11.2.2 Minderheitenvoten
11.2.2.1 Einleitung des Abschlussberichts
Die FDP trägt das Einleitungskapitel in
weiten Teilen nicht mit. Maßgeblich dafür sind
inhaltliche Fehler und Wertungstendenzen, die einer liberalen
Einschätzung entgegenlaufen. Beispielhaft seien folgende
Punkte erwähnt:
1.
Die historische Darstellung ist stark verzerrt. Völlig
ausgeblendet werden die Handelsaktivitäten etwa der
Phönizier, der Genuesen, Venezianer oder auch der Araber, die
die Behauptung von der ersten Blüte eines europazentrierten
Welthandels im 17. Jahrhundert widerlegen. Unzutreffend ist auch
das Kriterium der nationalen Grenzen, da von einem Nationalstaat im
modernen Sinne erst seit der Französischen Revolution
gesprochen werden kann.
2.
An keiner Stelle der Einführung wird klar, woran die
Enquete-Mehrheit die Asymmetrie des internationalen Handels misst.
Geht es um Bevölkerungszahlen, um das reale
Bruttoinlandsprodukt, um geographische Ausdehnung von Ländern
oder die schlichte Zahl der Staaten? So kann man nicht von
Asymmetrie nur deshalb sprechen, weil sich nur 15 Prozent des
Welthandels zwischen unterschiedlichen Erdteilen abspielt oder
weniger als 3 Prozent des Welthandels Afrika berühren.
Verfehlt ist an dieser Stelle die Behauptung, dass ein großer
Teil der Exporterlöse der Entwicklungsländer für den
Schuldendienst aufgezehrt wird, denn hierbei wird eine ganz andere
Dimension der behaupteten Asymmetrie berührt.
3.
Die Subventionierung der Transportkosten durch die öffentliche
Hand gehört nicht in die Aufzählung der
Entwicklungsstränge, die die Globalisierung
befördern.
4.
Nicht haltbar ist, dass den Finanzmärkten ihre
Instabilität mit der Begründung vorgeworfen wird,
Anlageentscheidungen würden unter Unsicherheit getroffen. Ein
Großteil der Entscheidungen im Leben findet unter Unsicherheit
statt. Hieraus auf eine generelle Instabilität
gesellschaftlicher Entwicklungen zu schlie ßen, ist
unangebracht. Die Instabilität ist zudem kein einzigartiges
Merkmal der Finanzmärkte. Ebenso sollte nicht von finanzieller
Stabilität als hohem öffentlichem Gut oder den
„Kosten der finanziellen Stabilisierung“ gesprochen
werden, sondern allenfalls von stabilen Rahmenbedingungen für
internationale Märkte. Effektive Stabilität ist im besten
Falle das Ergebnis, das sich ex post einstellt.
5.
Ökonomisch erklärungsbedürftig ist die Feststellung,
dass in vielen industriellen Gütermärkten die
Produktionskapazität mittlerweile weit oberhalb der realen
Nachfrage liegt. Ist hier das volkswirtschaftliche
Produktionspotential gemeint? Keineswegs folgt hier automatisch,
dass der Wettbewerb sich mehr als Kostenwettbewerb und nicht etwa
als Qualitätswettbewerb gestaltet.
6. Der in
der Einleitung zum Schlussbericht hergestellte Zusammenhang
zwischen der Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen seit 1991 in
Deutschland und der Globalisierung herzustellen, ist nicht
akzeptabel. Zum einen hat die Wiedervereinigung sowohl bei den
Unternehmensgründungen als auch bei den Insolvenzen zu starken
Verschiebungen geführt. Zum anderen gibt die bloße Zahl
der Unternehmensinsolvenzen keine Auskunft darüber, wie die
quantitativen Effekte (Arbeitsplätze, Umsätze,
Investitionen) tatsächlich waren. Fraglich ist außerdem,
auf Grund welcher Beobachtung in diesem Zeitraum von geringen
Wachstumsraten in Europa gesprochen wird, ohne dass nicht im
gleichen Umfang neue Arbeitsplätze geschaffen worden seien.
Die Ergebnisse mehrerer EU-Mitgliedsstaaten belegen das
Gegenteil.
7.
Sehr gewagt ist die Behauptung, dass „plausiblerweise“
die Kapitaleigner insgesamt eher auf der Gewinnerseite stehen.
Gerade die Eigner großer agrarisch genutzter Bodenflächen
oder auch Altindustrien gehören zu den Verlierern. Umgekehrt
gehören die Eigner von hohem Wissen zu den Gewinnern. Deshalb
ist diese offenbar auf die Unterscheidung zwischen Kapital und
Arbeit aus dem 19. Jahrhundert zurückgehende Feststellung in
dieser undifferenzierten Form nicht haltbar.
8.
Die Übersicht über die Entwicklung der Besteuerung der
Faktoren Arbeit und Kapital in Deutschland als Beleg für die
relativ ansteigende steuerliche Belastung des Faktors Arbeit ist in
dieser Form höchst angreifbar. Es ist äußerst
ungewöhnlich, die Sozialversicherungsbeiträge pauschal
unter dem Begriff „Arbeitssteuer“ zu fassen, da es
sowohl hinsichtlich der Zahlung (die Unternehmen zahlen zum Teil
die Hälfte) als auch hinsichtlich des Charakters dieser
Beiträge und ihrer Gleichsetzung mit Steuern zumindest
Diskussionsbedarf gibt.
9.
Außerordentlich problematisch ist, dass der Bericht
vermeintliche Verteilungsungerechtigkeit ausschließlich
relativ messen will. Legt man ausschließlich die relative
Betrachtung zu Grunde, müsste Nordkorea als erstrebenswertes
Beispiel erscheinen. Deshalb sollten die absoluten Fortschritte in
der Versorgung der Menschen mit den lebensnotwendigen nicht
verschwiegen werden.
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