11.2.2.2 Finanzmärkte (Kapitel 2 des
Abschlussberichts)
Die Empfehlungen
der Enquete-Mehrheit in der AG „Finanzmärkte“
werden insbesondere in folgenden Punkten nicht mit getragen:
Die Einengung von
Privilegien für bestimmte Berufsgruppen im Zusammenhang mit
der Bekämpfung der Geldwäsche ist nicht genügend
durchdacht. Es müsste zumindest spezifiziert werden, welche
Privilegien eingegrenzt werden sollen und in welcher Form die
Registrierung von Kapitalbewegungen erweitert werden sollte.
Es ist vollkommen
unklar, was eine ausgewogene Struktur der Versorgung mit
öffentlichen und privaten Bankendienstleistungen sein soll.
Hier wird eine ganz neue Unterscheidungskategorie eingeführt,
die im Hinblick auf Bankdienstleistungen nicht in der Literatur zu
finden ist. Wenn hiermit der Erhalt des öffentlichen
Bankensektors gemeint ist, so sollte dies auch gesagt werden. Der
Erhalt hat aber nichts mit Wettbewerbspolitik, sondern mit dem
Konservieren von Strukturen zu tun. Wenn es darum geht, die
Versorgung mit Finanzdienstleistungen in der Fläche oder die
Versorgung bestimmter Bevölkerungskreise mit
Finanzdienstleistungen zu gewährleisten, so sollte dies auch
entsprechend ausgedrückt und begründet werden.
Die Position der
Enquete-Mehrheit zu „Shareholder value“ (Kapitel 2.3.4)
wird nicht mitgetragen. Die FDP legt stattdessen die folgende
eigenständige Position vor:
11.2.2.2.1 Unternehmenswertorientierte
Unternehmensführung (Shareholder Value)
Problemstellung
In der Diskussion
um Chancen und Risiken der Globalisierung wird mit dem
„Shareholder Value“, einem neuen, von US-amerikanischen
Lehrmeinungen dominierten Leitbild der Unternehmensführung, in
Deutschland vielfach ein gesellschaftspolitisches Feindbild
verbunden. Einer genaueren Überprüfung hält dieser
Ansatz nicht Stand. Insbesondere die idealtypische
Gegenüberstellung des „Shareholder Value“ als des
hässlichen Antlitzes eines US-amerikanischen Kapitalismus mit
dem „Stakeholder Value“, als dem vermeintlich
menschengerechten Antlitz des rheinischen Kapitalismus wird der
vielschichtigen Realität kaum gerecht.
Kurze
Charakterisierung des Shareholder Value-Konzepts
Die
unternehmenswertorientierte Unternehmensführung umschreibt
betriebswirtschaftlich gesehen eine neue Kennziffer der
Unternehmensrentabilität. Sie ist im Gegensatz z.B. zum Gewinn
pro Aktie nicht auf eine einperiodige Ertragsbetrachtung
ausgerichtet, sondern knüpft an der erwarteten künftigen
Entwicklung der Einzahlungs- und Auszahlungsgrößen an.
Befürwortern des „Shareholder Value“-Ansatzes
zufolge fördern herkömmliche Maßstäbe wie der
Jahresüberschuss der Handelsbilanz, die
Eigenkapitalrentabilität oder das Ergebnis je Aktie eine auf
kurzfristige Erfolge ausgerichtete Unternehmensführung. Sie
können zudem vom Management besser gestaltet (manipuliert)
werden. Demgegenüber will das „Shareholder
Value“-Konzept die Rendite des langfristigen Anteilseigners
zur zentralen Zielgröße der Unternehmensführung
machen. Überwiegend gilt das Verfahren der Diskontierung
geplanter freier Zahlungsmittelüberschüsse (discounted
cash flow-Verfahren) als Maßstab.
Konsequenzen für die
Unternehmenspolitik
Es wäre aber
falsch, eine unternehmenswertorientierte Unternehmensführung
mit der Suche nach dem schnellen Gewinn an den Börsen
gleichzusetzen. Unternehmenswertorientierte
Unternehmensführung soll vielmehr für dauerhaft attraktive
Börsenkurse und einen stetigen Anstieg sorgen. Dies verlangt
eine sehr hohe Kommunikationskompetenz. Missbräuche durch
gezielte Falschmeldungen sind im Einzelfall nicht ausgeschlossen,
können aber zu nachhaltigem Misstrauen der Anleger
gegenüber dem Unternehmen führen und sind deshalb
langfristig zum Scheitern verurteilt.
Im Ergebnis
führt das neue Verfahren der Unternehmensbewertung zu einem
größeren Einfluss der Aktionäre und zu einem
geringeren von Managern und Bankenvertretern in den
Großunternehmen. Vielfach ist ein Druck entstanden,
ungeschminktere Geschäftsberichte vorzulegen. Der Zwang,
intensiver zu informieren, stellt für kleinere Unternehmen
dabei zweifellos ein besonderes Problem dar.
Aus dem
„Shareholder Value“ hat sich außerdem das Konzept
der „Corporate Governance“ entwickelt, das noch
weitgehendere Grundsätze zur Führung und Kontrolle von
Unternehmen formuliert. Institutionelle Großanleger,
insbesondere Pensionsfonds, üben im Interesse ihrer
langfristig orientierten Anleger in dieser Richtung weiteren Druck
aus.
„Stakeholder Value“ wird dagegen typischerweise mit
einer Unternehmensführung gleichgesetzt, die besonders von
– oftmals nachlässigen – Aufsichtsräten,
Arbeitnehmern und Betriebsräten geprägt wird. Holzmann
gilt als negatives Paradebeispiel. Das Management hat in der Regel
einen größeren Entscheidungsspielraum. Deutschland galt
in den letzten Jahrzehnten als ein Land, in dem die Interessen der
Aktionäre im internationalen Vergleich unterrepräsentiert
waren, was sich auf die Kapitalrendite auswirkte. Das positive
Gewicht, das die gesetzlich verankerte Mitbestimmung und der
soziale Frieden als „Produktionsfaktoren“ in
Deutschland in der Vergangenheit möglicherweise in die
Waagschale werfen konnten, hat sich im Zuge des technischen
Aufholprozesses benachbarter Länder zumindest verringert. Dies
kann aber nicht dem „Shareholder Value“-Konzept selbst
angelastet werden.
Gesamtwirtschaftliche Aspekte
Die
unternehmenswertorientierte Unternehmensführung befördert
damit Entwicklungen, die auch gesellschaftspolitisch differenziert
beurteilt werden müssen. Ein Unternehmen, das diesen
Grundsätzen erfolgreich folgt, sichert langfristig den
Unternehmensbestand, erhöht den Leis tungsdruck auf den
Vorstand, verschärft die Kontrolle durch Aufsichtsrat sowie
Hauptversammlung und fördert die Mitarbeiterbeteiligung. Es
wirkt der oft beklagten „Bankenmacht“ entgegen,
begrenzt die Selbstherrlichkeit des Managements und beschränkt
Tendenzen, versteckte, unproduktive Reserven im Unternehmen
anzusammeln. Im Ergebnis führt dies zu einer selektiven,
langfristigen Sicherung von Arbeitsplätzen.
Viele der mit
einer unternehmenswertorientierten Unternehmensführung
verfolgten Ziele werden unter anderem Etikett ohnehin verfolgt. Im
Zuge des Bedeutungsgewinns der privaten Altersvorsorge ist zu
erwarten, dass die langfristige Unternehmensrentabilität eine
noch zentralere Rolle spielen wird. In diesem Zusammenhang darf
auch nicht übersehen werden, dass für den Erfolg von
Unternehmen gerade in der sogenannten „New Economy“
eine motivierte Belegschaft die entscheidende Rolle spielt, so dass
eine Unternehmenspolitik gegen die Interessen einer Mehrheit der
Mitarbeiter, die der „Shareholder Value“-Philosophie
gerne unterstellt wird, kaum erfolgreich sein dürfte.
Allerdings verlangt unternehmenswertorientierte
Unternehmensführung eine hohe Flexibilität sowie den
Abschied von alten Gewohnheiten. Die Geschwindigkeit, mit der sich
Veränderungen vollziehen, überfordert unter
Umständen einige Beteiligte. Qualifikations- und
Veränderungsdruck erhöhen sich. Die Spannbreite zwischen
hochqualifizierten, flexiblen und wenig qualifizierten, inflexiblen
Mitarbeitern wird deutlicher sichtbar. „Shareholder
Value“-Konzepte können so das Lohngefälle
erhöhen.
Ebenso wie alte
Unternehmensführungskonzepte braucht die
unternehmenswertorientierte Unternehmensführung aber einen
verlässlichen, transparenten und reformfähigen
Rechtsrahmen. Dazu zählen in Deutschland vor allem
Entscheidungen zur Zukunft der Alterssicherung, das reformierte
Insolvenzrecht, neue Entwicklungen bei der Rechnungslegung, die
Fusionskontrolle oder auch die Finanzmarktgesetzgebung. Dass
amerikanische Standards dabei dominieren, ist sowohl dem
überragenden ökonomischen und politischen Gewicht der USA
als auch dem messbaren wirtschaftlichen Erfolg dort zuzuschreiben.
Gesellschaftspolitische Gefahren gehen vom betriebswirtschaftlichen
Konzept selbst indes nicht aus.
11.2.2.2.2 Tobin-Tax
Die von der
Enquete-Mehrheit geforderte Devisentransaktionssteuer (Tobin-Tax)
würde im Kern eine Senkung der Effizienz internationaler
Kapitalmärkte bewirken. Die Verteilungswirkungen sind
vollkommen unklar. Die Vermengung von Finanzierungsfunktion und
Steuerungsfunktion würde zu einem heillosen Zielkonflikt
führen, der die missratene Konstruktion der Ökosteuer
oder der Abwasserabgabe in Deutschland weit in den Schatten stellen
könnte. Zur Kritik an der Devisentransaktionssteuer wird im
übrigen auf die von der FDP eingebrachten Papiere
verwiesen.
Die Forderung
nach währungspolitischer Souveränität im Sinne einer
Abkopplung vom Urteil der Finanzmärkte etwa durch
Kapitalverkehrskontrollen wird so undifferenziert nicht
mitgetragen. Währungspolitische Souveränität in
diesem Sinne meint nichts anderes, als den nationalen Regierungen
das Recht auf eine (langfristig) schlechte Wirtschaftspolitik
zuzugestehen bzw. sie von der Verantwortung für die
Konsequenzen zu entbinden. Die disziplinierende Wirkung einer
internationalen Abstimmung über die Qualität einer
Wirtschaftspolitik ginge so vollkommen verloren. Im übrigen
bleibt völlig offen, wie Kapitalverkehrskontrollen so
gestaltet werden sollten, dass sie die prinzipielle Offenheit der
jeweiligen Volkswirtschaften nicht infrage stellen.
11.2.2.2.3 Reform der internationalen
Finanzinstitutionen
Europäische Zentralbank
Es ist inakzeptabel, das Statut der
Europäischen Zentralbank um beschäftigungs- und
wachstumspolitische Ziele zu erweitern. Zum einen tragen die Ziele des
europäischen System der Zentralbanken (ESZB), wie sie in den
Artikeln2ff EZB-Satzung formuliert worden sind, unmittelbar zur
Hebung des Beschäftigungswachstums im Euro-Raum bei.
Außerdem ist das ESZB nach Artikel 2 Satz 2 EZB-Satzung
verpflichtet, die allgemeine Wirtschaftspolitik der
Gemeinschaft zu unterstützen, um zur Verwirklichung der in
Artikel 2 EG-Vertrag festgelegten Ziele der Gemeinschaft
beizutragen, soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der
Preisstabilität möglich ist. Die Formulierung in der
Empfehlung der Enquete-Mehrheit impliziert, dass
Preisstabilität negative Auswirkungen auf die
Beschäftigung und das Wachstum hat. Diese Annahme ist durch
die Erfahrungen der 70er Jahre, die durch das politische – im
Ergebnis gescheiterte – Ausnutzen von Geldillusion durch
Regierungen geprägt waren, nachhaltig widerlegt.
Internationale Insolvenzordnung
Die Formulierungen der Enquete-Mehrheit zu
einer internationalen Insolvenzordnung werfen alle möglichen
Sachverhalte durcheinander. Es ist banal, dass Gläubiger in
der Kreditbeziehung Verantwortung tragen und
selbstverständlich die Fähigkeit ihres Kreditnehmers,
einen Kredit angemessen zu bedienen, in ihr Kalkül aufnehmen
müssen. Tun sie das nicht, sind Gläubiger im
Insolvenzfall ausnahmslos von Ausfällen bedroht. Im
vorliegenden Fall ist aber offenbar an die Einbindung des privaten
Sektors in die Restrukturierung durch den IWF gedacht. Das sollte
in der Empfehlung aber auch klar herausgestellt werden. Die FDP
hatte hierzu vorgeschlagen, das Instrument der „Subordinated
Debt“ näher zu prüfen, das vorsieht, dass Banken
aus Entwicklungs- und Schwellenländern verstärkt dazu
übergehen, einen bestimmten Anteil ihres Fremdkapitals als
eigenkapitalähnliche Schuldverschreibungen im Ausland zu
plazieren. Kommt es zur Zahlungsunfähigkeit, werden solche
Papiere grundsätzlich nachgeordnet behandelt. Dies würde
dazu führen, dass seitens der Gläubiger ein
verstärktes privatwirtschaftliches Interesse an solider
Marktinformation und deren Verarbeitung besteht und deshalb der
Kurs der frei zu handelnden Papiere als zusätzlicher
Frühindikator dienen kann für die Einschätzung durch
(relativ gut informierte) Marktteilnehmer.
Der IWF sollte die Zinsbedingungen seiner
Kreditgewährung in diesem Fall nutzen, um den Regierungen der
Entwicklungsländer Anreize zu geben, einen nationalen
Regulierungsrahmen zu schaffen, der diese innovativen Wege zu mehr
Transparenz im Bankensystem begünstigt. Des weiteren
könnte empfohlen werden, dass neu emittierte
Schuldverschreibungen mit Umschuldungsklauseln versehen werden, die
den privaten ausländischen Kreditgeber von vornherein
verpflichten, sich im Krisenfall an entsprechenden Verhandlungen zu
beteiligen und ggfs. einen bestimmten Verlustschlüssel zu
akzeptieren. Klauseln dieser Art gibt es bereits bei
Konsortialkrediten von Banken. Umschuldungsklauseln bei
Schuldverschreibungen hätten auch den Vorteil, dass sie vom
Markt mit einer Risikoprämie abgegolten werden und damit
für ein weiteres Element der marktbedingten Transparenz sorgen
würden. Ungeeignet ist hingegen die Empfehlung, Kreditgeber,
die ihren Verpflichtungen bei einer vereinbarten Umschuldung nicht
nachkommen, bei öffentlichen Aufträgen oder bei der
Begebung von öffentlichen Anleihen zeitweise
auszuschließen. Dies könnte im Extremfall nur dazu
führen, dass die Begebung öffentlicher Anleihen sich z.B.
nachhaltig verteuern würde. Ebenso unsinnig ist die Forderung,
dass der IWF eine Konditionalität für Gläubiger
entwickelt. Gläubiger, die eine solche Konditionalität
nicht akzeptieren wollen, würden schlicht keine Mittel zur
Verfügung stellen. Damit wäre keiner Seite geholfen.
Internationaler Währungsfonds
(IWF)
1.
Der IWF muss sich noch stärker als bisher auf die Vermeidung
von Finanzkrisen konzentrieren. Deshalb sollte er eine
internationale Führungsrolle bei der Überwachung der
Einhaltung von international vereinbarten Verhaltenskodizes,
insbesondere im Geld- und Kreditsektor übernehmen. Dazu
zählen auch Aufsichts- und
Datenveröffentlichungsstandards sowie die Überwachung der
Einhaltung von Kodizes und Standards in den
„Offshore-Finanzzentren“. Schließlich sollte der
IWF die Durchführung der Beschlüsse des Baseler
Ausschusses für Bankenaufsicht zu den künftigen
Eigenkapitalanforderungen für Kreditinstitute bei
IWF-Beistandskandidaten mit überwachen. Wo der IWF eine
direkte Zuständigkeit besitzt, muss er diese Standards
weiterentwickeln und verbreiten.
2.
Die Rolle des IWF als einer Institution, die ein makro
ökonomisches Rating für Länderrisiken erleichtert,
ist zu stärken. Der IWF muss durch seine
Länderüberwachung und die Veröffentlichung
umfangreicher Länderdaten das Informationsproblem lindern und
die Effizienz der Kapitalmärkte verbessern. Die Höhe der
Staatsverschuldung, der Kreditsalden und der Ver
bindlichkeitsstruktur des Privatsektors, Bilanzie
rungsregelungen der Banken, das Konkursrecht oder
Eigentumsverflechtungen von kombinatsähnlichen Konzernen sind
Indizien für die Krisenanfälligkeit von Ländern. Der
seit 1997 existierende „Spezielle
Datenveröffentlichungs-Standard“ (SDDS) ist hier ein
erster Schritt. „Offshore-Finanzzentren“, die sich
einer neu en Überwachung des IWF weder stellen noch die
Transparenzauflagen erfüllen, müssen Gegenstand von
Bekanntmachungen werden. Zweck aller Kodizes und Standards muss es
letztlich sein, durch Schaffung von mehr Transparenz
internationalen Kapitalgebern sachgerechtere Kreditentscheidungen
zu ermöglichen.
3.
Die IWF-Kreditkonditionen müssen in Abhängigkeit von der
Erfüllung der o.g. Standards differenziert werden. Dadurch
wird die Umsetzung von Kodizes und Standards indirekt
gefördert. Um den revolvierenden Charakter der IWF-Ressourcen
zu wahren, ist auch die Vergabe besonders hoher Kredite und eine
wiederholte Verlängerung mit einer progressiv steigenden
Zinsbelastung der jeweiligen Kreditnehmerländer zu verbinden.
Die IWFMitgliedsstaaten sollten a priori Orientierungshilfen
erhalten, welche Verfehlung von welchen Standards mit welchen
Zinsaufschlägen belegt werden. Solche Zinsstaffeln sind zu
veröffentlichen.
4.
Langfristig konditionierte Kredite zur Strukturanpassung sollten
die Weltbank und regionale Entwicklungsbanken übernehmen. Der
IWF muss sich hingegen darauf konzentrieren, die vorbeugende und
begleitende makroökonomische Beobachtung und die schnelle
Hilfe bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten zu gewährleisten.
Dadurch können auch die wirtschaftspolitischen Auflagen auf
wenige Kernpunkte konzentriert werden, was der Tendenz zur
Überfrachtung von Programmen mit Bedingungen entgegenwirkt.
Umgekehrt sollte die Weltbank sich von der kurzfristigen
Finanzierung von Krisenpaketen zurückziehen. Es ist nach Wegen
zu suchen, die „Armutslinderungs- und
Wachstumsfazilität“ (PRGF) an die Weltbank zu
übertragen. Dabei bleiben aber alle Länder
grundsätzlich zugangsberechtigt zu IWF-Beistandsmitteln,
soweit der konkrete Fall in das Spektrum der neu definierten
IWF-Aufgaben fällt.
5.
Der IWF muss einen universellen Charakter und eine universelle
Rolle als zentrale internationale Institution auf dem Gebiet der
Wirtschafts- und Währungspolitik innehaben. Deshalb sollte der
IWF auch zukünftig für alle Mitglieder bei
makroökonomischen Problemen tätig werden können. Ein
expliziter Ausschluss von bestimmten Entwicklungsländern aus
dem Empfängerkreis des IWF ist mit dem kooperativen
Grundgedanken des Währungsfonds nicht vereinbar. Ein Wegfall
des „IWF-Schirms“ für viele
Entwicklungsländer könnte hingegen negative Auswirkungen
auf die Liberalisierung des Handels- und des Kapitalverkehrs haben.
Ein enger Informationsaustausch mit der Weltbank ist dabei
notwendig.
6.
Der IWF muss bei der Bewältigung von Finanzkrisen den
Privatsektor stärker als bisher mit einbeziehen. Eine
leichtsinnige, teilweise durch die Politik ermunterte Kreditvergabe
an Länder im Vertrauen auf die „bail-out“-Rolle
des IWF muss der Vergangenheit angehören.
7.
Der IWF muss die Sicherheitsvorkehrungen gegen einen Missbrauch
seiner Mittel und seiner institutionellen Bedingungen verbessern.
Es ist zu begrüßen, dass die Jahresabschlüsse der
Zentralbanken durch den IWF veröffentlicht werden sollen. Bei
der geplanten institutionalisierten Erfolgskontrolle muss vermieden
werden, dass Fehlentwicklungen und falsche Informationen aus
bestimmten Ländern aus politischen Gründen
beschönigt werden. Es ist auch zu vermeiden, dass bestimmten
Ländern aus politischen Gründen ein Grad an
Marktwirtschaftlichkeit und Rechtstaatlichkeit bescheinigt wird,
der durch Tatsachen nicht gedeckt wird.
Gendergerechte Haushalte
Die Empfehlungen
zu so genannten geschlechtergerechten Haushalten werden strikt
abgelehnt. Sie bedeutet im Ergebnis, eine gigantische
Bürokratie einzuführen, die zum Teil zu absurden
Ergebnissen führen und insbesondere Administrationen in
Entwicklungsländern, aber auch in In dustrieländern
auf lokaler und regionaler Ebene restlos überfordern
dürfte. In der Sache sind die Empfehlungen nicht hilfreich und
vollkommen unpraktikabel. Es ist völlig unklar, was eigentlich
als „gendergerechte“ Haushalt berechnet und wie ein
breiter Konsultationsprozess mit der Zivilgesellschaft etwa auf
lokaler Ebene überhaupt durchgeführt werden soll. Was ist
unter einer „disaggregierten geschlechtsspezifischen
Datenerhebung auf allen Sektoren“ zu verstehen? Was verbirgt
sich hinter „geschlechtsspezifischen Budgetinitiativen“
und „gendersensitiven Trainings” für Mitarbeiter
von Verwaltungen?
Ethische
Investments
Die Empfehlungen
der Enquete-Mehrheit zu ethischen Investments werden von der FDP
abgelehnt. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sog. ethische
Fonds im Wettstreit mit konventionellen um die Anleger eintreten
und bei ihrer Aufklärungsarbeit von politischer Seite
kommunikative Unterstützung erhalten. Abzulehnen ist aber,
wenn der Staat nach den Ethikvorstellungen bestimmter Lobby-Gruppen
staatliche Förderprämien staffelt. Eine „moralische
Diktatur“ durch bestimmte Gruppen in offenen Gesellschaften
wird von der FDP nicht unterstützt.
Entwicklungshilfe
Die Forderung
nach einer gewaltigen Aufstockung des öffentlichen
Entwicklungshilfebudgets ist real kaum umsetzbar. Die FDP empfiehlt
stattdessen, dass die Enquete-Kommission das
Bundesfinanzministerium auffordert, finanzielle Auswirkungen einer
Anhebung der Mittel für öffentliche
Entwicklungszusammenarbeit auf ein Prozent des
Bruttonationaleinkommens (nicht des BSP) zu beziffern. Nach grober
Schätzung verlangt die Enquete-Mehrheit Mehrausgaben für
öffentliche Entwicklungshilfe bis spätestens
2004–2006 von jährlich 1,2 Mrd. €, mittelfristig von 8,9
Mrd. € und
langfristig von 15,1 Mrd. € pro Jahr, legt man das
nominale BIP von 2001 zugrunde!
11.2.2.2.4 Offene Fragen
Die Diskussion um
das Verhältnis zwischen der so genannten realen und der
monetären Ökonomie ist seit Jahrzehnten ein Kernthema der
makroökonomischen Forschung. Eine Bundestagsenquete wird hier
keine weitere Klärung leisten können, so dass sie dieses
Thema der Wissenschaft überlassen und sich auf die Rezeption
der wichtigsten Forschungsergebnisse beschränken sollte.
Zwar sind die
Folgen der japanischen Bankenkrise für die Weltwirtschaft
möglicherweise beträchtlich, die Krise selbst hat aber
nichts mit der Globalisierung zu tun, sondern geht auf spezifisch
japanische Ursachen zurück. Sie sollte deshalb außer
Betracht bleiben.
Fraglich ist, was
unter dem Thema „Europäischer Finanzmarkt und
Währungsunion“ zu verstehen sein soll.
Die Frage der
Allfinanzaufsicht und ihrer Ansiedlung auf europäischer oder
internationaler Ebene sowie ihre vertikale Gliederung sind in der
Tat wichtige Themen. Sie sollten auch politisch erörtert
werden, eignen sich aber auf grund ihres relativ kurzfristigen
Entscheidungsbedarfs nicht als Gegenstand für eine
Bundestagsenquete.
|