*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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11.2.2     Minderheitenvoten

11.2.2.1   Einleitung des Abschlussberichts

Die FDP trägt das Einleitungskapitel in weiten Teilen nicht mit. Maßgeblich dafür sind inhaltliche Fehler und Wertungstendenzen, die einer liberalen Einschätzung entgegenlaufen. Beispielhaft seien folgende Punkte erwähnt:

1.   Die historische Darstellung ist stark verzerrt. Völlig ausgeblendet werden die Handelsaktivitäten etwa der Phönizier, der Genuesen, Venezianer oder auch der Araber, die die Behauptung von der ersten Blüte eines europazentrierten Welthandels im 17. Jahrhundert widerlegen. Unzutreffend ist auch das Kriterium der nationalen Grenzen, da von einem Nationalstaat im modernen Sinne erst seit der Französischen Revolution gesprochen werden kann.

2.   An keiner Stelle der Einführung wird klar, woran die Enquete-Mehrheit die Asymmetrie des internationalen Handels misst. Geht es um Bevölkerungszahlen, um das reale Bruttoinlandsprodukt, um geographische Ausdehnung von Ländern oder die schlichte Zahl der Staaten? So kann man nicht von Asymmetrie nur deshalb sprechen, weil sich nur 15 Prozent des Welthandels zwischen unterschiedlichen Erdteilen abspielt oder weniger als 3 Prozent des Welthandels Afrika berühren. Verfehlt ist an dieser Stelle die Behauptung, dass ein großer Teil der Exporterlöse der Entwicklungsländer für den Schuldendienst aufgezehrt wird, denn hierbei wird eine ganz andere Dimension der behaupteten Asymmetrie berührt.

3.   Die Subventionierung der Transportkosten durch die öffentliche Hand gehört nicht in die Aufzählung der Entwicklungsstränge, die die Globalisierung befördern.

4.   Nicht haltbar ist, dass den Finanzmärkten ihre Instabilität mit der Begründung vorgeworfen wird, Anlageentscheidungen würden unter Unsicherheit getroffen. Ein Großteil der Entscheidungen im Leben findet unter Unsicherheit statt. Hieraus auf eine generelle Instabilität gesellschaftlicher Entwicklungen zu schlie­ ßen, ist unangebracht. Die Instabilität ist zudem kein einzigartiges Merkmal der Finanzmärkte. Ebenso sollte nicht von finanzieller Stabilität als hohem öffentlichem Gut oder den „Kosten der finanziellen Stabilisierung“ gesprochen werden, sondern allenfalls von stabilen Rahmenbedingungen für internationale Märkte. Effektive Stabilität ist im besten Falle das Ergebnis, das sich ex post einstellt.

5.   Ökonomisch erklärungsbedürftig ist die Feststellung, dass in vielen industriellen Gütermärkten die Produktionskapazität mittlerweile weit oberhalb der realen Nachfrage liegt. Ist hier das volkswirtschaftliche Produktionspotential gemeint? Keineswegs folgt hier automatisch, dass der Wettbewerb sich mehr als Kostenwettbewerb und nicht etwa als Qualitätswettbewerb gestaltet.

   6.   Der in der Einleitung zum Schlussbericht hergestellte Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen seit 1991 in Deutschland und der Globalisierung herzustellen, ist nicht akzeptabel. Zum einen hat die Wiedervereinigung sowohl bei den Unternehmensgründungen als auch bei den Insolvenzen zu starken Verschiebungen geführt. Zum anderen gibt die bloße Zahl der Unternehmensinsolvenzen keine Auskunft darüber, wie die quantitativen Effekte (Arbeitsplätze, Umsätze, Investitionen) tatsächlich waren. Fraglich ist außerdem, auf Grund welcher Beobachtung in diesem Zeitraum von geringen Wachstumsraten in Europa gesprochen wird, ohne dass nicht im gleichen Umfang neue Arbeitsplätze geschaffen worden seien. Die Ergebnisse mehrerer EU-Mitgliedsstaaten belegen das Gegenteil.

7.   Sehr gewagt ist die Behauptung, dass „plausiblerweise“ die Kapitaleigner insgesamt eher auf der Gewinnerseite stehen. Gerade die Eigner großer agrarisch genutzter Bodenflächen oder auch Altindustrien gehören zu den Verlierern. Umgekehrt gehören die Eigner von hohem Wissen zu den Gewinnern. Deshalb ist diese offenbar auf die Unterscheidung zwischen Kapital und Arbeit aus dem 19. Jahrhundert zurückgehende Feststellung in dieser undifferenzierten Form nicht haltbar.

8.   Die Übersicht über die Entwicklung der Besteuerung der Faktoren Arbeit und Kapital in Deutschland als Beleg für die relativ ansteigende steuerliche Belastung des Faktors Arbeit ist in dieser Form höchst angreifbar. Es ist äußerst ungewöhnlich, die Sozialversicherungsbeiträge pauschal unter dem Begriff „Arbeitssteuer“ zu fassen, da es sowohl hinsichtlich der Zahlung (die Unternehmen zahlen zum Teil die Hälfte) als auch hinsichtlich des Charakters dieser Beiträge und ihrer Gleichsetzung mit Steuern zumindest Diskussionsbedarf gibt.

9.   Außerordentlich problematisch ist, dass der Bericht vermeintliche Verteilungsungerechtigkeit ausschließlich relativ messen will. Legt man ausschließlich die relative Betrachtung zu Grunde, müsste Nordkorea als erstrebenswertes Beispiel erscheinen. Deshalb sollten die absoluten Fortschritte in der Versorgung der Menschen mit den lebensnotwendigen nicht verschwiegen werden.




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