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Nach knapp halbstündiger Aussprache hat der Bundestag am Freitag, 7. Juni 2013, einen Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt, die Tagesordnung um die halbstündige erste Beratung eines Gesetzentwurfs zur Einführung des Ehegattensplittings für eingetragene Lebenspartnerschafen zu erweitern. Die Koalitionsfraktionen stimmten nach der Geschäftsordnungsdebatte gegen, die Opposition geschlossen für den Antrag, der damit abgelehnt war.
Hintergrund dieser kurzfristig anberaumten Debatte war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2013 (Aktenzeichen: 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07), das die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und ehem beim Ehegattensplitting im Einkommensteuerrecht für verfassungswidrig erklärt hatte.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, betonte, es gebe keinen vernünftigen Grund, eingetragene Lebenspartnerschaften steuerlich zu diskriminieren, nur weil beide Partner das gleiche Geschlecht hätten. Wenn der Gesetzentwurf noch am 7. Juni an die Ausschüsse überwiesen werde, könnte der verfassungswidrige Zustand bereits am 14. Juni mit der zweiten und dritten Lesung beendet werden.
"Sie haben sich jahrelang taub gestellt, jetzt stellen Sie sich auch noch stur", hielt Oppermann der Union vor, die den Anschluss an die Gesellschaft von heute verloren habe. 75 Prozent der Deutschen seien für die Gleichstellung von Ehen und Lebenspartnerschaften. Die Zustimmung der Koalition wäre der "erste Schritt aus der "homophoben Parallelgesellschaft", sagte Oppermann: "Sie wollen nicht wahrhaben, dass das Recht in Deutschland sich weiterentwickelt hat."
"Die Union braucht keine Belehrungen", hielt Michael Grosse-Brömer, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU, Oppermann entgegen. Dieses Urteil nutze der Opposition nichts, weil sie doch das Ehegattensplitting abschaffen wolle. Das Ehegattensplitting besagt, dass bei der steuerlichen Veranlagung von Ehepaaren die Einkommen beider Partner addiert werden und die Hälfte davon der Besteuerung zugrunde gelegt wird. Dies hat den Effekt, dass der steuerliche Vorteil umso höher ist, je größer die Differenz der beiden einzelnen Einkommen ist. Am stärksten wirkt sich das Splitting bei der sogenannten Hausfrauenehe aus.
"Ehe und Familie bilden das Fundament dieser Gesellschaft", unterstrich Grosse-Brömer, daran werde dieses Urteil nichts ändern. Allerdings werde die Koalition das Urteil umsetzen. "Kommen Sie runter von Ihrem moralischen Hochsitz", rief der Geschäftsführer der Opposition zu.
Dr. Barbara Höll (Die Linke) warf der Koalition "billige Taktiererei" vor, weil sie gesagt habe, das Karlsruher Urteil abwarten zu wollen: "Es geht nicht an, dass wir Politik auf diese Art und Weise machen." Mit Blick auf die Unionsfraktion sagte sie, diese habe die "Homophobie in der Gesellschaft befördert". Das Parlament könne auch die Rückwirkung beschließen, denn der Zweite Senat hatte festgelegt, dass die Rechtslage rückwirkend ab Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes zum 1. August 2001 geändert werden müsse.
Die Union breche einen ideologischen Kampf vom Zaun, sagte die Finanzexpertin weiter. Man müsse dem Gericht dankbar sein, dass es für Klarheit gesorgt habe. Allerdings stehe das Ehegattensplitting zur Disposition. Man müsse überlegen, ob es noch zeitgemäß ist.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jörg van Essen, bemängelte, dass diese Geschäftsordnungsdebatte für eine allgemeine politische Debatte missbraucht werde. Die FDP-Fraktion freue sich über das Urteil. Wer gleiche Pflichten übernehme, solle gleiche Rechte haben. Man sei gut beraten, das Urteil einschließlich der Rückwirkung eins zu eins umzusetzen
Van Essen kündigte an, die Koalition werde einen eigenen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen. Man wolle die erste Lesung in der kommenden Woche und die abschließende Beratung Ende Juni in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause.
"Gestern war ein großer Tag für Schwule und Lesben, ein großer Tag für die Gleichberechtigung, ein großer Tag für die Verfassung", freute sich Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen. Gleiche Rechte und Pflichten sei fair und gelte für das Steuer- wie für das Adoptionsrecht. "Sie haben das Jahressteuergesetz 2013 in die Luftgesprengt, nur damit man Schwule und Lesben weiter diskriminieren darf", erinnerte Beck an die Abstimmung über das Ergebnis des Vermittlungsausschusses zu diesem Gesetz Anfang des Jahres.
"Sie sind notorische Verfassungsbrecher", schleuderte er der Koalition entgegen. Sechs Mal habe das Verfassungsgericht dies bereits bescheinigt. Der Bundestag müsse die Gleichstellung noch in dieser Wahlperiode vollkommen umsetzen. "Die Gesetzentwürfe von Rot und Grün liegen vor, blockieren Sie nicht länger!" Beck rief dazu auf, die "verfassungswidrige Diskriminierung von Lesben und Schwulen als Bürger zweiter Klasse" zu beendigen. Es gehe darum, dass diese nach jahrhundertelanger Verfolgung gleichberechtigt leben könnten. (vom/07.06.2013)