Vorsitz des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hatte Wiefelspütz gleich in drei Wahlperioden inne, und auch als innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion machte sich der Verwaltungsrichter bald einen Namen über Parteigrenzen hinweg. Dieter Wiefelspütz war in anderen Fraktionen ein streitbarer, aber sehr anerkannter Kollege mit viel Fach- und Sachkenntnis.
Sieben Mal kandidierte Dieter Wiefelspütz als Direktkandidat der SPD im Wahlkreis Hamm - Unna II. Seine Wahlergebnisse lagen fast immer bei mehr als 50 Prozent, denn viele Wähler vertrauten dem bodenständigen Politiker. Das zeigte sich besonders im Wahljahr 2009. Damals verzeichnete die SPD eines der schlechtesten Wahlergebnisse ihrer Geschichte.
Dieter Wiefelspütz aber konnte mit einem Wahlergebnis von 43,9 Prozent der Erststimmen aufwarten und lag damit mehr als 20 Prozent über dem Gesamtergebnis der Sozialdemokraten. Eigentlich hatte er sich schon vor der letzten Wahl vorgenommen, nicht noch einmal zu kandidieren.
"Damals war ich allerdings erst 63 Jahre alt, und viele Genossen erinnerten mich augenzwinkernd daran, dass ich erst mit 67 Jahren in Rente gehen könne. Ich ließ mich überzeugen und kandidierte 2009 erneut. Aber schon damals nahm ich mir vor: Es wird die letzte Bundestagswahl für mich sein", erzählt der Abgeordnete.
Dieter Wiefelspütz ist ein Mensch mit Grundsätzen, der einmal gefasste Entschlüsse nicht nach Belieben ändert. Deshalb arbeitete er bereits seit 2010 an seinem Ausstieg aus der Politik. Warum schon so früh? Diese Frage beantwortet der Politiker ohne zu zögern: "Ich wollte, dass ausreichend Zeit bleibt, einen geeigneten und glaubwürdigen Nachfolger für den Wahlkreis zu finden, denn das war mir ein großes Anliegen."
Offensichtlich klappt das, denn mit dem Diplom-Ingenieur für Chemie Michael Thews (49) tritt nun der Wunschkandidat von Dieter Wiefelspütz zur Bundestagswahl im September an. "Ich habe mich sehr gefreut, dass die Partei ihn ausgewählt hat, denn ich halte ihn für einen exzellenten Politiker mit großem Potenzial", erzählt Wiefelspütz.
In den Bundestagwahlkampf seines Nachfolgers will sich der Politikprofi nicht einmischen. "Michael Thews bekommt von mir alle Unterstützung, wenn er es möchte. Aber er muss im Wahlkampf sein eigenes Profil schärfen und die Menschen überzeugen, der richtige Kandidat zu sein", sagt Wiefelspütz.
Im Rückblick auf sein langes politisches Leben gab es für Dieter Wiefelspütz zwei Ereignisse, die für ihn die Wichtigsten der letzten Jahrzehnte waren: der Fall der Mauer und die deutsche Einheit. "Alle anderen Ereignisse ordnen sich in meiner Bewertung diesen herausragenden Geschehnissen unter.
Dass die Deutschen eine zweite Chance bekommen haben, ist ein unglaubliches Glück. Dass ich als Politiker im Deutschen Bundestag in Berlin arbeiten darf, an einem Ort, der satt ist von Geschichte – dieser Verantwortung bin ich mir immer bewusst gewesen", sagt Wiefelspütz.
Als eine seiner größten Fehlentscheidungen bezeichnet er heute, dass er 1991 im Bundestag in Bonn gegen Berlin als Hauptstadt votierte. "Ich gebe zu, dass ich mich damals geirrt habe, und aus der Distanz betrachtet kommt es mir merkwürdig vor, welche Fehlentscheidung ich getroffen hatte. Sicher habe ich im Laufe der Jahre auch Fehler gemacht, so etwas kommt nicht nur in der Politik vor. Wichtig ist aber, die Größe zu haben, Fehler zuzugeben, wenn man sie erkennt", resümiert Dieter Wiefelspütz.
Nach der Bundestagswahl wird Dieter Wiefelspütz wie seit 26 Jahren in seinem Abgeordnetenbüro seine Arbeit als Parlamentarier ausüben. Denn erst nach der ersten konstituierenden Sitzung, spätestens 30 Tage nach der Wahl, ist seine Arbeit als Bundestagsabgeordneter beendet. Dann ist Dieter Wiefelspütz im Ruhestand und kann als Privatmann endlich allein über seinen Terminkalender verfügen.
"Was mir in all den Jahren immer ein wenig zu schaffen gemacht hat und was für mich die Schattenseite eines Berufspolitikers darstellt, war die Trennung von meiner Familie. Das wird sich jetzt ändern. Meine Frau und ich haben einen zweiten Hund angeschafft und ein kleines, einsam gelegenes Häuschen in der Lüneburger Heide gekauft. Dort werden wir die eine Hälfte des Jahres einsam verbringen, und die andere Hälfte wohnen wir in unserer Heimatstadt Lünen. Darauf freue ich mich sehr." (bsl/29.05.2013)