Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 15 - 16 / 10.04.2006
Ines Gollnick

Der Selbstbewusste: Willi Zylajew

Parlamentarisches Profil

Willi Zylajew ist eine unverwechselbare Erscheinung, ein Typ, würde man sagen. So auf den ersten Blick hat er etwas von Danny de Vito, dem amerikanischen Schauspieler, der uns einst im Kino als Scheidungsanwalt vom Rosenkrieg erzählt hat. Wer ihn nicht kennt, könnte den ausgebildeten Mess- und Regelmechaniker sowie gelernten Sozialarbeiter schnell unterschätzen. Der 56-jährige CDU-Abgeordnete - kandidierte im Wahlkreis Rhein-Erft-Kreis, westlich von Köln. Er hat ein dickes Fell - nicht nur äußerlich - wie er bekennt. Zu seinen Leidenschaften steht er: Das Rauchen, in Gesellschaft trinkt er gern ein Glas Bier, das Motorrad - eine 20 Jahre alte Honda - und die Politik natürlich. Er hat fünf Kinder mit seiner Frau Hannelie. Richtig ausgelastet fühlt er sich offenbar dann, wenn er noch an seinem Eigenheim basteln kann. Sein dickes Fell und sein Humor helfen ihm in der politischen Auseinandersetzung auszuteilen, aber auch einzustecken.

2002 ist Zylajew über die parlamentarischen Stationen Kreis- und Landtag in den Bundestag gewählt worden. "Der Bundestag ist ein Ziel für jeden, der Politik macht. Als Abgeordneter ist man in der politische Position, in der man am meisten bewegen kann, wenn man die Interessen der gesamten Bevölkerung im Blick hat", meint er. Er arbeitet auch heute noch im Kreistag des Rhein-Erft-Kreises. Die Kommune ist sein Seismograph.

Zylajew wurde 1950 in Köln als Enkelsohn eines osteuropäischen Zuwanderers und Sohn einer Bauerntochter aus der Eifel geboren. Das Rheinland ist unüberhörbar seine Heimat. Er engagierte sich früh in der Gewerkschaft, in der Arbeitnehmerbewegung und in der katholischen Jugend. Nach seinem Eintritt in die CDU wurde er auch Mitglied in der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA Sozialausschüsse). Heute ist er Schatzmeister im CDA-Bundesvorstand sowie im Vorstand der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Da sein Leitbild die christliche Soziallehre ist, in deren Mittelpunkt die Eigenverantwortlichkeit und die Solidarität des Menschen steht, verwundert es nicht unbedingt, dass er während der Erstausbildung noch die Abendschule besuchte, um Sozialarbeit zu studieren. Fast 30 Jahre hat Zylajew hauptamtlich bei der Kreis-Caritas daran mitgewirkt, den Verband zu einem humanitären Dienstleistungsbetrieb zu entwickeln, der fachlich kompetent soziale Dienste wie zum Beispiel die stationäre Altenpflege anbietet und gleichzeitig wirtschaftlich arbeitet. Während der Mitgliedschaft im Bundestag ist er dort beurlaubt.

Der Rheinländer an sich erzählt gern, auch Zylajew. Eine Einstiegsfrage ist überflüssig. Er schießt einfach los: "Ich bin Volksvertreter und kein Parteien- oder Gruppenvertreter, und da meine ich wirklich alle Gruppen und Schichten des Volkes." Er lässt sich nicht gern reduzieren auf eine von ihnen, wobei ihn seine Herkunft aus einer Arbeiterfamilie schon positioniert. Zweitens: "Wir haben uns in Deutschland ein bisschen abgewöhnt, langfristig zu denken. Wir müssen wieder lernen, wie Forstwirte zu denken und nicht wie Weihnachtsbaumplantagenbesitzer, das heißt, zu arbeiten, aber nicht unbedingt zu ernten. Aber ich weiß dann, dass die Arbeit für die nächsten Generationen wichtig ist."

Drittens: Denkweisen aus seiner technisch-handwerklichen Ausbildung projiziert Zylajew mühelos auf die Politik: "Wenn Sie in ein System eingreifen, in einen Kreislauf, um etwas zu reparieren, dann müssen sie sehr genau überlegen, wo sie eingreifen, wann sie eingreifen, und welche Folgen dies nicht nur zum Besseren haben kann. Man kann mit dem falschen Eingriff oder mit dem Eingriff zur falschen Zeit an der falschen Stelle einen Riesenschaden verursachen. Man muss den Prozessablauf zunächst einmal sauber analysieren, muss die Störung ausmachen und dann richtig eingreifen. Dabei muss man auch manchmal mutig rangehen."

Damit sind wir beim Thema Gesundheitsreform. Der Parlamentarier ist ein Anhänger der personenbezogenen Prämie und der Entkoppelung vom Arbeitslohn. Die personenbezogene Prämie müsse jedoch für den Einzelnen verkraftbar sein. Insofern plädiert er dann auch für Ersatzleistungen aus der Steuer für denjenigen, der sie nicht aufbringen kann. Andererseits soll der Arbeitgeber, der auch ein Interesse an gesunden Mitarbeitern haben sollte, einen verlässlichen Beitrag zahlen. Welches Paket dann angeboten werden könne, ist auch für ihn noch offen. "Ich bin sicher, wir werden uns von einem ,Rund-um-Sorglos-Paket' für einen minimalen Beitrag trennen müssen. Es wird ein Basispaket geben, und wer mehr will, muss mehr zahlen." Die Frage sei nur, wer dann dieses Paket anbiete.

Bliebe als drittes noch zu klären, wie mehr Wirtschaftlichkeit ins System kommt. Da sieht der Abgeordnete beispielsweise die Möglichkeit, Modellen der integrierten Versorgung eine größere Chance zu geben. Ärzte und andere Heilberufe könnten sich verzahnen und besser abstimmen, um Patienten eine optimale Versorgung anzubieten . Durch so ein Konzept könnten Mehrfachuntersuchungen wegfallen. Da gebe es noch enorme Ressourcen.

Sein Spezialgebiet ist in dieser Legislaturperiode die Pflegeversicherung, die reformiert werden muss. Als Berichterstatter in der Fraktion hat er damit ein wichtiges Aufgabengebiet gefunden. So hat er es auch mit der Entbürokratisierung des Heimgesetzes in seiner ersten Legislaturperiode gemacht - sich ein Teilgesetz herausgesucht und dann sozusagen projektorientiert gearbeitet. "Ich bin nirgendwo gerne Beisitzer, ich will etwas bewegen."

Vom verständnisvollen Politiker hält er nicht so viel. "Man kann zwar verständnisvoll durch die Gegend laufen. Aber es hat keinen Zweck." Als Mann des offenen Wortes widerspricht er auch, vor allem, wenn ihm jemand mit unangemessenen Forderungen kommt. "Ich äußere mich auch zum Ärger von Beteiligten." Das macht er nicht aus Lust am Widerspruch, sondern aus Überzeugung. Aber er kann auch werben, wenn er etwas durchbringen will. "Am Tage X brauchen Sie eine Mehrheit, deshalb müssen Sie um Vertrauen bei den Kollegen und Kolleginnen werben. Man muss vermitteln, dass man sauber abwägt und kein primitiver Interessenvertreter ist, sondern ein Gesamtbild hat." Das klingt logisch, als wäre alles ganz einfach. Doch vielleicht ist genau das gerade die Kunst des Willi Zylajew: analysieren, strukturieren, reformieren - mit den entsprechenden Mehrheiten - und wenig lamentieren.

Der Abgeordnete gibt sich keinen Illusionen hin, aber er sucht seine Chancen, weil er glaubt, ein Talent für die Fehleranalyse und -behebung zu haben. Den Menschen verliert er dabei jedoch nie aus den Augen: "Gute Politik ist das Nutzen von Möglichkeiten, die wir zur Zeit haben, um einen Beitrag dazu zu leisten, dass es sowohl den Menschen besser geht, die derzeit leben, als auch den zukünftigen Generationen."

Im Internet:
www.willi-zylajew.de


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.