*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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11.1.5.7   Die Umwelt retten: Durch eine global angelegte nachhaltige Entwicklung Armut bekämpfen und die Ressourcen­ effizienz erhöhen

Die Globalisierung steigert den Wohlstand in Industrie- und Entwicklungsländern. Für die Umwelt resultieren daraus zwei Probleme: Zum einen kann mehr Wachstum und Wohlstand in der Regel ein höheres Maß an Umweltbelas­ tung bedeuten, weil bei der Produktion der Güter zusätzliche Ressourcen benötigt werden, Emissionen anfallen und mehr Konsumgüter auch mehr Abfall bedeuten. Zum anderen setzen die lokal angestammten Produzenten in Entwicklungsländern vielfach Technologien ein, die wesentlich umweltbelastender als die in den Industrieländern angewandten Methoden sind.

Armut: Gift für die Umwelt

Nach Indira Gandhi ist Armut das „schärfste Gift für die Umwelt”. Ein aus Armut getriebener Zwang zum Überleben lässt den Menschen keine Wahl zwischen umweltfreundlichem oder umweltfeindlichem Verhalten. Insoweit verlagert sich die Frage nach dem Schutz der Umwelt auch auf das Thema der Auswirkungen der Globalisierung auf die Armutsbekämpfung. Dabei kommt es weniger auf die relative Ungleichheit in der Folge der Globalisierung als auf die Bekämpfung der Armut an. Die Auswirkung der Globalisierung auf die Umwelt wird davon abhängen, ob es durch nationale und internationale Maßnahmen gelingt, die wirtschaftlichen Vorteile der Globalisierung in möglichst weitem Umfang auch den ärmsten Ländern und den ärmsten Menschen zu Gute kommen zu lassen.

Mit dem Überschreiten eines gewissen Maßes des Wohlstands wachsen die persönlichen Ansprüche der Menschen, und damit können auch Umweltbelastungen verstärkt werden. Der Blick auf die zunehmende Motorisierung in Industrie- und Schwellenländern weist auf diese Seite von Globalisierung und Wachstum hin. Dabei ist klar, dass es dem Norden gegenüber dem Süden moralisch verwehrt ist, einen doppelten Maßstab anzulegen und dem Süden das Recht auf gleiche Belastung der Ressourcen abzusprechen.

Mehr Umweltschutz durch Suffizienz, Effizienz und Konsistenz

Aus dieser Situation kann letztlich nur die drastische Erhöhung der Produktivität der Ressourcen herausführen. Vor diesem Hintergrund bedarf es zweifelsfrei neuer Anstrengungen im Bereich der Suffizienz, Effizienz und der Konsistenz. Ein positiver Beleg für den Zusammenhang zwischen ökonomischem Wachstum und Umweltschutz findet sich etwa in der Entwicklung der Schadstoffe in Luft und Wasser in Industriestaaten in den vergangenen Jahrzehnten. Das wirtschaftliche Wachstum hat in vielen Ländern Ressourcen frei gemacht, die zu erheblichen umweltpolitischen Fortschritten geführt haben.

Immer wieder sind Klagen darüber zu hören, dass transnationale Unternehmen ihre Produktion zur Senkung ihrer Kosten in Länder mit wenig ausgeprägter Umweltgesetzgebung auslagern und damit die Umwelt schädigen könnten. Empirische Belege für eine solche These gibt es – spätestens nach Bhopal – nicht.

Schonung der Umwelt durch Multinationale Unternehmen

Im Gegenteil: Transnationale Unternehmen arbeiten in der Regel mit moderner, sonst im Gastland oft nicht vorhandener, Technologie und leisten auf diese Weise einen Beitrag zur Schonung der Umwelt und damit auch zu qualitativen Sprüngen zum Schutz und der Effizienzerhöhung der Ressourcen („leap-frogging“). Die entsprechenden Direktinvestitionen führen zu einem Technologietransfer, der häufig auch zu einem spill-over in andere Bereiche des Ziellandes führt. Eine Studie des UBA hat ergeben, dass die Verbesserung der Umweltstandards durch deutsche Unternehmen in Entwicklungsländern schon lange stattfindet und nicht nur eine optimistische Hoffnung ist.

Die Globalisierung erhöht auch das Umweltbewusstsein und die Verfügbarkeit von Informationen über die Folgen von Umweltschäden und ihre Vermeidung und verbessert damit die Chancen einer verbesserten internationalen Umweltpolitik.

Situation der Dritten Welt beim Umweltschutz berücksichtigen

Besondere Bedeutung bei der zukünftigen Entwicklung der globalen Umwelt kommt der Lage in der Dritten Welt zu. Die nationale Souveränität prägt die internationale Ordnung auch heute noch – auch in Bezug auf die Umweltpolitik, wie in allen globalen Erklärungen zur internationalen Umweltpolitik immer wieder betont wird. Gerade die Entwicklungsländer bestehen darauf, Entwicklungsstrategien samt der ökologischen Dimension einzelstaatlich selbst zu entscheiden. Die Ursachen von Umweltproblemen müssen also in erster Linie von den jeweils    territorial zuständigen Ländern vor Ort beseitigt werden. Hieraus ergibt sich das Dilemma, dass einerseits die Entwicklungsländer auf Grund ihrer natürlichen Ressourcen, ihrer wirtschaftlich schwierigen Lage und ihrer Bevölkerungszahlen einen besonderen Einfluss auf die Entwicklung der globalen Umweltprobleme haben, dass sie andererseits aber nur begrenzt imstande sind, ihre Politik auf die Themenfelder der globalen Umweltpolitik auszurichten. In den Bereichen Klimaveränderung und Erhaltung der Artenvielfalt wird dieses Problem besonders deutlich.

Neue globale Umweltpartnerschaft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern

Für die Industriestaaten ergibt sich damit die Notwendigkeit, über Normen und Modalitäten einer neuen globalen Umweltpartnerschaft nachzudenken, welche es den Entwicklungsländern ermöglicht, im Sinne des Prinzips der „gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung“ mittel- und langfristig einen eigenen Beitrag zu leisten und ihre Wirtschafts- und Entwicklungspolitik mit Rücksicht auf die globale Umweltsituation auszurichten. Die heutigen Entwicklungsländer müssen in die Lage versetzt werden, ihren Beitrag zur Entwicklung einer nachhaltigen Strategie zu leisten. Hier sollen einige Felder benannt werden, auf denen eine globale Umweltpartnerschaft zum Ausdruck kommen muss:

    die Entwicklung von Rahmenbedingungen – gerade im Bereich der globalen öffentlichen und industriellen FuE-Anstrengungen, die weltweit die Entwicklung neuer umweltfreundlicher Technologien in Richtung einer höheren Ressourceneffizienz fördert;

    die Entwicklung von Rahmenbedingungen, die den Einsatz umweltfreundlicher Technologie in Entwicklungsländern fördert;

    die Ausrichtung der Entwicklungspolitik auf das Leitbild der „Good Governance“, das gleichermaßen die ökonomische, soziale und ökologische Dimension umfasst; hierfür sind dringend operationale Kriterien zu entwickeln;

    die angemessene Verstärkung der Umweltaspekte im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit; der Erfolg künftiger Entwicklungs- und Umweltpolitik wird entscheidend von der Deckung des enormen Finanzbedarfs sowie dem Einsatz moderner Umwelttechnik abhängen; insoweit muss die internationale – gerade auch die deutsche – Entwicklungshilfe wieder ausgebaut werden;

    das stärkere Bemühen um eine effizientere Berücksichtigung globaler umweltpolitischer Belange in der Arbeit der internationalen Finanzsituation, wobei in erster Linie der Aufbau umweltrelevanter Institutionen („Capacity building“) stärker gefördert werden muss;

    das verstärkte Bemühen um die Verhandlungen für eine effiziente globale Umweltorganisation.

Neue nationale und internationale Vorgaben zum Schutz der Umwelt müssen unter Berücksichtigung der jeweiligen Lage und des Standes der verschiedenen Länder (weiter)entwickelt werden. Bestimmte Standards können keine fixen Ziele per se sein. Ziel ist es, diese Standards im Laufe und Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu fördern und fortzuentwickeln.

Nachhaltigkeitsstrategien stärker vorantreiben

Zusätzlich sollte die in Rio de Janeiro vor zehn Jahren von der internationalen Völkergemeinschaft beschlossene Nachhaltigkeitsstrategie stärker vorangetrieben werden als in der zurückliegenden Dekade. Ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit sind Voraussetzung globaler Erfolge. Sie bedingen sich gegenseitig und können nicht teiloptimiert werden, ohne die Entwicklungsprozesse als Ganzes in Frage zu stellen. Zur Durchsetzung der Nachhaltigkeitsidee bedarf es zwar der rechtlichen Rahmensetzung. Innerhalb des völkerrechtlichen Rahmens sind aber weniger staatliche Regulierungen als vielmehr Wettbewerb der Ideen und individuelle Ansätze gefragt. Auch sind freiwillige Vereinbarungen und Codes of conduct ebenso begrüßenswert wie die Erprobung neuer Politikansätze. Abgaben und Steuern als flexible Elemente sind grundsätzlich starrem Ordnungsrecht vorzuziehen – nicht nur, aber auch in der Umweltpolitik.

Die Nachhaltigkeitsforderung eines internationalen und intergenerativen Interessenausgleichs zielt außerdem auf eine bessere Entwicklungszusammenarbeit. Fairer Inte­ ressenausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern erfordert Chancengleichheit, diese wiederum eine direkte Förderung der zurückgebliebenen Länder, was einen mindestens relativen Verzicht der Industrieländer zur Bedingung hat. Ohne eine verstärkte Entwicklungsorientierung der Politik der Industrieländer wird es nicht möglich sein, den Nord-Süd-Gegensatz zu überwinden.




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