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Drei Bauern, eine Tierärztin und eine Lehrerin – fünf Abgeordnete, deren Weg in die Politik nicht unterschiedlicher gewesen sein könnte. Und dennoch haben sie eins gemeinsam: Sie alle haben sich einem Politikfeld verschrieben, dass zwar nicht großes Prestige verspricht, aber große Auswirkungen für die Menschen in ihrem Alltag hat: die Agrar-, Ernährungs- und Verbraucherschutzpolitik.
Bei Elvira Drobinski-Weiß war es weniger Liebe auf den ersten Blick, als Vorbestimmung: Am 17. Mai 2004 erhielt die Offenburger SPD-Politikerin die Nachricht, dass der Abgeordnete Matthias Weisheit verstorben und sie für ihn in den Bundestag nachrücken sollte. Für die Rektorin der Grund- und Werkrealschule Kollnau in Waldkirch ein Schreck. Zwar hatte sie 2002 für die Bundestagswahl kandidiert, wie schon die zwei Wahlen zuvor, aber doch eher "auf verlorenem Posten", wie die 62-Jährige mit den kurzen, braunen Haaren erzählt.
Dass sie 2002 mit ihrem 27. Listenplatz zumindest theoretisch die Chance auf ein Nachrücken hatte, sei ihr zwar bewusst gewesen. Gerechnet habe sie damit jedoch nicht. Der Anruf des Geschäftsführers der SPD in Baden-Württemberg habe sie deshalb völlig unvorbereitet getroffen, wie ein Blitz aus heiterem Himmel: "Von einem auf den anderen Moment hat sich mein Leben total verändert." Gerade noch hatte sie eine Klassenarbeit korrigieren sollen, doch stattdessen hieß es: Koffer packen, Flugticket buchen, nach Berlin reisen.
Dort angekommen, war klar, dass sie den Platz ihres Vorgängers im Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft einnehmen sollte. "Mitten in der Legislaturperiode will niemand wechseln und vielleicht auch nicht gerade in den Landwirtschaftsausschuss", sagt sie mit entwaffnender Direktheit.
Doch sie sieht es positiv: In den Ausschuss für Bildung und Forschung zu gehen – was für Lehrerin naheliegend gewesen wäre – sei für sie sowieso nicht in Frage gekommen: "Ich schmore ungern im eigenen Saft. Mir gefällt es, anderes kennenzulernen."
Sie sucht also das Gespräch mit Landwirten, Schlachthofbetreibern oder Supermarkt-Managern. Im Sommer geht sie in ihrem Wahlkreis in der Ortenau den heimischen Bauern bei der Zwetschgenernte zur Hand, pflückt Erdbeeren oder sticht Spargel. "So schnuppere ich in ganz verschiedene Betriebe hinein", erzählt Drobinski-Weiß.
Eine gute Möglichkeit, findet sie, um ein Gefühl für deren Arbeit zu bekommen. Dass sie, anders als so mancher ihrer Kollegen im Ausschuss, selbst keinen landwirtschaftlichen Hintergrund hat, sieht die Abgeordnete nicht als Nachteil: "Im Gegenteil, so komme ich nicht in den Verdacht, Lobbyistin zu sein. Ich gehe mit einem anderen Blick an die Themen heran."
Neues kennenlernen, dazulernen, sich schnell einarbeiten – das kann die bekennende "Leseratte" Drobinski-Weiß, die an freien Wochenenden am liebsten mit mehreren Tageszeitungen entspannt. Dass "Bildung der Schlüssel für das Leben" ist, hat die Zweitälteste von sechs Kindern schon früh verstanden. Sie wächst in einer Arbeiterfamilie auf: Der Vater ist ausgebildeter Kranführer, arbeitet aber in der Versandabteilung der AEG.
Die Mutter jedoch ist es, die bei ihren drei Töchtern ebenso auf eine gute Ausbildung achtet wie bei ihren drei Söhnen. "Dafür bin ich ihr noch heute dankbar", sagt Drobinski-Weiß. Geboren auf Norderney, besucht sie in Oldenburg das Gymnasium und beginnt dort 1971 Pädagogik zu studieren. Dank Bafög, das die sozialliberale Koalition unter der Kanzlerschaft von Willy Brandt im selben Jahr als "Vollzuschuss" einführte. "Davon habe ich profitiert." Ein wichtiger Grund für die junge Frau, 1976 Sozialdemokratin zu werden. Der andere Grund: Ihr Vater. "Er war gewerkschaftlich organisiert, und sein Herz schlug für die SPD."
Bildung ist für Drobinski-Weiß nicht nur der Schlüssel zum Leben – Bildung wird ihr Leben. Sie arbeitet als Lehrerin zunächst in Oldenburg, 1979 folgt sie ihrem Mann nach Kirchhofen bei Freiburg.
Eine Entscheidung, die sie nie bereut hat – wenngleich sie seither das Meer vermisst und anfangs auch Nachteile hinzunehmen hat: "In Niedersachsen war man SPD-Mitgliedern gegenüber aufgeschlossen, in Baden-Württemberg habe ich beruflich schnell merken müssen, dass ich in der falschen Partei war."
1989 gelingt es ihr dennoch, einen Sitz im Gemeinderat von Bahlingen am Kaiserstuhl zu erringen – als allererster Frau überhaupt. Frauen in der Kommunalpolitik zu fördern ist ihr seither ein Anliegen: "Frauen müssen in die Gremien. Frauen machen anders Politik als Männer – ökonomischer, effizienter", weiß Drobinski-Weiß aus Erfahrung.
In Offenburg engagiert sie sich in einer überparteilichen Arbeitsgruppe, um Frauen mit besonderen Qualifizierungsangeboten zu unterstützen. Auch für Migranten macht sie sich stark: Für ihr Konzept eines muttersprachlichen Italienischunterrichts an Grund- und Realschulen erhält sie 2004 den "Ordine della Stella della Solidarietà Italiana" – quasi als Anerkennung ihrer Verdienste um die deutsch-italienische Verständigung.
Dass Information und Qualifizierung Menschen aktivieren, dieses Credo leitet sie auch in ihrer Politik im Bundestag. Als verbraucherpolitische Sprecherin, die sie seit 2009 ist, will sie die Bürger als "mündige Verbraucher" fit machen. Dazu brauche es vor allem Markttransparenz: "Notwendig sind verständliche, verlässliche und vergleichbare Informationen. Damit können wir die Menschen stärken und schützen", ist die Sozialdemokratin überzeugt.
Doch trotz mancher Fortschritte wie etwa durch das Verbraucherinformationsgesetz befänden sich die Verbraucher längst noch nicht auf Augenhöhe mit der Wirtschaft, kritisiert sie. Umso entschiedener fordert die Abgeordnete deshalb, wie zuletzt bei den Koalitionsverhandlungen, die Verbraucherzentralen zu Marktwächtern in den Bereichen Finanzen, digitale Welt, Energie, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auszubauen: "Wir als SPD möchten, dass sie den Markt im Auge behalten, Fehlentwicklungen registrieren und eingreifen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist."
Um diesen Verbraucherschutzfragen mehr Gewicht zu geben, wirbt die Politikerin auch für einen eigenen Ausschuss, in dem diese federführend beraten werden sollen. "Bislang dominierten im Ausschuss agrarpolitische Themen. Für die Verbraucherpolitik blieb häufig zu wenig Platz", moniert Drobinski-Weiß.
"Die Verbraucherpolitik kann vielleicht nicht mit der Haushalts-, Finanz- oder Verteidigungspolitik konkurrieren. Aber sie ist wichtig – schließlich geht es hier um Fragen, die die Menschen in ihrem Alltag ganz konkret betreffen." Dass sie sich weiter in diesem Politikfeld engagieren will, steht außer Frage: "Hier fließt mein Herzblut." (sas/12.12.2013)