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1. So arbeiten die Nachrichtendienste


1.1. Wozu Geheimdienste?
1.2. Zu welchem Ziel?
1.3. Wer kümmert sich um was?
1.4. Was dürfen sie?

"Nachrichtendienst" - das wird leicht verwechselt mit Presseagenturen. In der DDR gab es sogar den Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst (ADN). Auch heute verwenden manche Medienunternehmen für ihre Internet-Angebote die Bezeichnung xy-"Nachrichtendienst". Es ist deshalb verständlich, dass in der Alltagssprache die Bezeichnung "Geheimdienst" gebräuchlicher ist. Das lässt sich leichter abgrenzen von den Nachrichtenagenturen, deren Korrespondenten auf der ganzen Welt Informationen ("Nachrichten") sammeln, die in den jeweiligen Zentralredaktionen bearbeitet und dann (als "Dienst") zur Veröffentlichung an Presse, Rundfunk und Fernsehen weitergeleitet werden. "Geheimdienst" klingt zudem spannender. Wir wollen dem Rechnung tragen, indem wir im folgenden einige einführende Betrachtungen unter der Überschrift "Geheimdienst" anstellen, dann aber zur präziseren Beschreibung häufiger auch die gesetzlich fixierte Bezeichnung "Nachrichtendienst" wählen.

1.1. Wozu Geheimdienste?

Schon sprachlich scheinen Geheimdienste eine Besonderheit für die demokratische Staatsform darzustellen. Sie wirken im Verborgenen und entziehen sich damit dem Wesen der Demokratie: dem Prinzip der Öffentlichkeit, der öffentlichen Kontrolle und der öffentlichen Verantwortung allen staatlichen Handelns. Geheimdienste haben sich zudem in Diktaturen als skrupellose Herrschaftsinstrumente einen zweifelhaften Ruf erworben. Im Genre der Krimis und Agententhriller tauchen Geheimdienste oft als mächtige, weltweit zuschlagende Organisationen auf, die sich wenig um geltende Gesetze und Rechte kümmern. Deshalb ist wiederholt die Radikalforderung nach einer Abschaffung sämtlicher Geheimdienste laut geworden. Doch das wäre erst recht problematisch für die Demokratie.

Denn nicht alle Staaten dieser Welt sind demokratisch. Und nicht alle Einwohner Deutschlands stehen zur Demokratie. Manche nationalistischen, extremistischen oder missionarisch religiös motivierten Bürger und Bewegungen, Parteien und Organisationen betrachten ihre eigene Anschauung als heilsbringend für die gesamte Menschheit und wollen sie der Allgemeinheit aufzwingen, ihnen ihre demokratischen Rechte nehmen. Andere streben einfach nach unkontrollierter und unwiderrufbarer persönlicher Macht. Schließlich drohen Gefahren durch andere Staaten, die die Entscheidungsfreiheit der Deutschen beeinträchtigen könnten oder sich im globalen Wettbewerb unlautere Vorteile zu Lasten der deutschen Wirtschaft durch das Abhören vertraulicher Kommunikation verschaffen. Es gibt also genügend Gründe, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Das Grundgesetz zieht Lehren aus der Vergangenheit: Nicht noch einmal sollen sich menschenverachtende Regime wie der Nationalsozialismus darüber lustig machen können, dass ihnen der demokratische Staat die Instrumente zu seiner eigenen Vernichtung auch noch selbst zur Verfügung stellte. Die Alternative heißt wehrhafte Demokratie.

1.2. Zu welchem Ziel?

Doch Geheimdienste in einer wehrhaften Demokratie haben beide Aspekte gleichgewichtig zu beachten – wehrhaft und Demokratie. Das markiert Orientierungsmuster für die Priorität: Es dürfen keine Grundrechte der Bürger beschnitten werden, nur damit ein Dienst besser oder bequemer arbeiten kann. Es dürfen auch keine Bürger bespitzelt werden, nur weil sie eine andere Meinung vertreten. Deshalb sind die Wesensbestandteile der Demokratie durch das Grundgesetz und die Verfassungsrechtsprechung definiert worden, die in besonderer Weise gegen Angriffe geschützt werden müssen. Daraus ergibt sich das Feld, auf dem Geheimdienste in Deutschland tätig werden dürfen. In ihrem Visier sind deshalb alle Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, die folgenden Merkmale abzuschaffen oder einzuschränken:

• das Recht auf Opposition
• die Chancengleichheit der Parteien
• die Unabhängigkeit der Gerichte
• das Mehrparteienprinzip
• der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit
• die Verantwortlichkeit der Regierung
• die Gewaltenteilung
• die Volkssouveränität
• die Menschenrechte

Dasselbe gilt natürlich nicht nur für den Bestand der verfassungsmäßigen Ordnung im Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland, sondern auch für den Bestand jedes einzelnen Bundeslandes der föderalen Republik. Diese Wesensbestandteile unserer Demokratie können jedoch nicht nur von innen unter Druck geraten. Die Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands dient letztlich ebenfalls diesem Zweck, der in einer friedlichen, auf gerechtem Ausgleich und fairer Entwicklung aufgebauten Welt seinen globalen Ausdruck findet. Dafür bedarf es genauer Informationen, die nicht nur in den Zeitungen stehen (zumal in nicht wenigen Staaten die Presse immer noch staatlich gelenkt ist). Auch die Bundeswehr als Instrument sowohl der Landesverteidigung als auch der Außen- und Sicherheitspolitik benötigt spezielle Informationen über sie gefährdende Bestrebungen und Vorgänge.

1.3. Wer kümmert sich um was?

Die Abwehr von Gefahren für die oben genannten Grundpfeiler der Demokratie teilen sich drei Dienste mit jeweils strikt voneinander getrennten Aufgabenbereichen. Grob gesagt ist das Bundesamt für den Verfassungsschutz der Inlands-Nachrichtendienst, der Bundesnachrichtendienst der Auslands-Nachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst der Bundeswehr-Nachrichtendienst.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) arbeitet eng mit den Verfassungsschutzbehörden der Bundesländer zusammen. Denn Extremisten kümmert es wenig, ob das Ziel ihrer Aktivitäten im Zuständigkeitsbereich des Bundes oder der Länder liegt. Gemeinsam behalten die Verfassungsschutzbehörden alle Bestrebungen im Auge, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden oder die Verfassungsorgane (Parlamente, Regierungen, Gerichte) des Bundes oder der Länder in ihrer Arbeit beeinträchtigen. Zudem versucht der Verfassungsschutz, Spione anderer Staaten zu entlarven, die auf dem Bundesgebiet operieren. Ebenfalls soll der Verfassungsschutz Hinweise auf Gewalttaten liefern, die in Deutschland vorbereitet oder ausgeübt werden, wenn sie Auswirkungen auf die auswärtigen Interessen Deutschlands haben könnten. Schließlich halten sich die Verfassungsschützer bereit, bei der Überprüfung von Personen mitzuwirken, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten, und technische Hilfe zu geben, wenn es darum geht, Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse geheim zu halten.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hält die Bundesregierung auf dem Laufenden über die Entwicklung in anderen Staaten: Wo zeichnen sich Konflikte ab? Wer rüstet gegen wen? Wie werden deutsche Exporte verwendet – möglicherweise zweckentfremdet? Verdichten sich Anhaltspunkte zur Bedrohung? Gegen wen richtet sich der internationale Terrorismus, die Geldwäsche, der Waffenschmuggel, der Drogenhandel? Viele Fragen, deren Antworten für die Entscheidungen der Regierung und die Beschlüsse des Parlamentes wichtig sind. Schließlich ist Deutschland als wirtschaftlich bedeutendes Exportland global engagiert – und damit auch schnell von vielen Konflikten und Spannungen betroffen.

Der Militärische Abschirmdienst (MAD) ist Teil der deutschen Streitkräfte und gewissermaßen der „Verfassungsschutz für die Bundeswehr“. Das heißt: alles was die Verfassungsschutzämter für den Bund und die Länder wahrnehmen, übernimmt der MAD für die Bundeswehr. Er sammelt Informationen über extremistische, fremde geheimdienstliche oder sicherheitsgefährdende Bestrebungen, die von Angehörigen der Bundeswehr ausgehen oder sich gegen die Streitkräfte richten. Das Ergebnis seiner Auswertung übermittelt er der politischen und militärischen Führung der Bundeswehr sowie den Kommandeuren und Dienststellenleitern, die für die Einsatzbereitschaft verantwortlich sind. Außerdem unterstützt er die Sicherheitsüberprüfung von Personen, die militärische Geheimnisträger sind oder werden sollen.

1.4. Was dürfen sie?

Wollte man die Arbeit der drei Dienste auf eine vereinfachende Formel bringen, so könnte man sie in erster Linie nicht als Jäger, sondern vornehmlich als Sammler bezeichnen. Sie werten zum Beispiel die Medienberichterstattung aus, um einen ersten Überblick zu erhalten. Sie schauen Broschüren und Parteipublikationen durch, untersuchen Programme und Aufrufe, nehmen Informationen anderer Behörden auf, befragen Spezialisten oder Zeugen und erhalten beim MAD auch Meldungen aus der Truppe.

Doch daraus lässt sich noch kein vollständiges Bild über die Bedrohung der Republik und ihrer Bürger gewinnen: Terroristen geben selten Broschüren heraus und weisen die Öffentlichkeit kaum freiwillig darauf hin, wie man ihre geplanten Anschläge unterbinden könnte. Damit die Nachrichtendienste aber auch getarnte oder geheimgehaltene Aktivitäten aufklären können, dürfen sie auch „nachrichtendienstliche Mittel“ einsetzen. Das sind zum Beispiel Kontaktpersonen, die innerhalb verdächtiger Organisationen zur regelmäßigen Berichterstattung gewonnen oder gezielt darauf angesetzt werden, also Gewährspersonen oder Vertrauensleute („V-Männer“). Dazu gehört auch das Observieren von Gebäuden, Geländen und Personen. Zur nachrichten-dienstlichen Informationsgewinnung zählt aber auch die gezielte Auswertung von Post und Telefongesprächen.

Der Einsatz dieser im Hinblick auf die Grundrechte heiklen Mittel unterliegt eng umrissenen Beschränkungen. So müssen Abhörmaßnahmen genau begründet, von der Leitung des zuständigen Ministeriums angeordnet und von der G10-Kommission in jedem Einzelfall genehmigt werden.

In Abgrenzung zu manchen anderen ausländischen Nachrichtendiensten ist es dem BND beispielsweise untersagt, andere Staaten politisch zu beeinflussen, Desinformationskampagnen zu starten, Sabotage-Akte oder Anschläge zu begehen. Allen drei Diensten gemeinsam ist die gesetzliche Betonung, dass sie keinerlei polizeiliche Befugnisse haben und zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch nicht die Polizei hinzuziehen dürfen.

Quelle: http://www.bundestag.de/parlament/kontrollgremien/archiv/parlkon/parlkonneu/parlkon1
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