*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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11.3.2     Arbeitsgruppe Finanzmärkte: Demokratisierung statt Disziplinierung

Der Abschlussbericht der AG 1 stellt einen deutlichen Fortschritt gegenüber dem Zwischenbericht dar. Bereits dieser hatte sich im Diagnoseteil nicht auf die allgemeine Beschwörung der theoretisch möglichen Vorzüge liberalisierter und zunehmend deregulierter Finanzmärkte beschränkt, sondern die wirkliche Welt zur Kenntnis genommen. Der Bezug auf die tatsächliche Entwicklung der Finanzmärkte, ihre Struktur und Funktionsweise sowie die jüngsten Finanzmarktkrisen hat dazu geführt, dass der Abschlussbericht zu einer deutlich skeptischen und kritischen Einschätzung ihrer Rolle und ihrer Verantwortung für zunehmende weltwirtschaftliche Instabilitäten und Krisen, vor allem für die soziale Ungleichheit gelangt ist, die in den letzten beiden Jahrzehnten sowohl zwischen dem Norden und Süden als auch innerhalb des Nordens und des Südens dramatisch zugenommen hat. Diesen Befund unterstreicht die PDS-Arbeitsgruppe nachdrücklich.

Wir begrüßen es, dass die kritischen Akzente im Zwischenbericht auf Grund der nachfolgenden Diskussionen – zu der die PDS-Gruppe einen sichtbaren Beitrag geleistet hat – noch einmal vertieft worden sind und zu Handlungsempfehlungen der Mehrheitsfraktionen geführt haben, die weiter reichen als im Zwischenbericht. Dies betrifft beispielsweise die kritischere – und damit die unkritischen Aussagen im Zwischenbericht korrigierende – Bewertung der Politik der Europäischen Zentralbank, die endlich aufgenommene Empfehlung zur Einführung einer Tobinsteuer und das Plädoyer für eine Veränderung der Stimmrechtsverhältnisse im IWF zugunsten der Entwicklungsländer – alles Themen und Empfehlungen, die wir bereits in unserem Minderheitenvotum im Zwischenbericht vorgeschlagen hatten.

   Entsprechend dieser positiven Bewertung teilen wir viele Handlungsempfehlungen insbesondere diejenigen, die sich auf die Beschränkung der Spekulation, der Geldwäsche und der Tätigkeit von Offshorezentren, auf die stärkere Einbindung des Privatsektors bei der Bewältigung von Zahlungsschwierigkeiten, die Sicherung der Finanzierungsgrundlagen für den Mittelstand, die Schaffung eines europäischen Finanzmarktes und die Demokratisierung internationaler Institutionen richten.

Der Bericht gibt allerdings nach wie vor Anlass zur Kritik: Die Analyse der Finanzmärkte ist teilweise – vor allem im Abschnitt über shareholder value – verharmlosend und inkonsequent; die Bewertung beschränkt sich auf die destabilisierende Rolle der Finanzmärkte und klammert ihren „disziplinierenden“ Druck auf die Politik von demokratisch gewählten Parlamenten und Regierungen ganz aus. Dieser Druck führt zu einer verengten wirtschaftspolitischen Gesamtorientierung; Teile der Systeme der sozialen Sicherung werden zunehmend den Gewinn­ interessen der institutionellen Investoren und den Risiken der Kapitalmärkte ausgeliefert. Beides verstärkt die Tendenzen der neoliberalen Gegenreform, und beides hat auch in Deutschland während der letzten Jahre stattgefunden. Als Folge dieser Beschränkung richten sich die Handlungsempfehlungen der Kommissionsmehrheit im wesentlichen auf die Stabilisierung der Finanzmärkte; aber auch auf diesem Gebiet sind sie lückenhaft und in mancher Hinsicht halbherzig. Besonders gravierend für uns ist die Haltung der Mehrheit zur Herausbildung eines europäischen Finanzmarktes. Erst nach unserem intensiven Drängen griff sie dieses Thema auf, dann aber sehr unzureichend – im wesentlichen durch stückweise Übernahme, Entschärfung und Verballhornung unserer Papiere zu diesem Thema.

In ihren Votum behandelt die PDS-Arbeitsgruppe zunächst die im Bericht ausgeklammerten Probleme (1); sie legt dann zu zwei Gebieten ergänzende Handlungsempfehlungen vor (2). Unser Votum zielt zum einen auf die aktuellen Fehlentwicklungen, zum anderen auf die Gestaltung eines europäischen Finanzmarktes, welcher der Demokratie, der Beschäftigung und dem sozialen Zusammenhalt verpflichtet ist.




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