10.2.1.5 Internationale
Verhandlungen als Bausteine einer
Global Governance
Kernprobleme der Weltwirtschaft werden auf
Gipfel treffen der G7/G8, in Verhandlungsrunden der WTO,
UNCTAD und auf den
Jahrestagungen des IWF und der Weltbank behandelt. Kritiker sehen
in diesen Veranstaltungen ein „Kartell der Reichen und
Mächtigen“, die das Sagen in der Weltwirtschaft
hätten. Wichtige Beispiele für globale Verhandlungen
waren auch die Weltkonferenzen der Vereinten Nationen in den 90er
Jahren, beginnend mit dem sog. „Erd-Gipfel“, der
Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro
(vgl. Messner und Nuscheler 1996, Fues und Hamm 2001).
Diese Weltkonferenzen sollten auch einen
Beitrag zur Bearbeitung der sozialen und ökologischen
Folgekosten der Globalisierung leisten. Die Regierungen des
Südens, auf deren Initiative diese Konferenzen zustande kamen,
bemühen sich heute nahezu ausnahmslos um die Integration in
die globale Ökonomie. Ihre Hoffnung war, dass die Entwicklung
weltumspannender Regelwerke für die Weltwirtschaft und ein
internationaler Machtausgleich ihnen dabei neue
Handlungsmöglichkeiten eröffnen könnten.
Auch wenn die
bisherige Erfolgsbilanz der Weltkonfe renzen wenig
spektakulär ist, können sie optimistisch gesehen
als Vorboten eines tiefgreifenden Struktur- und Formwandels der
globalen Politik hin zu einer
Global Governance gedeutet werden (vgl. Hamm und Fues 2000):
Die Innovationsleistung der Weltkonferenzen bestehe in der
Erarbeitung eines prototypischen Modells für die kooperative,
solidarische und partizipative Problembearbeitung im
internationalen System. Weltkonferenzen hätten das Potenzial,
Teil eines qualitativ neuen transnationalen Steuerungsmodells zu
sein: zum einen durch die Verknüpfung sämtlicher
Handlungsebenen (von der lokalen bis zur globalen) und zum anderen
durch die Eröffnung einer internationalen Arena für
heterogene staatliche wie nichtstaatliche Akteure, die sich in
Netzwerken verbünden oder auf Foren streiten können. In
diesem Sinne können die Weltkonferenzen als ein
„Laboratorium“ oder eine „Lernwerkstatt“
für
Global Governance wirken: Der Fundus nationaler und lokaler
Erfahrungen und „best practices“ könnte kooperativ
für globale Problemlösungen sowie die gesammelten
Erfahrungen als Vertrauensgrundlage für eine evolutionäre
Umgestaltung des globalen Ordnungsrahmens genutzt werden.
In der Diskussion
wurde allerdings auch eine sehr viel skeptischere Sicht
vorgebracht. Sie macht geltend, dass die Konzentration auf die
Hervorbringung und Entstehung neuer globaler Strukturen, wie z.B.
der Weltkonferenzen, leicht dazu führen könne, hierin ein
Indiz für das Voranschreiten von
Global Governance zu sehen, das an sich schon positiv zu
bewerten sei. Auf Weltkonferenzen komme es aber kaum noch zu
konkreten Verabredungen, und wenn doch, würden sie
überwiegend nicht eingehalten.
Auf jeden Fall
sollten die Chancen der Follow-Up-Prozesse der
Weltkonferenzen besser genutzt werden (vgl. Fues und Hamm
2001). Oft finden sich in den Aktionsprogrammen der Weltkonferenzen
bereits die Lösungen für viele globale Probleme. Trotz
der Zustimmung der Staaten zu diesen Programmen fehlt es aber an
ihrer Umsetzung, oft genug sind auch Finanzierungsfragen noch
ungeklärt. So sollten die Folgeprozesse durch wirksame
Überprüfungsmechanismen unterstützt werden und auch
„harte“ Fragen der Weltwirtschaft und
Sicherheitspolitik in eine kooperative Gestaltung der globalen
Politik einbezogen werden. Um dies effektiv zu gestalten, sind
weltweit eine kritische Öffentlichkeit und selbstbewusste
Parlamente vonnöten.
Zur Zeit wird der Weltgipfel für
nachhaltige Entwicklung 2002 (World Summit on Sustainable
Development, WSSD) in Johannesburg, Südafrika,
vorbereitet.29 Der Gipfel
soll eine Bestandsaufnahme vornehmen, was seit Rio mit Blick auf
die nachhaltige Entwicklung unserer Erde erreicht wurde. Dieses
Zusammentreffen sollte genutzt werden, um der globalen
Umweltpolitik und dem gesamten Politikfeld „Nachhaltige
Entwicklung“ neue Impulse zu geben.
Empfehlung 10-4
Weltkonferenzen als Politikarena nutzen
Mit Blick auf
zukünftige Weltkonferenzen empfiehlt die Enquete-Kommission
die Verabschiedung neuer Leitlinien durch das Bundeskabinett
für die Gesamtheit der nationalstaatlichen
Außenbeziehungen, in denen die Weltkonferenzen als wichtige
Politikarenen berücksichtigt werden. Zur besseren Vor- und
Nachbereitung der jeweiligen Weltkonferenzen ist die Einrichtung
von interminis-teriellen Steuerungsgruppen sinnvoll: Diese sollen
in der Vorbereitung für die Koordination und Kohärenz der
deutschen Beiträge zur jeweiligen Konferenz verant
wortlich zeichnen und in der Nachbereitung auf die systematische
Umsetzung der beschlossenen Programme drängen. Der Aufbau bzw.
Ausbau von heterogenen Politiknetzwerken in Deutschland für
den institutionalisierten Dialog mit interessierten Akteursgruppen
(u.a. Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, NROs, Wissenschaft,
Berufsvereinigungen) soll dazu beitragen, eine solche
Steuerungsgruppe in ihrer Arbeit zu
unterstützen.
29 Vgl. http://www.weltgipfel2002.de/ und
http://www.johannesburgsummit. org/ (30. April
2002).
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