11.1.5.7 Die Umwelt retten: Durch
eine global angelegte nachhaltige Entwicklung Armut bekämpfen
und die Ressourcen effizienz erhöhen
Die Globalisierung steigert den Wohlstand in
Industrie- und Entwicklungsländern. Für die Umwelt
resultieren daraus zwei Probleme: Zum einen kann mehr Wachstum und
Wohlstand in der Regel ein höheres Maß an
Umweltbelas tung bedeuten, weil bei der Produktion der
Güter zusätzliche Ressourcen benötigt werden,
Emissionen anfallen und mehr Konsumgüter auch mehr Abfall
bedeuten. Zum anderen setzen die lokal angestammten Produzenten in
Entwicklungsländern vielfach Technologien ein, die wesentlich
umweltbelastender als die in den Industrieländern angewandten
Methoden sind.
Armut: Gift für die Umwelt
Nach Indira Gandhi ist Armut das
„schärfste Gift für die Umwelt”. Ein aus
Armut getriebener Zwang zum Überleben lässt den Menschen
keine Wahl zwischen umweltfreundlichem oder umweltfeindlichem
Verhalten. Insoweit verlagert sich die Frage nach dem Schutz der
Umwelt auch auf das Thema der Auswirkungen der Globalisierung auf
die Armutsbekämpfung. Dabei kommt es weniger auf die relative
Ungleichheit in der Folge der Globalisierung als auf die
Bekämpfung der Armut an. Die Auswirkung der Globalisierung auf
die Umwelt wird davon abhängen, ob es durch nationale und
internationale Maßnahmen gelingt, die wirtschaftlichen
Vorteile der Globalisierung in möglichst weitem Umfang auch
den ärmsten Ländern und den ärmsten Menschen zu Gute
kommen zu lassen.
Mit dem Überschreiten eines gewissen
Maßes des Wohlstands wachsen die persönlichen
Ansprüche der Menschen, und damit können auch
Umweltbelastungen verstärkt werden. Der Blick auf die
zunehmende Motorisierung in Industrie- und Schwellenländern
weist auf diese Seite von Globalisierung und Wachstum hin. Dabei
ist klar, dass es dem Norden gegenüber dem Süden
moralisch verwehrt ist, einen doppelten Maßstab anzulegen und
dem Süden das Recht auf gleiche Belastung der Ressourcen
abzusprechen.
Mehr Umweltschutz durch Suffizienz,
Effizienz und Konsistenz
Aus dieser Situation kann letztlich nur die
drastische Erhöhung der Produktivität der Ressourcen
herausführen. Vor diesem Hintergrund bedarf es zweifelsfrei
neuer Anstrengungen im Bereich der Suffizienz, Effizienz und der
Konsistenz. Ein positiver Beleg für den Zusammenhang zwischen
ökonomischem Wachstum und Umweltschutz findet sich etwa in der
Entwicklung der Schadstoffe in Luft und Wasser in Industriestaaten
in den vergangenen Jahrzehnten. Das wirtschaftliche Wachstum hat in
vielen Ländern Ressourcen frei gemacht, die zu erheblichen
umweltpolitischen Fortschritten geführt haben.
Immer wieder sind Klagen darüber zu
hören, dass transnationale Unternehmen ihre Produktion zur
Senkung ihrer Kosten in Länder mit wenig ausgeprägter
Umweltgesetzgebung auslagern und damit die Umwelt schädigen
könnten. Empirische Belege für eine solche These gibt es
– spätestens nach Bhopal – nicht.
Schonung der Umwelt durch
Multinationale Unternehmen
Im Gegenteil: Transnationale Unternehmen
arbeiten in der Regel mit moderner, sonst im Gastland oft nicht
vorhandener, Technologie und leisten auf diese Weise einen Beitrag
zur Schonung der Umwelt und damit auch zu qualitativen
Sprüngen zum Schutz und der Effizienzerhöhung der
Ressourcen („leap-frogging“). Die entsprechenden
Direktinvestitionen führen zu einem Technologietransfer, der
häufig auch zu einem spill-over in andere Bereiche des
Ziellandes führt. Eine Studie des UBA hat ergeben, dass die
Verbesserung der Umweltstandards durch deutsche Unternehmen in
Entwicklungsländern schon lange stattfindet und nicht nur eine
optimistische Hoffnung ist.
Die Globalisierung erhöht auch das
Umweltbewusstsein und die Verfügbarkeit von Informationen
über die Folgen von Umweltschäden und ihre Vermeidung und
verbessert damit die Chancen einer verbesserten internationalen
Umweltpolitik.
Situation der Dritten Welt beim
Umweltschutz berücksichtigen
Besondere Bedeutung bei der zukünftigen
Entwicklung der globalen Umwelt kommt der Lage in der Dritten Welt
zu. Die nationale Souveränität prägt die
internationale Ordnung auch heute noch – auch in Bezug auf
die Umweltpolitik, wie in allen globalen Erklärungen zur
internationalen Umweltpolitik immer wieder betont wird. Gerade die
Entwicklungsländer bestehen darauf, Entwicklungsstrategien
samt der ökologischen Dimension einzelstaatlich selbst zu
entscheiden. Die Ursachen von Umweltproblemen müssen also in
erster Linie von den jeweils territorial zuständigen Ländern vor Ort
beseitigt werden. Hieraus ergibt sich das Dilemma, dass einerseits
die Entwicklungsländer auf Grund ihrer natürlichen
Ressourcen, ihrer wirtschaftlich schwierigen Lage und ihrer
Bevölkerungszahlen einen besonderen Einfluss auf die
Entwicklung der globalen Umweltprobleme haben, dass sie
andererseits aber nur begrenzt imstande sind, ihre Politik auf die
Themenfelder der globalen Umweltpolitik auszurichten. In den
Bereichen Klimaveränderung und Erhaltung der Artenvielfalt
wird dieses Problem besonders deutlich.
Neue globale Umweltpartnerschaft
zwischen Industrie- und Entwicklungsländern
Für die Industriestaaten ergibt sich
damit die Notwendigkeit, über Normen und Modalitäten
einer neuen globalen Umweltpartnerschaft nachzudenken, welche es
den Entwicklungsländern ermöglicht, im Sinne des Prinzips
der „gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung“
mittel- und langfristig einen eigenen Beitrag zu leisten und ihre
Wirtschafts- und Entwicklungspolitik mit Rücksicht auf die
globale Umweltsituation auszurichten. Die heutigen
Entwicklungsländer müssen in die Lage versetzt werden,
ihren Beitrag zur Entwicklung einer nachhaltigen Strategie zu
leisten. Hier sollen einige Felder benannt werden, auf denen eine
globale Umweltpartnerschaft zum Ausdruck kommen muss:
– die
Entwicklung von Rahmenbedingungen – gerade im Bereich der
globalen öffentlichen und industriellen FuE-Anstrengungen, die
weltweit die Entwicklung neuer umweltfreundlicher Technologien in
Richtung einer höheren Ressourceneffizienz fördert;
– die
Entwicklung von Rahmenbedingungen, die den Einsatz
umweltfreundlicher Technologie in Entwicklungsländern
fördert;
– die
Ausrichtung der Entwicklungspolitik auf das Leitbild der
„Good Governance“, das gleichermaßen die
ökonomische, soziale und ökologische Dimension umfasst;
hierfür sind dringend operationale Kriterien zu
entwickeln;
– die
angemessene Verstärkung der Umweltaspekte im Rahmen der
Entwicklungszusammenarbeit; der Erfolg künftiger Entwicklungs-
und Umweltpolitik wird entscheidend von der Deckung des enormen
Finanzbedarfs sowie dem Einsatz moderner Umwelttechnik
abhängen; insoweit muss die internationale – gerade auch
die deutsche – Entwicklungshilfe wieder ausgebaut werden;
– das
stärkere Bemühen um eine effizientere
Berücksichtigung globaler umweltpolitischer Belange in der
Arbeit der internationalen Finanzsituation, wobei in erster Linie
der Aufbau umweltrelevanter Institutionen („Capacity
building“) stärker gefördert werden muss;
– das
verstärkte Bemühen um die Verhandlungen für eine
effiziente globale Umweltorganisation.
Neue nationale und internationale Vorgaben
zum Schutz der Umwelt müssen unter Berücksichtigung der
jeweiligen Lage und des Standes der verschiedenen Länder
(weiter)entwickelt werden. Bestimmte Standards können keine
fixen Ziele per se sein. Ziel ist es, diese Standards im
Laufe und Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu fördern und
fortzuentwickeln.
Nachhaltigkeitsstrategien stärker
vorantreiben
Zusätzlich
sollte die in Rio de Janeiro vor zehn Jahren von der
internationalen Völkergemeinschaft beschlossene
Nachhaltigkeitsstrategie stärker vorangetrieben werden als in
der zurückliegenden Dekade. Ökonomische, soziale und
ökologische Nachhaltigkeit sind Voraussetzung globaler
Erfolge. Sie bedingen sich gegenseitig und können nicht
teiloptimiert werden, ohne die Entwicklungsprozesse als Ganzes in
Frage zu stellen. Zur Durchsetzung der Nachhaltigkeitsidee
bedarf es zwar der rechtlichen Rahmensetzung. Innerhalb des
völkerrechtlichen Rahmens sind aber weniger staatliche
Regulierungen als vielmehr Wettbewerb der Ideen und individuelle
Ansätze gefragt. Auch sind freiwillige Vereinbarungen und
Codes of conduct ebenso begrüßenswert wie die
Erprobung neuer Politikansätze. Abgaben und Steuern als
flexible Elemente sind grundsätzlich starrem Ordnungsrecht
vorzuziehen – nicht nur, aber auch in der Umweltpolitik.
Die
Nachhaltigkeitsforderung eines internationalen und intergenerativen
Interessenausgleichs zielt außerdem auf eine bessere
Entwicklungszusammenarbeit. Fairer Inte ressenausgleich
zwischen Industrie- und Entwicklungsländern erfordert
Chancengleichheit, diese wiederum eine direkte Förderung der
zurückgebliebenen Länder, was einen mindestens relativen
Verzicht der Industrieländer zur Bedingung hat. Ohne eine
verstärkte Entwicklungsorientierung der Politik der
Industrieländer wird es nicht möglich sein, den
Nord-Süd-Gegensatz zu überwinden.
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