Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 15 - 16 / 10.04.2006
Götz Hausding

Weg frei für Konjunkturbelebung

Trotz Bedenken - Bundesrat billigt Haushaltsbegleitgesetz 2006
Trotz Kritik an der geplanten Mehrwertsteuererhöhung hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 7. April dem Haushaltsbegleitgesetz zugestimmt. In der Debatte sah sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) den Vorwürfen von Wirtschaftminister Walter Hirche (Niedersachsen) und Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (Nordrhein Westfalen) - beide FDP - ausgesetzt. Sie kritisierten insbesondere die vorgesehene Mehrwertsteuererhöhung, die Steinbrück jedoch als "absolut notwendig" verteidigte.

Das Haushaltsbegleitgesetz sieht unter anderem die Anhebung des Regelsatzes der Mehrwertsteuer und der Versicherungsteuer zum 1. Januar 2007 von 16 auf 19 Prozent, die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozent auf 4,5 Prozent sowie die Streichung des bisherigen Defizitzuschusses für die Bundesagentur für Arbeit vor.

Steuererhöhung ist falsche Antwort

Ausgaben senken oder Einnahmen erhöhen? Auf diese Gretchenfrage der Haushaltskonsolidierung habe die Bundesregierung, so Niedersachsens Wirtschaftsminister Hirche, mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer die falsche Antwort gegeben. Wolle man nachhaltig zu mehr Wachstum kommen, müsse man Arbeitsplätze schaffen, denn nicht höhere Steuersätze, sondern mehr Beschäftigung und die damit verbundene Steigerung der Binnennachfrage sorgten für dauerhaften Konsum. Die Bundesregierung vernichte hingegen Arbeitsplätze, so zum Beispiel durch die geplante Erhöhung des Abgabensatzes auf Minijobs. Damit erweise man den Arbeitnehmern einen "Bärendienst" - eine Ausweitung der Schwarzarbeit sei die zu erwartenden Folge. Harsche Kritik übte Hirche auch an der Kürzung der Regionalisierungsmittel um 3,3 Milliarden Euro. Damit entziehe man den Ländern Mittel zur Verbesserung und Erweiterung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Zusätzlich problematisch sei, dass die Länder im guten Glauben auf die Verlässlichkeit der Bundesgesetzgebung langfristige Verträge zum Infrastrukturausbau abgeschlossen hätten. "Ihre Politik", so wandte sich Hirche an den Bundesfinanzminister, "hat nicht das Morgen im Auge." Richtig wäre es gewesen, die Ausgaben zu senken, ohne die wirtschaftliche Entwicklung zu ersticken. Eine Grundlage dafür könne durchaus die Koch/Steinbrück-Liste bieten, unterstrich Hirche. Für den nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Pinkwart müssen die öffentlichen Haushalte ohne Wenn und Aber konsolidiert werden. Verstöße gegen das Maastricht-Kriterium und hohe Staatsverschuldung dürften nicht zur schlechten Gewohnheit werden. Wichtig auf diesem Wege sei ein langer Atem und der Mut zu unpopulären Entscheidungen. Pinkwart mahnte nachdrücklich die Reform der sozialen Sicherungssysteme an, sonst stehe dies beim Sparen immmer wieder im Wege. Weiterer Kernpunkt eines erfolgversprechenden Sanierungskonzeptes sei die wachsenden Beschäftigung. "Vorfahrt für Arbeit" - diese von Bundespräsident Horst Köhler zu Recht aufgestellte Vorfahrtsregel werde durch die Mehrwertsteuererhöhung auf das Gröbste missachtet. "Man kann Staatsfinanzen langfristig nicht durch Steuererhöhungen sanieren", betonte Pinkwart, der durch das eingeschränkte Wirtschaftswachstum langfristig eher mit Steuermindereinnahmen rechne. Diese Ansicht werde auch durch Prognosen vieler Wirtschaftsinstitute unterstützt, in denen es abschließend heiße: Die Bundesregierung hat sich verrechnet! Daher, so Pinkwart, sollte man Korrekturen ernsthaft in Erwägung ziehen.

Verzicht auf 38 Milliarden?

Er habe nun, so Bundesfinanzminister Steinbrück, gehört, was alles nicht gut ist. Es bleibt die Frage: Was geht denn? Auch die Länder hätten Probleme auf der Einnahmeseite. "Können Sie es sich leisten," wandte er sich an Minister Hirche, "auf 38 Milliarden zu verzichten?" Er wisse auch um den eventuellen negativen Einfluss der Mehrwertsteuererhöhung. Das lerne man beim Volkswirtschaftsstudium im zweiten Semester, so Steinbrück."Was wollen Sie tun?" fragte er in den Saal. "Etwa die Renten kürzen?" Nein - zu diesem Gesetz gebe es keine andere Philosophie. Zur langfristigen Konsolidierung der Haushalte reiche es allerdings nicht aus, dass sei auch der Bundesregierung klar. Dies sei nur ein erster Schritt, dem weitere folgen müssten.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.