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Während einer Aktuellen Stunde am Donnerstag, 27. Juni 2013, übte die Opposition heftige Kritik an dem von der CDU/CSU vorgelegten Wahlprogramm. Die darin enthaltenen "Wahlversprechen" in einem finanziellen Umfang von 50 Milliarden Euro seien nicht gegenfinanziert, kritisierte Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke). Kerstin Andreae (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von substanzlosen Versprechen, mit denen die Politikverdrossenheit gefördert werde. Den Vorwurf, die Union wolle die Rentenkassen plündern, erhob der Fraktionsvorsitzende der SPD, Dr. Frank-Walter Steinmeier.
Über das Wahlprogramm habe man "intensiv" diskutiert und sich "für Haushaltskonsolidierung und gegen Steuererhöhungen" ausgesprochen, sagte Hermann Gröhe (CDU/CSU). Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), betonte, man habe Maß gehalten und könne sich nun auch etwas leisten.
Aus Sicht von Dr. Florian Toncar (FDP) ist das Wahlprogramm "eine gute Grundlage für die Fortsetzung der Regierungskoalition", auch wenn er eine klare Absage an Steuererhöhungen vermisse.
Insbesondere die Begründung, warum es für eine Mütterrente nun doch reichen solle, sei unglaublich, sagte Frank-Walter Steinmeier. "Ich fasse es nicht, dass sie tatsächlich von Reserven in der Rentenkasse sprechen", sagte er. Schon zum Ende der schwarz-gelben Regierung 1998 sei genauso gedacht und gehandelt worden. Mit der Folge: "Als Sie abtraten, waren die Rentenkassen leer." Nun werde wieder geplant, die Rentenkasse zu plündern. "Das werden wir aber nicht zulassen", kündigte Steinmeier an.
Die Krone werde dem Ganzen aber dadurch aufgesetzt, dass selbst in der Union nicht davon ausgegangen wird, "dass aus diesem famosen Programm jemals Politik wird". Mit entwaffnender Offenheit habe etwa der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, gesagt, es handle sich um Wahlversprechen, die am 23. September wieder kassiert würden. Dass Lauk Recht behalten werde zeige schon ein Blick auf den Haushaltsentwurf für 2014, in dem "keine einzige dieser Maßnahmen auftaucht".
Die Mütterrente sei seiner Partei wichtig, betonte Hermann Gröhe, Generalsekretär der CDU. "Das ist bei uns eine Gerechtigkeitsfrage und nicht wie bei ihnen pure Taktik", sagte er an die SPD gewandt. Dort sage Andrea Nahles ja und Peer Steinbrück gleichzeitig nein. Die Koalition habe viel erreicht, doch bleibe auch noch viel zu tun, fuhr Gröhe fort.
So habe man derzeit weniger als drei Millionen Arbeitslose, während es unter Rot-Grün mehr als fünf Millionen gewesen seien. "Aber wir wollen Richtung Vollbeschäftigung gehen", betonte Gröhe. Zugleich machte er deutlich, dass die Union Steuererhöhungen ablehne. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso die Opposition nach Steuererhöhungen rufe, wenn die Steuerschätzungen von einem Plus von 230 Milliarden Euro für Bund und Länder ausgingen.
"Das Programm ist ein einziges Märchen", befand Dietmar Bartsch. Wenn es die Union ernst damit meine, stelle sich die Frage, warum in den vergangenen vier Jahren nichts davon umgesetzt worden sei. "Was Sie hier machen ist Wahlbetrug mit Ansage", urteilte der Linkenabgeordnete.
Wenn die Koalition immer wieder auf die gewachsene Beschäftigung hinweise, könne er nur sagen: "Es gibt lediglich ein Mehr an Beschäftigung im prekären und im Niedriglohnbereich." Ein Beschäftigungswunder im positiven Sinne sei dies nicht. Bartsch warf der Union vor, schon in der laufenden Wahlperiode Versprechen gebrochen zu haben. So unter anderen, als eine Angleichung der Ost-Renten an die West-Renten angekündigt war. Passiert sei aber nichts.
Wenn die SPD vor Wahlbetrug warne, sei dies durchaus bemerkenswert, fand Florian Toncar. Es seien schließlich die Sozialdemokraten gewesen, die entgegen ihres Versprechens vor der Wahl in der Großen Koalition die Erhöhung der Mehrwertsteuer mitgetragen haben.
Daher sei klar: "Nur mit der FDP gibt es keine Steuererhöhungen." Seine Partei verzichte im Wahlprogramm ganz bewusst auf Versprechen, die nicht haltbar sind. Was die Rente angeht, so gab Toncar zu bedenken, dass jeder der ins Rentensystem eingreife, auch sagen müsse, wie das über die Jahre finanziert werden soll.
Die Union verspiele mit ihren substanzlosen Versprechen weiteres Vertrauen, kritisierte Kerstin Andreae. Schon 2009 seien viele Versprechen nicht eingehalten worden. So gebe es nach wie vor keine Steuerreform, trotz vollmundiger Ankündigungen. Besonders dreist sei es, nicht umgesetzte Forderungen aus dem alten Programm einfach wieder in das aktuelle aufzunehmen, wie bei der steuerlichen Forschungsförderung geschehen.
"Fassungslos macht mich aber die Mütterrente", sagte Andreae. Sieben Milliarden Euro jährlich verspreche man damit. Und gleichzeitig würden auch noch Senkungen der Beiträge für die Rentenversicherung gesprochen. "Sie haben eine Verdummung der Menschen vor", warf die Grünenabgeordnete der Union vor.
Finanzstaatssekretär Kampeter verwies auf den Haushaltsplan für 2014 der einen strukturellen Ausgleich vorsehe. Gleichzeitig sei es gelungen, "Schwerpunkte zu setzen". Dabei profitiere man auch von einer geringeren Zinslast, die wiederum Folge der erfolgreichen Konsolidierung sei, betonte der Staatssekretär. (hau/27. 06.2013)