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Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen, MdB, stellt eine Frage im Plenum. © DBT/Werner Schuering
Ausfuhrgenehmigung für Pfefferspray in die Türkei, Gastgeschenke für afghanische Warlords, Evaluation der familienpolitischen Leistungen– nur drei von vielen unterschiedlichen Themen, zu denen die Abgeordneten insgesamt 71 Fragen für die Fragestunde des Bundestages (17/14063) am Mittwoch, 26. Juni 2013, ab 13.35 Uhr eingereicht haben. Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied unter anderem im Auswärtigen Ausschuss und im Parlamentarischen Kontrollgremium, will dann von der Bundesregierung wissen, wie sie auf die durch die Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowdenbekannt gewordene Datenspionage des amerikanischen Geheimdienstes NSA reagieren und die Grundrechte deutscher Staatsbürger künftig schützen will. Warum dies ihre "Pflicht" ist, erklärt der Abgeordnete aus Berlin-Kreuzberg im Interview:
Herr Ströbele, der Datenskandal nimmt immer größere Ausmaße an. Bekannt ist inzwischen nicht nur das US-Spionageprogramm "Prism", sondern auch "Tempora", mit dem der britische Geheimdienst offenbar ungeheure Datenmengen aus Deutschland abfängt. Sie wollen in der Fragestunde erfahren, ob die Bundesregierung ausschließen kann, dass auch Telefon- oder Internetdaten deutscher Bürger und Firmen heimlich gespeichert wurden. Ist das eigentlich noch die Frage?
Nein, dass das Fall ist, hat er Herr Snowden aufgedeckt. Die Frage ist aber, in welchem Umfang. Waren es einige wenige Telefonate und E-Mails? Oder waren es Daten von Zehntausenden oder gar Millionen deutschen Staatsbürgern? Letzteres steht inzwischen zu befürchten. Nicht klar ist auch, um was für Daten es sich handelt. Sind es Verbindungsdaten oder auch Inhalte von Telefonaten und Mails, die ausgespäht wurden?
Sie haben von der Bundesregierung Aufklärung verlangt. Bei seinem Berlin-Besuch soll die Kanzlerin mit Präsident Obama gesprochen haben. Der Innenminister hat zudem einen 16-Punkte-Fragenkatalog an die amerikanische Regierung übermittelt. Reicht das?
Zunächst einmal: Die Bundesregierung und insbesondere der Innenminister reden über etwas, von dem sie angeblich gar nichts wissen. Sie betonen immer wieder, sie hätten keinerlei Informationen – sagen aber gleichzeitig, sie glaubten dem US-Präsidenten, dass alles nach Gesetz und Recht gegangen ist. Wir wollen jetzt von den USA ganz genau wissen, was passiert ist. Ich bin allerdings skeptisch: In der Vergangenheit wurden solche Fragen entweder gar nicht beantwortet oder nur mit dem Hinweis, dass die Fragen Geheimdienstsachen betreffen, die nicht weitergegeben werden dürfen. Ich möchte von der Bundeskanzlerin erfahren, ob sie Obama wirklich auch nach konkreten Einzelheiten gefragt hat – oder ob sie sich damit hat beruhigen lassen, dass er ihr versichert hat, man habe sich an Recht und Gesetz gehalten.
Tatsächlich soll nicht einmal der Bundesnachrichtendienst von den Abhöraktionen gewusst haben. Ist das glaubhaft? Oder toleriert die Bundesregierung die Datensammelwut, weil sie auf Informationen zur Terrorbekämpfung angewiesen ist?
Nach meiner Kenntnis wird bei der Übermittlung von Daten von befreundeten Geheimdiensten der Urheber – oder besser: das Urheberprogramm – nicht genannt. Ich gehe davon aus, dass man die Daten genommen und sich gar nicht darum geschert hat, woher sie stammten und wie sie erhoben wurden. Aber es kann ja nicht einfach sein, dass man sich über den Umweg des Auslands Daten beschafft und verwendet – was man in Deutschland so gar nicht dürfte, da es gegen das Grundgesetz verstößt.
Man war also dankbar für die Daten und hat sich bewusst nicht um deren Herkunft gekümmert?
Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß – sagt man gern. Aber so darf man nicht verfahren, wenn es sich um Persönlichkeitsdaten von Bürgern und – wohlbemerkt – Firmen in Deutschland handelt. Dass Firmendaten ausgespäht wurden, hat Snowden ja auch berichtet. Natürlich fragt man sich, was das mit dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu tun haben soll.
Sie fragen, was die Bundesregierung tun will, um deutsche Bürger vor weiteren Ausspähungen zu schützen. Was erwarten Sie konkret?
Was zu tun ist, lässt sich letztlich erst entscheiden, wenn klar ist, was gelaufen ist – und wie genau. Aber schon jetzt könnte die Bundesregierung mit der Parlamentsmehrheit gesetzgeberisch dafür sorgen, dass in Deutschland solche Daten, die unter Verletzung der Grundrechte von deutschen Staatsbürgern erlangt und gespeichert worden sind, nicht genutzt werden. Das lässt sich verbieten. Zudem erwarte ich, dass die Bundesregierung international und vor allem auch in der Europäischen Union tätig wird, um für die Zukunft auszuschließen, dass so etwas wieder passiert.
Sie haben bereits von "eklatanten Grundrechtsverletzungen" gesprochen. Müssen diese nicht geahndet werden?
Wenn das der Fall ist, dann müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Einhaltung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung vom Bundesverfassungsgericht immer wieder eingefordert worden ist. Die Bundesregierung deshalb die Pflicht, uns Bürger in Schutz zu nehmen und zu garantieren, dass so etwas nicht geschieht.
(sas/25.06.2013)