Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 15 - 16 / 10.04.2006
sas

Flugsicherung auf Privatisierungskurs

Bund veräußert weiter Anteile
Verkehr und Bau. Grünes Licht für die Privatisierung der Deutschen Flugsicherung (DFS) hat der Bundestag am 7. April gegeben. Eine große Mehrheit der Abgeordneten votierte für das von der Bundesregierung eingebrachte Gesetz zur Neuregelung der Flugsicherung (16/240) in abgewandelter Fassung. Eine entsprechende Empfehlung hatte der Verkehrsausschuss (16/1161) gegeben. Das Gesetz, das den 1992 eingeleiteten Privatisierungsprozess der DFS mit einer Veräußerung seiner Anteile bis zu 74,9 Prozent fortschreibt, ermöglicht erstmals eine Beteiligung privater Kapitalgeber an der DFS sowie Wettbewerb bei den Flugsicherungsdiensten und setzt so die "Single European Sky"-Verordnung der EU um.

Sie schafft die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass private Organisationen künftig mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Flugsicherung beliehen werden können. Dessen ungeachtet hat die Regierung staatliche Kontroll- und Durchgriffsbefugnisse gegenüber beliehenen Organisationen durchgesetzt, um die "öffentlichen Belange des Bundes" zu wahren. Die Aufsicht und Kontrolle über die Sicherheit im Luftraum wird dem Bundesamt für Flugsicherung übertragen.

Nach Aussage der Koalitionsfraktionen soll mit den zuletzt vorgenommenen Änderungen im Text "Verfassungskonformität sichergestellt" werden. Darin geht es unter anderem um die Übertragung von Geschäftsanteilen auf den Bund unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn der Bundestag den Eintritt des Verteidigungsfalles feststellt. In diesem Fall sind die Gesellschafter verpflichtet, ihre Geschäftsanteile mit sofortiger Wirkung auf den Bund zu übertragen. Gleiches kann die Bundesregierung anordnen, wenn die beliehene Flugsicherungsorganisation die im Gesetz festgelegten Weisungen nicht oder nicht vollständig befolgt und dadurch die Sicherheit im Luftraum "in höchstem Maße" gefährdet wird. Die Bundesregierung sicherte bei den abschließenden Ausschussberatungen am 6. April zu, auch Regelungen zu treffen, wie die Deutsche Flugsicherung (DFS) im Fall einer Flugzeugentführung ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen kann. Die Geschäftsführung der DFS hatte in einem Brief an das Ministerium Verfahrensregeln erbeten, wie die DFS mit den Streitkräften zu kooperieren habe. In einem zum Gesetz eingebrachten Entschließungsantrag (16/1174) haben die Koalition, FDP und Grüne unter anderem ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass bei einem Verkauf der Gesellschaftsanteile der DFS Interessenkonflikte zwischen den Unternehmenszielen einzelner zukünftiger Investoren und dem Unternehmensziel der DFS ausgeschlossen werden.

Als Voraussetzung für eine Zustimmung zu der Gesetzesvorlage hatten Bündnis 90/Die Grünen zur Bedingung gemacht, die hoheitlichen Aufgaben für den Luftraum zu erhalten. Außerdem bezeichneten sie es als "zwingend notwendig", dass die Kooperation zwischen Bundeswehr und ziviler Luftfahrt bei einer Beleihung der Deutschen Flugsicherung "auf Zeit und Vertrauen" bestehen bleibt. Wesentliche Anregungen seitens der Fluglotsen und Gewerkschaften seien geprüft und in das Gesetzeswerk eingearbeitet worden. Allerdings haben man Wünschen der Gewerkschaft der Flugsicherung nach Beibehaltung der Bundeslizenz für Lotsen nicht nachkommen können, so die CDU/CSU-Fraktion. Sie verwies dabei auf entsprechende EU-Vorgaben, auf die man habe nicht "draufsatteln" wollen. Aus Unionssicht ist die Privatisierung der DFS ein "folgerichtigen Schritt". Auch mit einer besseren Dotierung des Personals des im Aufbau befindlichen Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung habe man sich beschäftigt und eine Lösung gefunden. Die SPD zeigte sich zufrieden mit der breiten Zustimmung, auf die das Gesetz letztlich gestoßen sei. Die Flugsicherung habe einen enormen "Sicherheitssprung" gemacht. Auch die FDP begrüßte das Gesetz. Aus ihrer Sicht geht es darum, eine "organisationsprivatisierte Flugsicherung" fit zu machen für den weltweiten Wettbewerb. Die Linke hatte bei den Beratungen den späten Zeitpunkt der Änderungsvorschläge der Koalition moniert. Eine auf ihren Antrag hin geforderte Anhörung zu dem Thema lehnte der Ausschuss mehrheitlich ab.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.