*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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2.4.1.2    Segmentation von Währungsräumen

Im Gegensatz zur (unilateralen oder multilateralen) Integration zielt eine Strategie der Segmentation von Währungsräumen auf eine Erhöhung der Transaktionskosten beim Tausch einer Währung gegen eine andere in der Erwartung, dass dann bestimmte Währungstransaktionen unterbleiben. Damit wird die Absicht verfolgt, die Liquidität der Devisenmärkte und mit ihr die Volatilität des zumeist sehr kurzfristigen Kapitals („Hot Money“) zu reduzieren. Die Krisenhaftigkeit der Finanzmärkte könnte so eingeschränkt werden, auch wenn die Erhöhung der Transaktionskosten als ein im Prinzip marktkonformes Mittel nichts an den Ursachen von Finanzkrisen ändert.

Devisentransaktionssteuer

Mittel zu diesem Zweck kann die viel diskutierte „Tobin Tax“ auf Devisenumsätze sein, die kurzfristig angelegte Kapitaltransfers relativ (im Vergleich zu langfristigen Anlagen) und absolut verteuern würde (die Transaktionskos­ ten würden also gesteigert). Bei langfristigen Anlagen würde die Steuer kaum ins Gewicht fallen, da der Tausch von einer Währung in eine andere nur selten stattfindet. Dies ganz im Gegenteil zu den berüchtigten „Round Trips“ von „Hot Money“, das unter Umständen mehrmals täglich die Währung wechselt. Dann können sich sogar sehr niedrige Steuersätze zu beachtlichen Belastungen summieren, so dass sich „Round Trips“ nicht lohnen und daher entfallen.

In der internationalen Diskussion wird die technische Realisierbarkeit der Tobinsteuer heute kaum noch bestritten. Die Haupteinwände beziehen sich vielmehr

Erstens      auf die Konsequenzen einer Devisenumsatzsteuer für die Funktionsweise von Devisenmärkten,

Zweitens   auf die politische Durchführbarkeit, wenn nicht alle Länder oder doch zumindest die Gruppe der Industrieländer mitmachen – und dies ist derzeit ausgeschlossen – und

   Drittens     auf mögliche Ausweichstrategien der Akteure auf Devisenmärkten.

Da die Tobinsteuer wie jede andere Steuer auch eine Lenkungs- und eine fiskalische Funktion hat, bezieht sich ein vierter Einwand auf die fiskalische Seite; zumeist spielen ordnungspolitische und steuersystematische Erwägungen eine Rolle.

Allerdings ist es weder theoretisch noch empirisch haltbar, die globalen Devisenmärkte vor Einführung einer Tobinsteuer für effizient zu erklären, um antizipativ nach Einführung Effizienzmängel zu befürchten. Es waren gerade die schweren Finanzkrisen des vergangenen Jahrzehnts, die die Diskussion um die Tobinsteuer, die seit Anfang der 70er Jahre in den Wirtschaftswissenschaften nur am Rande geführt wurde, in den 90er Jahren erneut belebten.

Die Wirkung der Steuer hängt von der Höhe des Steuersatzes ab. Er darf nicht so niedrig sein, dass die Wirkung unerheblich ist. (Dies dürfte der Fall sein, wenn der Satz bei einem Basispunkt34 liegt, wie in dem Gutachten von  Spahn (2002) für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Februar 2002 vorgeschlagen.) Er darf nicht so hoch sein, dass er den notwendigen Liquiditätsausgleich zwischen Finanzinstituten verhindert. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird immer wieder ein gestaffelter Steuersatz ins Spiel gebracht.35

Der niedrige „Normalsatz“ ist für die „Normallage“ auf globalen Finanzmärkten gedacht, um zu verhindern, dass sich Liquiditätsüberschüsse auf der Suche nach Renditedifferentialen aufbauen, die infolge des „Herdeneffekts“ eine sehr destabilisierende Wirkung vor allem auf die Währungen von Entwicklungs- und Schwellenländern ausüben können. Wenn aber Finanzmarktakteure infolge starker Marktschwankungen von der „normalen“ Devisentransaktionssteuer nicht von der Spekulation gegen eine Währung abgehalten werden können, sollte ein Aufschlag auf den Steuersatz bzw. eine Zusatzsteuer in Kraft treten.

Dies sieht auch das Gutachten von Spahn (2002) vor, jedoch mit der Einschränkung, dass die Zusatzsteuer (Exchange Rate Normalization Duty“ – ERND) unilateral von Entwicklungs- und Schwellenländern sowie von Industrieländern, die nicht einer der Hauptwährungs­ zonen angehören, erhoben werden sollte, wenn sich der jeweilige Wechselkurs aus einem vordefinierten Korridor herausbewegt. Die Steuer würde mit der Vola­ tilität steigen und daher die Transaktionskosten so sehr an­ heben, dass sich die Märkte beruhigen. Ob diese Zu­ satzsteuer praktikabel ist, sei dahin gestellt – insbesondere für den nicht auszuschließenden Fall, dass auch die Währungen entwickelter Industrieländer unter Druck geraten.

Auch wird die politische Realisierbarkeit einer Devisentransaktionssteuer in Frage gestellt. Der Einwand ist so alt wie der Vorschlag der Tobinsteuer. Dabei ist es ausreichend, wenn die G7-Länder oder auch nur der Euro-Raum die Steuer erheben würden, da damit mehr als 75 Prozent aller internationalen Kapitalbewegungen erfasst würden. Bhaduri und Matzner (1990) haben vorgeschlagen, dass zunächst die Länder mit einem Leis­ tungsbilanzüberschuss aus einer „Position der Stärke“ heraus die Steuer erheben. Der Zweck, auf spekulatives Kapital eine abschreckende Wirkung auszuüben, könne so erreicht werden, selbst wenn die Finanzmarktakteure Ausweichstrategien entwickeln. Davon ist tatsächlich auszugehen. Doch sind diese, wie auch das Gutachten von Spahn hervorhebt, ihrerseits mit Transaktionskosten verbunden, die Ausweichstrategien verteuern.

Eine Besteuerung der internationalen Kapitalbewegungen wird im übrigen auch unter dem Aspekt diskutiert, dass den nationalen Staaten die Steuerbasis mehr und mehr schwindet und daher der am wenigsten mobile Produk­ tionsfaktor – die abhängige Lohnarbeit – einen immer größeren Anteil der Steuerlast zu tragen hat.

   So sanken beispielsweise in Deutschland die „effektiven durchschnittlichen Körperschaftsteuersätze“ (Hettich, Schmidt 2000: 14) von deutlich über 50 (1980) auf unter 20 Prozent (1995)36 und die „effektiven durchschnittlichen Kapitalsteuersätze“ (Hettich, Schmidt 2000: 15) von etwa 35 (1980) auf 25 Prozent (1996), während die „effektiven durchschnittlichen Arbeitssteuersätze“ (Hettich, Schmidt 2000: 16) leicht von 38 (1980) auf 41 Prozent (1996) anzogen.

Dem entgegen steht die Aussage der neuesten Ausgabe des OECD Jahresberichtes „Taxing Wages“ (2002b), der eine maximale steuerliche Belastung von durchschnittlichen Lohn- und Gehaltseinkommen in Deutschland im Jahr 1997 von über 42 Prozent feststellt. Bis zum Jahr 2001 sinkt der Steueranteil am Bruttoeinkommen auf unter 41 Prozent. Damit liegt jedoch die steuerliche Belastung der Löhne und Gehälter in Deutschland weiterhin deutlich über der britischen bzw. der US-amerikanischen Steuerlast.

   Die Tobinsteuer belastet den mobilsten Produktionsfaktor: das kurzfristige Kapital. Für die Einführung der Steuer könnten wegen ihrer progressiven Wirkung also auch Erwägungen über Steuergerechtigkeit vorgebracht werden.

Außerdem hat die Devisentransaktionssteuer nicht nur eine Lenkungswirkung, sondern auch eine fiskalische Dimension. Ein Teil der Einnahmen, über den internationale Verständigung erzielt werden muss, kann bei den Ländern bleiben, in denen die Steuer beim Tausch von Devisen erhoben wird. Die übrigen Einnahmen können, wie auf dem Weltsozialgipfel 1995 in Kopenhagen vom damaligen Präsidenten Frankreichs, Mitterand, vorgeschlagen, für soziale, ökologische und/oder Entwicklungsprojekte verwendet werden.

Dieser Vorschlag ist immer noch aktuell und er spielt eine Rolle in den Programmen zur Entwicklungsfinanzierung. Denn es wird immer schwieriger und zugleich dringlicher, globale öffentliche Güter zu finanzieren, die zur Erreichung der selbst gesetzten Entwicklungsziele der Staatengemeinschaft (Reduktion der Armut, Stabilisierung des Klimas etc.) unverzichtbar sind (vgl. auch Kapitel 2.4.6 zu „Entwicklungsfinanzierung“).

Je nach der Höhe des Steuersatzes und der Elastizität, mit der die Finanzmarktakteure auf die Steuer reagieren, wird mit Einnahmen zwischen 20 und mehreren hundert Milliarden US-Dollar gerechnet. Ob diese fiskalischen Einnahmen in der Praxis zustande kommen, wird sich zeigen müssen. Allerdings ist die Lenkungswirkung der Steuer weitaus wichtiger als die fiskalische Wirkung. Letztere kann mit anderen Abgaben, die im Kontext der Entwicklungsfinanzierung diskutiert werden, möglicherweise besser erzielt werden (z. B. CO2-Steuer, Kerosin-Steuer, Steuer auf den Export von Kleinwaffen etc.).

Andere Möglichkeiten, kurzfristige, volatile Kapitaltransfers einzuschränken

Eine ähnliche Lenkungswirkung wie eine Tobinsteuer können auch härtere Eigenkapitalvorschriften, ein Kredit- bzw. Unternehmensregister für Transaktionen über (nicht-kooperative) Offshorezentren etc. haben. Denn spekulative, kurzfristig orientierte und daher in der Regel volatile Kapitaltransfers werden dadurch im Vergleich zu längerfristigen Anlagen verteuert.

Der „Basel II-Akkord“ hingegen dürfte widersprüchlich wirken. Einerseits kann die nach Kreditrisiken differenzierte Eigenkapitalanforderung der Finanzinstitute zur Verteuerung internationaler Kredite (wegen der höher bewerteten Risiken) führen. Andererseits wird jedoch befürchtet, dass damit das Gegenteil erreicht wird: Kurzfristige Engagements sind weniger risikoreich als langfristige und müssen deshalb mit geringerem Eigenkapital unterlegt werden. Die Volatilität der liberalisierten Kapitalbewegungen könnte sogar steigen, anstatt zurückzugehen.

Ein praktikables Mittel gegen spekulative Kapitalbewegungen können auch Kapitalverkehrskontrollen (an nationalstaatlichen Grenzen) sein. Dafür stehen die in den jüngsten Krisensequenzen vergleichsweise erfolgreichen Beispiele von Chile und Slowenien (mit Bardepotpflicht) und Malaysia oder der VR China (Kapitalimport- und -exportkontrollen).

Insbesondere die Bardepotpflicht ist ein sehr flexibles Instrument, da der Bardepotsatz (die unverzinsliche Hinterlegung eines Teils des eingeführten Kapitals bei der Zentralbank) prinzipiell zwischen Null und 100 Prozent variieren und je nach Fristigkeit der Kapitalanlagen oder beabsichtigter Anlagesphäre unterschiedlich sein kann.

Kapitalverkehrskontrollen waren bis in die 70er Jahre hinein ein ganz übliches Instrument der Segmentation – auch in der Welt der westeuropäischen Industrieländer. Selbst nach dem Maastricht-Vertrag sind gemäß Art. 73f (Schutzmaßnahmen des Rates) Kapitalverkehrskontrollen möglich: „Falls Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern unter außergewöhnlichen Umständen das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion schwerwiegend stören oder zu stören drohen, kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der EZB gegenüber dritten Ländern Schutzmaßnahmen mit einer Geltungsdauer von höchstens sechs Monaten treffen, wenn diese unbedingt erforderlich sind.“

Der Nachteil der Bardepotpflicht gegenüber einer „Exchange Rate Normalization Duty“ (ERND) besteht darin, dass sie nicht wie ein automatischer Stabilisator wirkt, also weniger marktkonform ist als die ERND. Hinzu kommt, dass die Steigerung der Transaktions­ kosten durch Regulierung anders als eine Devisentransaktionssteuer keine fiskalische Wirkung hat, also der wünschbare entwicklungspolitische Effekt ausbleibt.



34 Das sind 0,01 Prozent.

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35 Zuerst hat Rüdiger Dornbusch 1986) vorgeschlagen, unterschiedliche Steuersätze für leistungsbilanz- und kapitalbilanzwirksame Transaktionen vorzusehen.

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36 Für 1996 wird wieder eine leichte Steigerung auf über 20 Prozent angegeben (Hettich, Schmidt 2001: 14).

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