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Nach der Bundestagswahl: Bereits am Dienstag, 24. September 2013, haben die beiden großen Fraktionen ihre Vorsitzenden gewählt. Volker Kauder erhielt 294 von 303 gültigen Stimmen (acht Neinstimmen, eine Enthaltung) und damit mit 97,4 Prozent in seinem Amt als Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion bestätigt. Im Amt bleibt mit 95,2 Prozent der Stimmen auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer (216 Jastimmen, elf Neinstimmen, drei Enthaltungen). Zu seinem Stellvertreter bestimmten die CSU-Abgeordneten erneut den Parlamentarischen Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller.
Die SPD-Fraktion hat in ihrer ersten Sitzung Dr. Frank-Walter Steinmeier mit 93 Prozent der Stimmen als Fraktionsvorsitzenden bestätigt. Er erhielt 173 von 190 Stimmen (zwölf Neinstimmen, fünf Enthaltungen). Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion bleibt mit 81,5 Prozent der Stimmen Thomas Oppermann, der 154 von 188 Stimmen (29 Nein-Stimmen, fünf Enthaltungen) auf sich vereinigen konnte.
Die Linksfraktion hat am 9. Oktober Dr. Gregor Gysi mit 50 von 62 Stimmen im Amt des Fraktionsvorsitzenden bestätigt (acht Gegenstimmen, vier Enthaltungen). Erste stellvertretende Fraktionsvorsitzende wurde Dr. Sahra Wagenknecht mit 41 von 62 abgegebenen Stimmen, Zweiter stellvertretender Vorsitzender wurde Dr. Dietmar Bartsch mit 41 von 60 Stimmen.
Zur Ersten parlamentarischen Geschäftsführerin wählte die Fraktion die Abgeordnete Dr. Petra Sitte mit 52 von 62 Stimmen. Zu stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden wurden gewählt: Sabine Zimmermann (59 Prozent der Stimmen), Caren Lay (72 Prozent), Diana Golze (66 Prozent) und Cornelia Möhring (62 Prozent). Cornelia Möhring wird frauenpolitische Sprecherin. Sabine Zimmermann leitet den Arbeitskreis Soziales, Gesundheit und Rente, Caren Lay den Arbeitskreis Struktur- und Regionalpolitik und Diana Golze den Arbeitskreis Lebensweise und Wissen.
Weitere stellvertretende Fraktionsvorsitzende sind Klaus Ernst (68 Prozent), der den Arbeitksreis Wirtschaft, Arbeit und finanzen leitet, Jan Korte (77 Prozent, Arbeitskreis Demokratie, Recht und Gesellschaftsentwicklung) und Wolfgang Gehrcke (70 Prozent, Arbeitskreis Außenpolitik und Internationale Beziehungen).
Ebenfalls am 9. Oktober haben Bündnis 90/Die Grünen den bisherigen Vorsitzenden des Verkehrsausschusses, Dr. Anton Hofreiter, und die bisherige Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt zu Fraktionsvorsitzenden gewählt. Hofreiter erhielt 80,3 Prozent der Stimmen, Göring-Eckardt 65,1 Prozent.
Zur neuen Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin und Nachfolgerin von Volker Beck in diesem Amt wählte die Fraktion die bisherige Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann mit 96,8 Prozent der Stimmen.
Während Politik und Öffentlichkeit noch über die Konsequenzen der Bundestagswahl am 22. September diskutieren, herrscht im Zentrum des Geschehens, im Bundestag selbst, auffällige Ruhe. Kein Gewimmel auf den Fluren und Gängen, kaum Betrieb in den Kantinen, der Plenarsaal verwaist. Doch der Eindruck täuscht.
Tatsächlich laufen in der Bundestagsverwaltung und in den Verwaltungen der Fraktionen die Vorbereitungen für den 18. Deutschen Bundestag mit Hochdruck. Der Startschuss fiel in der Wahlnacht: 30 Tage hat der Bundestag laut Artikel 39 Absatz 2 des Grundgesetzes Zeit, nach der Wahl zusammenzutreten.
30 Tage – auf den ersten Blick ein komfortabler Zeitraum. Doch die Vorbereitungen für den neuen Bundestag machen längst nicht bei der konstituierenden Sitzung halt, die am Dienstag, 22. Oktober, um 11 Uhr stattfinden wird (Live-Übertragung im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten). Besonders für die Bundestagsverwaltung sind sie ein organisatorischer und logistischer Kraftakt. Schließlich geht es darum, das Parlament möglichst schnell wieder arbeitsfähig zu machen.
Nachdem die Abgeordneten mit vorläufigen Ausweisen und Informationen versorgt wurden, werden in den kommenden Wochen Tausende Büroräume geräumt, renoviert und neu bezogen. Und nicht zuletzt im Plenarsaal beginnt das Stühlerücken: Die Sitzordnung muss dem neuen Kräfteverhältnis entsprechend angepasst werden.
Damit das alles rechtzeitig klappt, ist eine gute Planung das A und O. Hinter den Kulissen laufen in den Parlamentsgebäuden schon lange die Vorbereitungen: Bereits ein halbes Jahr vor dem Wahltag kam zum ersten Mal die Koordinierungsrunde zusammen.
"28 Referate nahmen daran mit ihren Vertretern teil, zudem Mitglieder der Fraktionsverwaltungen sowie Mitarbeiter des Bundeswahlleiters", erläutert Kay Wahlen vom Referat ZT4 (Zentrale Assistenzdienste), das die Vorbereitungen koordiniert.
Eine Schlüsselrolle spielt das Tagungsbüro: Schon Wochen vor dem Wahltag haben die Mitarbeiter unter der Leitung von Paul Thelen begonnen, vorläufige Abgeordnetenausweise zu drucken und Informationsmaterial für die künftigen Mitglieder des Parlaments zusammenzustellen.
Da vor dem 22. September keiner wusste, wer in den 299 Wahlkreisen siegen oder über die Landeslisten einziehen wird, haben sie vorsichtshalber mehr Ausweise erstellt. Der Grund: Wenn das Wahlergebnis feststeht, ist Tempo angesagt. "Es geht viel schneller, die Ausweise, die nicht gebraucht werden, auszusortieren, als dann erst mit dem Drucken zu beginnen", erklärt Christian Tillich, Sachbereichsleiter im Tagungsbüro.
Die "heiße Phase" der Vorbereitung begann für die Tagungsbüromitarbeiter noch in der Wahlnacht. Sobald der Bundeswahlleiter, der mit seinem Team die Ergebnisse der Wahl stets direkt im Reichstagsgebäude auswertet, bekannt gegeben hatte, welcher Kandidat aus welchem Wahlkreis oder über die Landeslisten in den Bundestag einziehen konnte, machten sich die Mitarbeiter daran, die Namensliste der neuen Abgeordneten zu erstellen.
Eine Aufgabe, die bis zum frühen Morgen dauern kann, denn Sorgfalt hat hier oberste Priorität. Danach galt es, die vorläufigen Abgeordnetenausweise zusammen mit Begrüßungsschreiben und allerlei nützlichen Informationen – darunter etwa die Geschäftsordnung des Bundestages, Broschüren über Mandatsreisen und Abgeordnetenentschädigung – in DIN-A4-Umschläge zu stecken – und das recht fix.
Dass die FDP nicht mehr in den Bundestag einziehen wird, verschaffte den Mitarbeitern unerwartet mehr Zeit für die Vorbereitung. Eigentlich wollten sich die Liberalen bereits am Montag nach der Wahl zur Fraktionssitzung im Bundestag treffen. Das fiel nun aus. So fanden die ersten Fraktionssitzungen erst am Dienstag statt.
Das Team um Tillich war vor Ort, um die Umschläge zusammen mit den vorläufigen Bahncards an die Abgeordneten zu verteilen. Die endgültigen Tickets und Ausweise werden den Parlamentariern nach der konstituierenden Sitzung in die Büros geliefert.
Doch auf wie viele Abgeordnete haben sich Tillich und seine Kollegen eingestellt? 620 Abgeordnete gehörten dem 17. Bundestag an. Wie viele Mitglieder der neue, 18. Bundestag haben wird, wussten sie natürlich nicht, als sie mit der Vorbereitung begannen.
Eine Unbekannte war auch das neue Wahlrecht, dessen Ziel es ist, Überhangmandate auszugleichen. Ein wahrscheinlicher Nebeneffekt der Reform: "Der Bundestag wird mit Sicherheit größer werden", so Tillich vor der Wahl.
Damit hat er Recht behalten: Der neuen Bundestag wird 631 Mitglieder haben. 230 und damit etwas mehr als ein Drittel davon ziehen erstmals in das deutsche Parlament ein. Das bedeutet: Die nicht wiedergewählten oder ausgeschiedenen Parlamentarier müssen ihre Zimmer räumen, die neuen ihre Büros beziehen.
Möbel müssen abgeholt, auf- und umgestellt, Büros neu beschildert und gestrichen, Computer installiert, Datenbanken und das Telefonbuch aktualisiert, Faxe und Telefone eingerichtet werden. Viel zu tun für die Bundestagsverwaltung, die eigens eine Arbeitsgruppe Umzugsmanagement eingerichtet hat, der insgesamt 50 Mitarbeiter aus verschiedenen Referaten angehören.
Und selbst wenn ein Parlamentarier nicht ausscheidet, ist es nicht sicher, dass er sein Büro behalten kann: Übernimmt er ein neues Amt, wird er zum Beispiel Ausschussvorsitzender, muss er umziehen. "Wer welches Büro erhält, entscheiden letztlich die Fraktionen intern", sagt Kay Wahlen. Die Verwaltung setze dann die Wünsche um. Rund 2.000 Umzüge wird die Arbeitsgruppe zu bewältigen haben. Eine Mammutaufgabe.
Bis alle Abgeordneten ihre Büros bezogen haben, werden Monate vergehen. Daniel Janus, Leiter der Arbeitsgruppe, geht aber dennoch davon aus, dass die letzten Abgeordneten bis Anfang März des nächsten Jahres ihre Büros beziehen können. "Wir rechnen mit täglich 25 Raumumzügen", sagt er. Eine Speditionsfirma sei zudem mit sechs Lastern im Einsatz, um die Verwaltung zu unterstützen.
Bis alle Parlamentarier ihre Büros bezogen haben, heißt es in den Fraktionen zusammenrücken und improvisieren: So melden die Fraktionsverwaltungen freie Räume und Schreibtische, damit Abgeordnete, die noch nicht ihr Büro beziehen können, schnell einen Arbeitsplatz bekommen.
Einfallsreich war die FDP, um die Übergangszeit zu Beginn der letzten Wahlperiode zu überbrücken: Jedem Parlamentsneuling stellte sie einen Paten zur Seite. Wer noch kein Büro hatte, konnte in dessen Büro seine Post abholen, telefonieren und arbeiten. Nun jedoch heißt es für alle 93 FDP-Abgeordneten der 17. Wahlperiode einpacken und Abschied nehmen vom Bundestag.
Mit Laptops, über die die Abgeordneten Mails abrufen und das Intranet nutzen können, versucht die Verwaltung den Newcomern zusätzlich unter die Arme zu greifen. Die Techniker des Referats IT 2 der Unterabteilung Informationstechnik arbeiteten schon vor der Wahl bereits daran, die tragbaren Computer einzurichten, damit die Abgeordneten rasch arbeitsfähig sind.
Dieser Service ist umso wichtiger, da der Bundestag zur neuen Legislaturperiode die Zustellung der parlamentarischen Drucksachen umstellt. Anträge, Gesetzentwürfe oder Protokolle gibt es künftig nur noch als "eDok", also digital und nicht mehr automatisch gedruckt zugestellt ins Postfach. So will die Verwaltung den Papierverbrauch spürbar reduzieren. Denn allein für den Verbrauch in den Parlamentsgebäuden wie etwa für Etagenkopierer musste sie der vergangenen Wahlperiode rund 350 Millionen Blatt DIN-A4-Papier anschaffen.
Neuerungen bietet auch die Unterabteilung Europa der Bundestagsverwaltung: Neben einem verschiedene Broschüren und Materialien umfassenden "Starterpaket", mit dem sich die neuen Parlamentarier unter anderem über die Beteiligungs- und Mitspracherechte des Bundestages in EU-Angelegenheiten informieren können, hat die Unterabteilung ein seit 2009 bestehendes Schulungsangebot ausgebaut.
In Seminaren können sich vor allem die Mitarbeiter der Abgeordnetenbüros sowie der Fraktionen zum Beispiel auf den letzten Stand der rechtlichen Regelungen bringen oder ganz praktisch lernen, wie EU-Vorlagen im Bundestag behandelt werden. "Aus der Erfahrung der letzten Jahre, als das Parlament in kürzester Zeit über die Eurorettungsmaßnahmen zu entscheiden hatte, haben wir das Programm bewusst um finanz- und währungspolitische Themen erweitert", sagt Dr. Sven Vollrath, Leiter der Unterabteilung Europa.
Bis zur konstituierenden Sitzung muss schließlich noch der Plenarsaal so umgebaut sein, dass sich darin das veränderte Kräfteverhältnis der Fraktionen im 18. Deutschen Bundestag widerspiegelt. Sobald das amtliche Endergebnis der Bundestagswahl feststand – und damit auch, mit wie vielen Sitzen die Fraktionen darin vertreten sein werden –, begann unter der Kuppel das große Stühlerücken.
Die Techniker der Bundestagsverwaltung demontieren Stühle, bauen Telefone aus- und wieder ein, stecken Standmikrofone um und justieren schließlich die Akustik des gesamten Plenarsaals neu, damit die Redner auch nach dem Umbau von jedem Platz aus gut zu hören sind.
Das bedeutete in der Vergangenheit "Abend- und Wochenendarbeit", verriet Stephan Mast vom zuständigen Bundestagsreferat einmal der Zeitung "Das Parlament". Zwar liegt zwischen Wahl und konstituierender Sitzung fast ein ganzer Monat, dennoch ist die Fertigstellung des Plenums oft eine Punktlandung – auch weil sich die Fraktionen, wie etwa vor vier Jahren, nicht so schnell einigen konnten, wie viele Sitzplätze jeder in der ersten Reihe zustehen.
Diese Plätze sind unter anderem deshalb begehrt, weil sie bei Fernsehübertragungen besonders oft gezeigt werden. Sollte die Sitzordnung auch dieses Mal umstritten sein – die Techniker bleiben gelassen. Schließlich haben sie es noch jedes Mal geschafft, rechtzeitig mit dem Umbau fertig zu werden. (sas/10.10.2013)