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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) hat sich im Rahmen einer Regierungserklärung zum anstehenden EU-Gipfel am 19. und 20. Dezember für eine Änderung der EU-Verträge ausgesprochen. Es gehe darum, mehr Verbindlichkeit zu erreichen. Dies sei bei der Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion vor 20 Jahren versäumt worden, sagte Merkel am Mittwoch, 18. Dezember 2013, bei der ersten Rede nach ihrer erneuten Vereidigung. Die Opposition kritisierte die Ausrichtung der schwarz-roten Europapolitik.
Dr. Sahra Wagenknecht (Die Linke) warf der SPD Wahlbetrug vor. Anders als von den Sozialdemokraten angekündigt müssten auch künftig die Steuerzahler für Schulden der Banken geradestehen. Aus Sicht der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, orientiert sich die Europapolitik der Bundesregierung "nur an Wirtschaft und Finanzen". Die europäischen Werte hingegen hätten in der Regierungserklärung der Kanzlerin keine Rolle gespielt.
Angela Merkel hatte zu Beginn ihrer Rede deutlich gemacht, dass es das Ziel der Bundesregierung sei, "Deutschland zukunftsfähig zu gestalten und Europa mitzugestalten". Auf dem Weg hin zu Stabilität und Wachstum sei Europa durchaus vorangekommen, konstatierte die Kanzlerin. Aber: "Der Aufschwung ist nicht garantiert." Außerdem habe die europäische Glaubwürdigkeit gelitten, so Merkel.
Als Beispiel führte sie die schon im Jahr 2000 festgeschriebene Drei-Prozent-Quote für Forschungsausgaben an. Deutschland habe 2012 erstmals an diesem Wert "von unten gekratzt". Die meisten anderen Länder lägen deutlich unter dem Wert. Merkels Forderung lautete daher: Weniger Indikatoren, die dann aber auch eingehalten werden.
Die Kanzlerin ging auch auf das Verfahren der EU-Kommission gegen das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ein. Gemeinsam mit Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) werde sie in Brüssel deutlich machen, dass Europa nicht dadurch gestärkt werde, wenn in Deutschland Arbeitsplätze gefährdet würden.
Sahra Wagenknecht warf der Union eine "unchristliche Politik" vor. Während man monatelang mit der SPD über den Koalitionsvertrag gefeilscht habe, hätten sich in Griechenland mehr als einhundert Menschen "aus Verzweiflung über ihre soziale Situation" das Leben genommen. Rund 45.000 Familien hätten in Spanien ihre Häuser aufgrund von Zwangsversteigerungen räumen müssen. Auf der anderen Seite habe sich das Vermögen der Millionäre in derselben Zeit um fast eine Milliarde Euro erhöht.
"So sehen die Folgen ihrer Politik aus, die sie ganz Europa diktieren", sagte Wagenknecht an die Kanzlerin gewandt. Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion übte auch Kritik am Regierungspartner SPD. Das Versprechen, dass Banken künftig für sich selber haften würden, sei "keinen Pfifferling wert". In der entsprechenden EU-Richtlinie sei eine Ausnahme vereinbart, "die bis einen Tag vor der Abwicklung erlaubt, die Bankeneigentümer mit Steuergeldern freizukaufen". Aus Wagenknechts Sicht braucht es auch keine Bankenunion, sondern vielmehr eine Bankenregulierung.
Niels Annen (SPD) wies Wagenknechts Vorwürfe zurück. Die SPD arbeite in der Großen Koalition daran, "dass sich die Krise nicht wiederholt". Annen räumte ein, dass es unterschiedliche Sichtweisen bei Union und SPD gebe. "Im Unterschied zu ihnen sind wir aber überzeugte Europäer, die in der Lage sind, sich auf eine gemeinsame Politik zu verständigen, statt nur alte Klischees zu bedienen", sagte er.
Sein Fraktionskollege Dietmar Nietan machte deutlich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem kommenden EU-Gipfel für die neue Bundesregierung sprechen werde. Deren Politik sei durch den Beitrag der SPD "sozialer und gerechter".
Der Außenexperte der Unionsfraktion, Dr. Andreas Schockenhoff, ging auf die Situation in der Ukraine ein. Die Menschen dort suchten die Annäherung an die EU und wollten nicht unter einen Moskauer Diktat leben, sagte er. "Dafür haben sie die vollste Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion", betonte Schockenhoff.
Zugleich machte er deutlich, dass die Zusammenarbeit der EU mit der Ukraine nicht gegen Russland gerichtet sei. "Das sollten wir Moskau noch mal besser vermitteln", schlug er vor.
Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) forderte Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf, Klartext gegenüber Russland zu reden, da es ohne eine Modernisierung in dem Land keine Fortschritte bei den Nachbarstaaten geben könne. Zugleich zeigte sie sich skeptisch, ob dies gelingen werde. Schließlich falle der Koalitionsvertrag hinter das zurück was der Bundestag unlängst mehrheitlich zur Unterstützung der Zivilgesellschaft beschlossen habe. "Das ist ein europäisches Armutszeugnis", befand Göring-Eckardt.
Zugleich attestierte sie der Kanzlerin fehlenden Mut. So komme es erst ab 2026 zu einer Bankenabwicklung ohne Beteiligung der Steuerzahler, die bis dahin weiter haften müssten. Und auch in der Flüchtlingspolitik gehe es nicht voran. Nach wie vor werde auf Abschottung gesetzt. Die Flüchtlinge würden als Menschen, die nicht gebraucht werden, behandelt, "und nicht wie Menschen, die Hilfe brauchen".
Im Anschluss an die Aussprache lehnte der Bundestag Entschließungsanträge von Grünen- und Linksfraktion ab. Die Linksfraktion hatte unter anderem gefordert, dass im Finanzsektor eine Eigentümer- und Gläubigerhaftung gewährleistet wird und Banken in die Insolvenz gehen können (18/198). Ferner setzte sie sich dafür ein, dass der Europäische Rat am 19. und 20. Dezember ein Abrüstungsgipfel wird und zu hohe Defizite in öffentlichen Haushalten durch einen Abbau der Rüstungsausgaben verringert werden (18/199).
Bündnis 90/Die Grünen hatten einen Entschließungsantrag (18/192) vorgelegt, in dem unter anderem gefordert wird, eine Europäische Akademie für Auswärtige Angelegenheiten mit den Schwerpunkten Mediation, Dialog und Versöhnung als Weiter- und Fortbildungsinstitut des Europäischen Auswärtigen Dienstes sowie ein Europäisches Friedensinstitut zu gründen, das unbürokratisch Dialog- und Mediationsinitiativen unterstützen kann.
Ein weiterer Entschließungsantrag der Grünen (18/196) wurde zur federführenden Beratung an den Auswärtigen Ausschuss überwiesen. Darin fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, den Bundestag über die Krisenbewältigung in der Zentralafrikanischen Republik zu unterrichten und im Fall einer deutschen militärischen Beteiligung dem Bundestag einen Antrag auf Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Friedensmission der Afrikanischen Union (Misca) vorzulegen. (hau/18.12.2013)