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Verteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) sieht keinen Grund, wegen des gescheiterten Rüstungsprojektes "Euro Hawk" zurückzutreten. Dies machte er am Mittwoch, 31. Juli 2013, auf eine entsprechende Frage des SPD-Abgeordneten Rainer Arnold im Euro-Hawk-Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Dr. Susanne Kastner (SPD) deutlich. Auf die Frage, ob er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seinen Rücktritt angeboten habe, verweigerte de Maizière jedoch die Auskunft. Arnold bezichtigte den Minister in der Sitzung der wiederholten Lüge. De Maizière sei auch schon vor dem 13. Mai dieses Jahres von seinem Ministerium informiert worden, dass das Zulassungsproblem der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" nicht lösbar ist.
Die Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen konfrontierten de Maizière in der Sitzung immer wieder mit Informationsunterlagen, die er aus seinem Haus erhalten habe und in denen die massiven Probleme bei der Zulassung des "Euro Hawk" angesprochen worden seien. De Maizière wies den Vorwurf der Lüge als "Unterstellung" zurück und blieb bei seiner Darstellung.
Ja, er habe auch schriftliche Informationen erhalten, in denen die Zulassungsprobleme thematisiert worden seien. Aber immer sei dies mit dem Hinweis versehen worden, dass sein Ministerium an einer Lösung arbeite, argumentierte de Maizière. Er machte zudem deutlich, dass er ständig umfangreiche Akten und Informationen erhalte.
Es könne jedoch nicht angehen, dass seine Mitarbeiter wichtige Informationen dieser Art lediglich auf diesem Weg kommentarlos an ihn weitergeben würden in der Hoffnung, er werde diese dann umfänglich lesen und sich des Problems annehmen. Dafür bleibe nicht immer die nötige Zeit. Ein Minister bekomme meist eher zu viele statt zu wenige Informationen, sagte de Maizière.
Der Verteidigungsminister räumte allerdings auch Fehler ein. So gestand er zu, dass er, nachträglich betrachtet, schon früher hätte nachfragen müssen nach den konkreten Problemen mit dem "Euro Hawk". Daraus lasse sich jedoch keine prinzipielle "Holschuld" des Ministers bezüglich der Informationen ableiten. Er sei darauf angewiesen, frühzeitig in wichtige Vorgänge eingebunden zu werden.
In diesem Zusammenhang erneuerte de Maizière auch seine Kritik an dem Rüstungsstaatssekretär Stéphane Beemelmans. Zugleich hob er jedoch hervor, dass Beemelmans im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr "herausragende Verdienste" errungen habe.
Der Minister kündigte an, dass er sich zukünftig in regelmäßig Abständen über die konkreten Fortschritte und Probleme bei den wichtigsten Rüstungsprojekten informieren lassen wird. Diese Sachstandberichte würden dann auch an den Verteidigungs- und Haushaltsausschuss weitergeleitet.
De Maizière blieb bei seiner Darstellung, von den nicht lösbaren Problemen bei der geplanten Serienbeschaffung des "Euro Hawk" erst im Mai 2013 erfahren zu haben. Zwar habe er schon im März 2012 von den Schwierigkeiten mit der Musterzulassung gehört, diese seien aber von seinen Mitarbeitern "als lösbar dargestellt" worden.
Er widersprach widersprach dem Eindruck, über das Projekt "Euro Hawk" nur lückenhaft informiert worden zu sein und sagte: "Über lösbare Probleme war ich durchaus unterrichtet."
Mit der "erhärteten Kostenschätzung" für die Musterzulassung der Drohne im Umfang bis zu 600 Millionen Euro habe sich im Mai 2013 gezeigt, dass die Probleme nicht mehr in vertretbarer Weise lösbar seien. Er habe sich deshalb der Entscheidung seiner Staatssekretäre und des Generalinspekteurs angeschlossen, die Serie nicht zu beschaffen, sondern nur noch den Prototypen mit der Aufklärungstechnik "Isis" zu Ende zu testen. Diese Entscheidung sei auch nicht zu spät gekommen, denn zunächst müssten alle vertretbaren Möglichkeiten ausgeschöpft werden, bevor ein solches Entwicklungsprojekt gestoppt werde.
Der Minister betonte, durch die Entscheidung gegen die Serienbeschaffung sei kein zusätzlicher Schaden entstanden, sondern Schaden verhindert worden. So seien bereits 2011 rund 565 Millionen Euro oder 85 Prozent der für das Projekt verfügbaren Mittel ausgegeben oder gebunden gewesen.
Zudem seien die Mittel für das Signalaufklärungssystem "Isis" sinnvoll investiert, weil dieses – nach Ablauf der Tests im September – künftig genutzt werden solle. Der technische Erkenntnisgewinn im Gesamtprojekt sei überdies "hoch", wenn auch nicht zu beziffern.
De Maizière räumte ein, dass die potenziellen Schwierigkeiten beim Projekt "Euro Hawk" von Anfang an, also lange vor seiner Amtszeit, bekannt waren, aber "unterschätzt und nicht angemessen bearbeitet" wurden. Die sich abzeichnenden Probleme etwa mit der Musterzulassung hätten von Beginn an "ernster genommen" werden müssen.
Der Minister sprach in dem Zusammenhang von einem "Geburtsfehler" oder "genetischen Fehler". Auch die Leitungsebene seines Hauses hätte über bestimmte Schwierigkeiten früher informiert und "in maßgebliche Entscheidungen eingebunden" werden müssen.
Er habe deswegen eine Reform der Beschaffung in die Wege geleitet mit dem Ziel, Zuständigkeiten klarer zu definieren und Transparenz herzustellen. Zudem werde ein neues Projekt-Controlling eingeführt. Mit dem neuen Verfahren seien Probleme wie jetzt mit dem "Euro Hawk" aus seiner Sicht nicht mehr zu erwarten. "Wir haben also für die Zukunft bereits gehandelt."
Der Minister machte noch einmal deutlich, dass die Entscheidung für den "Euro Hawk" grundsätzlich richtig war. Es gebe eine Fähigkeitslücke bei der militärischen Aufklärung, die geschlossen werden müsse, auch zum Schutz der Soldaten im Einsatz. Daher würden derzeit Alternativen für den Träger "Euro Hawk" gesucht.
Die damalige Entscheidung, eine unbemannte Aufklärungsdrohne zu entwickeln, sei riskant gewesen, stehe aber zugleich für den Anspruch, einen "technologischen Modernisierungsschub" zu erreichen. "Man wollte den ganz großen Wurf wagen." Der Minister räumte ein: "Wir waren zu optimistisch." Die schwierige Entwicklung hätte vorhergesehen werden können oder müssen.
Bereits am Dienstag, 30. Juli, hatte Generalinspekteur Volker Wieker vor dem Ausschuss die Einsatz- und Bündnisfähigkeit der Bundeswehr durch den Abbruch des "Euro Hawk"-Projekts als beeinträchtigt bezeichnet.
Ein signalerfassendes Aufklärungssystem, das in Echtzeit arbeite und Daten übertrage, sei dringend nötig, um Luftabwehrwaffen wirkungsvoll bekämpfen zu können.
Wieker betonte, dass "so schnell wie möglich" ein Ersatz für den "Euro Hawk" beschafft werden müsse. Seit der Ausmusterung der Aufklärungsflugzeuge "Breguet Atlantic" im Jahr 2010 habe die Bundeswehr hier eine "Fähigkeitslücke".
Wieker bestätigte dem Ausschuss, dass ihm bis Ende dieses Jahres Vorschläge unterbreitet werden sollen, in welches bemannte oder unbemannte Flugzeug das deutsche Aufklärungssystem "Isis" integriert werden kann. Wieker bezeichnete diese Zeitplanung allerdings als "optimistisch".
Die Fähigkeiten der unbemannten Drohne "Euro Hawk" seien hinsichtlich der Flughöhe von mindestens 15 Kilometern und einer 24-stündigen Flugdauer über dem Einsatzgebiet kaum zu ersetzen. Es müsse jetzt erst ein neues Anforderungsprofil für ein solches System erstellt werden. Deshalb könne er keine seriösen Angaben über die zu erwartenden Kosten machen, sagte Wieker. Auch einen realistischen Zeitrahmen, bis wann ein solches Aufklärungssystem zum Einsatz gebracht werden kann, wollte Wieker nicht benennen.
Der Generalinspekteur verteidigte zugleich die Entscheidung, den "Euro Hawk" nicht zu beschaffen. Dies sei angesichts der Zulassungsprobleme und der Kostenexplosion nicht zu verantworten gewesen. Zugleich stellte Wieker klar, dass er mit Verteidigungsminister de Maizière vor der Entscheidung im Mai 2013 über die Nichtbeschaffung des "Euro Hawk" nicht über die Zulassungsproblematik gesprochen habe.
Die "fehlende Beherrschbarkeit des Musterzulassungsprozesses" beim "Euro Hawk" ist nach Aussage von Verteidigungs-Staatssekretär Rüdiger Wolf erstmals Anfang 2012 deutlich geworden. Im Februar 2012 sei er von der Schätzung "überrascht" worden, dass die die geplante Musterzulassung der Drohnen-Serie nach deutschem Recht bis zu 600 Millionen Euro zusätzlich kosten könnte, sagte der für Haushaltsfragen zuständige Staatssekretär im Untersuchungsausschuss.
Wolf sprach mit Blick auf den Februar 2012 von einer "neuen Weichenstellung", weil es nach Einschätzung der Fachleute auch bei einem Einsatz von zusätzlich bis zu 600 Millionen Euro keine Garantie für eine Zulassung gegeben hätte.
Wegen der offensichtlich "unlösbaren" Probleme mit der Musterzulassung habe er schließlich dafür plädiert, die Serie nicht zu beschaffen. Wolf fügte hinzu, die Risiken seien lange Zeit als beherrschbar angesehen worden. "Es gab Warnhinweise, aber nicht rot, sondern allenfalls gelb."
Mit dem Generalinspekteur sei dann erörtert worden, ob es sinnvoll wäre, den fertigen Prototypen des "Euro Hawk" auf der Basis einer vorläufigen Verkehrszulassung weitere vier Jahre zu testen. Dies hätte pro Jahr und 52 Millionen Euro gekostet. Der General habe sich dagegen entschieden und er sei dieser Auffassung gefolgt, sagte Wolf, weil die Kosten-Nutzen-Relation nicht gestimmt habe.
Es sei dann die Weisung ergangen, bis Ende 2013 nach Alternativen für das Trägersystem zu suchen, wobei das von der Firma Cassidian entwickelte Signalaufklärungssystem "Isis" weiter mit Priorität behandelt und genutzt werden solle. Laut Wolf ist noch nicht klar, auf welchen Träger es hinausläuft, ob bemannt oder unbemannt.
Denkbar wäre, dass aus Kostengründen auf eine bereits bestehende bemannte Plattform zurückgegriffen werde. Konkrete Überlegungen nannte er nicht: "Als Haushälter warte ich auf die Fakten." Er gehe aber davon aus, dass die freien Planmittel für das Ursprungsprojekt in Höhe von 675 Millionen Euro genutzt würden für ein alternatives Trägersystem, um die bestehende Fähigkeitslücke bei der Aufklärung zu schließen. Möglichkeiten für Umschichtungen im Haushalt sehe er nicht.
Wolf nahm seinen Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) gegen Anschuldigungen in Schutz, dieser hätte früher von den schwer lösbaren Problemen beim "Euro Hawk" wissen müssen. Der Minister werde immer dann einbezogen, wenn seine Entscheidung zwingend erforderlich sei. Dies sei nicht in jeder Phase des Euro-Hawk-Projekts automatisch gegeben.
Auf die Frage, ob er selbst Fehler gemacht habe, antwortete Wolf: "Ich erkenne keine Fehler." Er würde mit Blick auf die Entwicklung des "Euro Hawk" auch nicht grundsätzlich von einem fehlerhaften Verfahren sprechen.
Zuvor hatte Staatssekretär Stéphane Beemelmans die Verantwortung für Defizite bei der Information von Verteidigungsminister Thomas de Maizière übernommen. "Die Verantwortung dafür trage ausschließlich ich", sagte Beemelmans vor dem Ausschuss.
Er bestätigte, dass er de Maizière erstmals am 13. Mai 2013 über "unlösbare Probleme" bei dem Projekt informiert habe.
Die zu erwartenden Mehrkosten von rund 600 Millionen Euro für die angestrebte, aber nicht sichere Musterzulassung des "Euro Hawk" hätten in keinem Verhältnis mehr gestanden. Auf dieser Grundlage sei dann entschieden worden, die Aufklärungsdrohnen nicht für die Bundeswehr zu beschaffen.
Er sehe bezüglich der Informationen über den "Euro Hawk" auch im Rückblick keine "Holschuld" des Ministers, so Beemelmans. "Ich habe ihn so informiert, wie ich es für nötig hielt", sagte der Staatssekretär vor dem Ausschuss. Dies entspreche dem Prinzip, dass die Staatssekretäre ihren Bereich im Ministerium eigenverantwortlich leiten.
Beemelmans ist seit dem 16. März 2011 als Staatssekretär für den Bereich Rüstung zuständig. Er habe erst später zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich der Minister nicht ausreichend über das "Euro Hawk"-Projekt informiert fühlte, gestand Beemelmans ein. De Maizière hatte Anfang Juni öffentlich beklagt, er sei durch sein Haus unzureichend eingebunden gewesen und hatte sich deshalb personelle Konsequenzen vorbehalten.
Auf die Frage des SPD-Abgeordneten Rainer Arnold, ob er dem Minister deswegen seine Entlassung angeboten habe, wollte Beemelmans nicht antworten. Beemelmans gilt als enger Vertrauter von Minister de Maizière, mit dem er bereits seit 14 Jahren in verschiedenen Funktionen zusammenarbeitet: in der sächsischen Landesregierung, im Bundeskanzleramt und im Innenministerium.
Auf die Einlassung von Arnold, dass man nach so vielen Jahren der Zusammenarbeit doch eigentlich ein Gespür dafür haben müsse, wie und über was de Maizière informiert werden möchte, ging Beemelmans nicht ein. Er wiederholte lediglich, dass er den Minister gemäß seiner Dienstauffassung informiert habe. Dies gelte auch für die E-Mail, in der ihn der Abteilungsleiter Rüstung, Detlef Selhausen, am 19. Januar 2012 vor einer "dramatischen Kostenexplosion" im Zulassungsverfahren gewarnt habe.
Diese Angaben seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend geprüft gewesen. Nachdem diese Kosten abgeschätzt worden seien, seien zunächst alternative Zulassungsmöglichkeiten geprüft worden. Bis Ende 2012 sei man davon ausgegangen, die Probleme doch noch in den Griff zu bekommen. Es mache keinen Sinn, einen Minister über jedes Problem zu informieren, wenn noch nicht alle Lösungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien, argumentierte Beemelmans.
Der Staatssekretär führte vor dem Ausschuss aus, dass das Projekt "Euro Hawk" von Anfang an mit erheblichen technischen, finanziellen und zulassungstechnischen Risiken belastet gewesen sei. Deswegen sei im Jahr 2007 zunächst ein Entwicklungsvertrag über die Lieferung eines Prototypen, eines sogenannten "Full Scale Demonstrator", sowie die Entwicklung und Integration des Aufklärungssystems "Isis" mit der Euro Hawk GmbH abgeschlossen worden.
Die amerikanische Firma Northrop Grumman habe hierfür einen unbemannten Flugkörper vom Typ "Global Hawk, Block 20" geliefert, in den die von der Firma EADS Cassidian entwickelte Aufklärungssensorik "Isis" integriert wurde. Erst im Erfolgsfall und nach Abschluss aller Tests und der Zulassung hätten vier weitere Aufklärungsdrohnen bestellt werden sollen.
Beemelmans erläuterte, dass bis Ende des Jahres nun die Integration des "Isis" in einen anderen bemannten oder unbemannten Flugkörper geprüft werde, um die "Fähigkeitslücke" der Bundeswehr im Bereich der luftgestützten Signalaufklärung zu schließen. Für ein solches System seien jene 675 Millionen Euro eingeplant, die durch die Beendigung des Rüstungsprojektes nicht ausgegeben worden seien.
Beemelmans führte zudem aus, dass eine Beschaffung von vier Drohnen weitere Mehrkosten von rund einer Milliarde verursacht hätten. Das Trägersystem "Global Hawk, Block 20" werde in den USA zukünftig nicht mehr genutzt und Deutschland wäre dann weltweit der einzige Nutzer, für den Ersatzteile und Wartung bereitgestellt werden müssten. Auch dieser Umstand hätte zum Abbruch des Rüstungsvorhabens geführt.
Beemelmans bestätigte auf Fragen des Abgeordneten Jan van Aken (Die Linke), dass der USA-Nachrichtendienst NSA die Verschlüsselungstechnik für die Aufklärungssensorik "Isis" geliefert habe. Dies sei aber nicht als Widerspruch zu dem Ziel, ein Aufklärungssystem "nur für deutsche Augen" zu entwickeln, angesehen worden.
Beemelmans wies zudem den Verdacht zurück, der Prototyp des "Euro Hawk" werde bei seinen noch verbleibenden Testflügen im September dieses Jahres bei der Erprobung von "Isis" den allgemeinen Mobilfunk abhören.
Am Montag, 29. Juli, hatte Staatssekretär Werner Gatzer vom Bundesfinanzministerium eine Verantwortung seines Hauses für kostspielige Verträge, die vom Verteidigungsministerium geschlossen werden wie im Fall des Drohnen-Projekts "Euro Hawk", zurückgewiesen.
Das Finanzministerium sei "nicht der Oberbuchhalter der Ministerien". Vielmehr gelte die "Ressorthoheit".
Verträge würden auch nicht detailliert überprüft, sondern nur auf bestimmte Auffälligkeiten hin, etwa wenn auf Vertragsstrafen verzichtet werde. Die Verträge seien nicht selten mehrere Tausend Seiten stark und hätten eine Vorlaufzeit von mehreren Jahren.
Sein Haus prüfe die Vorlagen dann oft innerhalb einer Zeitspanne von sieben bis zehn Tagen nach Plausibilitätskriterien. Die Vertragsgestaltung werde jedoch letztlich von den Ressorts in eigener Verantwortung übernommen.
Die Zulassungsproblematik bei dem Drohnen-Projekt sei im Finanzministerium lange nicht bekannt gewesen, sagte Gatzer. 2009 habe es eine Nachfrage gegeben wegen der Kosten für die angestrebte Musterzulassung der Serie.
In der Antwort des Wehrressorts sei von rund neun Millionen Euro als ungefährer "Schätzgröße" die Rede gewesen. Sein Haus habe aufgrund des demzufolge offenbar "beherrschbaren Risikos" keinen Anlass gesehen, das Projekt neu zu bewerten, sagte der Staatssekretär.
Der im Verteidigungsministerium für Haushalt und Controlling zuständige Ministerialdirektor Paul Jansen sagte als Zeuge im Ausschuss, das Projekt "Euro Hawk" könne nicht einfach als "Schaden" deklariert werden. Immerhin habe die Arbeit an der Drohne wichtige Erkenntnisse für Systeme dieser Art gebracht, die sich nicht beziffern ließen.
Zudem sei "unzweifelhaft", dass das von der Firma Cassidian entwickelte Signalaufklärungssystem "Isis" weiter genutzt werden könne, wenn nicht im "Euro Hawk", dann auf einem anderen Träger. Isis, das technisch funktioniere und bis Ende September die letzten Tests vermutlich erfolgreich absolviere, sei insofern "kein Teil der Schadenbilanz". Jansen räumte aber ein, dass "ein Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen" zum Verzicht auf die geplante Serienfertigung geführt hat.
Jansen bezifferte die Gesamtkosten für das Projekt "Euro Hawk" einschließlich der noch laufenden Tests des Prototypen auf 668 Millionen Euro, darunter 585 Millionen Euro für Entwicklung und 83 Millionen Euro für Beschaffung. Derzeit würden Alternativen geprüft, wie die bestehende "Fähigkeitslücke" bei der Aufklärung ohne den "Euro Hawk" als Träger geschlossen werden könne.
Jansen sprach in dem Zusammenhang von 675 Millionen Euro "freien Planmitteln", die bisher für das Projekt "Euro Hawk" noch veranschlagt seien und nun für eine neue Zweckbindung und ein alternatives Programm zur Verfügung stün"Isis" an ein neues Trägersystem angepasst werden, was Kosten verursache.
Zuvor hatte Janis G. Pamiljans, Sector Vice President der Rüstungsfirma Northrop Grumman, sein Unverständnis über das deutsche Zulassungsverfahren der Aufklärungsdrohne geäußert. Die Wehrtechnische Dienststelle 61 habe in den Jahren nach dem Vertragsabschluss über die Entwicklung der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" im Jahr 2007 die Anforderungen für eine Musterzulassung ständig erhöht.
Dabei sei bei Vertragsabschluss allen Beteiligten klar gewesen, dass die Musterzulassung weitestgehend auf der amerikanischen Zulassung für das Trägersystem "Global Hawk" basieren sollte.
In den USA habe die "Global Hawk"-Drohne eine militärische Zulassung der Air Force, erläuterte Pamiljans. Der Firmenvertreter wies zudem darauf hin, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch gar keine speziellen Anforderungen für die Zulassung unbemannter Flugsysteme dieser Art in Deutschland existiert hätten. Deshalb sollte die amerikanische Zulassung als Basis genutzt werden.
Pamiljans verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Drohne "Global Hawk" bereits rund 100.000 Flugstunden absolviert habe und weltweit erfolgreich in amerikanischen Militäroperationen – zum Beispiel im Irak-Krieg – zum Einsatz gekommen sei. Er betonte, dass seine Firma gemäß Vertrag alles Mögliche für eine Zulassung in Deutschland unternommen habe. So seien rund 4.000 technische Dokumente an die deutschen Stellen übergeben worden.
Pamiljans hält eine Zulassung des "Euro Hawk" in Deutschland mit Zusatzkosten von 160 bis 193 Millionen Euro für möglich. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den Angaben des Verteidigungsministeriums, das die Zusatzkosten auf bis 600 Millionen Euro schätzt.
Pamiljans äußerte den Verdacht, dass die unterschiedlichen Beträge auf sehr unterschiedliche Anforderungen zurückzuführen sind. Er zeigte sich davon überzeugt, dass die nach oben geschraubten Zulassungsanforderungen von deutscher Seite zu einem komplett neuen Design der Aufklärungsdrohne führen würden. Dies sei aber nie Zielsetzung des Vertrages gewesen.
Deutschland habe eine Maßanfertigung auf Grundlage des "Global Hawk" geordert, und diese sei in Form des "Euro Hawk" auch geliefert worden. Pamiljans versicherte dem Ausschuss, dass die Integration des deutschen Aufklärungssystems "Isis" in ein anderes Trägersystem – egal ob bemannt und oder unbemannt – zu erheblichen höheren Kosten führen wird. Zudem werde dies weitere Jahre in Anspruch nehmen.
Pamiljans wies Darstellungen zurück, der US-Nachrichtendienst NSA sei in den Bau des "Euro Hawk" involviert gewesen. Es seien keine Bauteile von der NSA geliefert worden. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass für die Entwicklung des deutschen Aufklärungssystems "Isis" Bauteile der NSA verwendet worden seien.
Der Firmenvertreter führte zudem aus, dass weder Northrop Grumman noch die mit der Firma EADS gegründete Euro Hawk GmbH bislang offiziell davon unterrichtet worden sind, dass das Verteidigungsministerium das Projekt eingestellt hat und keinen Auftrag über die Beschaffung von vier weiteren Drohnen erteilen wird.
Pamiljans appellierte an die Abgeordneten, diese Entscheidung zu überdenken. Das Projekt solle fortgesetzt werden. Jede andere Alternative würde deutlich teurer werden und der Bundeswehr auch nicht die gewünschten Fähigkeiten verleihen.
Das Zulassungsrisiko beim "Euro Hawk" liegt allein auf Seiten der Bundesregierung, wie der Vorstandschef der Herstellerfirma Cassidian, Bernhard Gerwert, zuvor als Zeuge im Ausschuss unter Vorsitz von Dr. Karl A. Lamers (CDU/CSU) gesagt hatte. Weder Cassidian noch Northrop Grumman hätten einen Vertrag unterschrieben, in dem eine Musterzulassung für den deutschen Luftraum seitens der Industrie verbindlich zugesagt wird.
Gerwert sagte: "Wir haben uns an die bestehenden Verträge gehalten." Letztlich trage die Bundesregierung die Risiken eines solchen Entwicklungsvertrages. Die Industrie würde einen Kaufvertrag mit Festpreis auch nur dann eingehen, wenn die zu erbringende Leistung eindeutig und die damit verbundenen Kostenrisiken kalkulierbar wären.
Für die Musterzulassung einer Drohnen-Serie, die im zivilen europäischen Luftraum operieren dürfe, habe es aber zum Vertragsschluss 2007 gar keine Grundlage gegeben, sagte Gerwert. Einen solchen Vertrag abzuschließen, hätte bedeutet, einen "Blankoscheck" auszustellen. Er fügte hinzu: "Beide Seiten müssen wissen, was sie unterschreiben."
Laut Gerwert war allen Beteiligten von vornherein bewusst, dass die Frage der Zulassung mit zusätzlichen Kosten verbunden sein würde. Es sei zudem lange klar gewesen, dass eine allgemeingültige Zulassung des Euro Hawk nach Kategorie III, die auch für den zivilen Luftraum gilt, nicht erreichbar wäre, wohl aber eine Zulassung nach Kategorie II, also beschränkt auf den militärischen Luftraum.
Die Firma Cassidian gehört zum EADS-Konzern und entwickelt für das Euro-Hawk-Projekt das Signalaufklärungssystem Isis (Integrated Signals Intelligence System). Wie Gerwert sagte, befindet sich Isis in der letzten Phase der Erprobung und soll Ende September abgenommen werden. Die Tests zeigten, dass technisch alles planmäßig laufe. Isis funktioniere und sei das "beste verfügbare luftgestützte Signalaufklärungssystem".
Die Entscheidung von Verteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière (CDU), aus Kostengründen nicht wie geplant in die Serienproduktion des Euro Hawk zu gehen, wertete Gerwert als "für uns noch nicht nachvollziehbar". Er habe im Übrigen aus der Zeitung von dieser Entscheidung erfahren.
Gerwert berichtete, über die ungeklärten Zulassungsfragen bei unbemannten Flugkörpern sei mit der Ministeriumsspitze häufiger allgemein gesprochen worden. Es sei aber nicht speziell um das Projekt Euro Hawk gegangen. Seiner Ansicht nach müssten die Zulassungsvorschriften international harmonisiert werden. 2012 habe die Industrieseite die Mehrkosten für die Zulassung des Euro Hawk auf rund 200 Millionen Euro taxiert, 2013 sei dann die Zahl 600 Millionen Euro von der Auftraggeberseite genannt worden.
Gerwert sagte, er halte die niedrigere Schätzung für plausibler. Auf den Vorschlag, den Prototypen mit einer vorläufigen Verkehrszulassung für weitere zwei bis drei Jahre zu testen, habe es keine Resonanz gegeben. (aw/pk/31.07.2013)
Montag, 29. Juli
Dienstag, 30. Juli
Mittwoch, 31. Juli
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