2.4.1.2 Segmentation von
Währungsräumen
Im Gegensatz zur (unilateralen oder
multilateralen) Integration zielt eine Strategie der
Segmentation von Währungsräumen auf eine
Erhöhung der Transaktionskosten beim Tausch einer Währung
gegen eine andere in der Erwartung, dass dann bestimmte
Währungstransaktionen unterbleiben. Damit wird die Absicht
verfolgt, die Liquidität der Devisenmärkte und mit ihr
die Volatilität des zumeist sehr kurzfristigen Kapitals
(„Hot Money“) zu reduzieren. Die Krisenhaftigkeit der
Finanzmärkte könnte so eingeschränkt werden, auch
wenn die Erhöhung der Transaktionskosten als ein im Prinzip
marktkonformes Mittel nichts an den Ursachen von Finanzkrisen
ändert.
Devisentransaktionssteuer
Mittel zu diesem
Zweck kann die viel diskutierte „Tobin Tax“ auf
Devisenumsätze sein, die kurzfristig angelegte
Kapitaltransfers relativ (im Vergleich zu langfristigen Anlagen)
und absolut verteuern würde (die Transaktionskos ten
würden also gesteigert). Bei langfristigen Anlagen würde
die Steuer kaum ins Gewicht fallen, da der Tausch von einer
Währung in eine andere nur selten stattfindet. Dies ganz im
Gegenteil zu den berüchtigten „Round Trips“ von
„Hot Money“, das unter Umständen mehrmals
täglich die Währung wechselt. Dann können sich sogar
sehr niedrige Steuersätze zu beachtlichen Belastungen
summieren, so dass sich „Round Trips“ nicht lohnen und
daher entfallen.
In der
internationalen Diskussion wird die technische Realisierbarkeit der
Tobinsteuer heute kaum noch bestritten. Die Haupteinwände
beziehen sich vielmehr
Erstens auf die Konsequenzen einer
Devisenumsatzsteuer für die Funktionsweise von
Devisenmärkten,
Zweitens auf die politische Durchführbarkeit, wenn
nicht alle Länder oder doch zumindest die Gruppe der
Industrieländer mitmachen – und dies ist derzeit
ausgeschlossen – und
Drittens auf mögliche
Ausweichstrategien der Akteure auf Devisenmärkten.
Da die
Tobinsteuer wie jede andere Steuer auch eine Lenkungs- und eine
fiskalische Funktion hat, bezieht sich ein vierter Einwand auf die
fiskalische Seite; zumeist spielen ordnungspolitische und
steuersystematische Erwägungen eine Rolle.
Allerdings ist es
weder theoretisch noch empirisch haltbar, die globalen
Devisenmärkte vor Einführung einer Tobinsteuer für
effizient zu erklären, um antizipativ nach Einführung
Effizienzmängel zu befürchten. Es waren gerade die
schweren Finanzkrisen des vergangenen Jahrzehnts, die die
Diskussion um die Tobinsteuer, die seit Anfang der 70er Jahre in
den Wirtschaftswissenschaften nur am Rande geführt wurde, in
den 90er Jahren erneut belebten.
Die Wirkung der
Steuer hängt von der Höhe des Steuersatzes ab. Er darf
nicht so niedrig sein, dass die Wirkung unerheblich ist. (Dies
dürfte der Fall sein, wenn der Satz bei einem
Basispunkt34 liegt, wie
in dem Gutachten von Spahn (2002) für das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ) im Februar 2002 vorgeschlagen.) Er darf nicht so
hoch sein, dass er den notwendigen Liquiditätsausgleich
zwischen Finanzinstituten verhindert. Nicht zuletzt aus diesem
Grund wird immer wieder ein gestaffelter Steuersatz ins Spiel
gebracht.35
Der niedrige
„Normalsatz“ ist für die „Normallage“
auf globalen Finanzmärkten gedacht, um zu verhindern, dass
sich Liquiditätsüberschüsse auf der Suche nach
Renditedifferentialen aufbauen, die infolge des
„Herdeneffekts“ eine sehr destabilisierende Wirkung vor
allem auf die Währungen von Entwicklungs- und
Schwellenländern ausüben können. Wenn aber
Finanzmarktakteure infolge starker Marktschwankungen von der
„normalen“ Devisentransaktionssteuer nicht von der
Spekulation gegen eine Währung abgehalten werden können,
sollte ein Aufschlag auf den Steuersatz bzw. eine Zusatzsteuer in
Kraft treten.
Dies sieht auch
das Gutachten von Spahn (2002) vor, jedoch mit der
Einschränkung, dass die Zusatzsteuer (Exchange Rate
Normalization Duty“ – ERND) unilateral von
Entwicklungs- und Schwellenländern sowie von
Industrieländern, die nicht einer der Hauptwährungs
zonen angehören, erhoben werden sollte, wenn sich der
jeweilige Wechselkurs aus einem vordefinierten Korridor
herausbewegt. Die Steuer würde mit der Vola tilität
steigen und daher die Transaktionskosten so sehr an heben,
dass sich die Märkte beruhigen. Ob diese Zu satzsteuer
praktikabel ist, sei dahin gestellt – insbesondere für
den nicht auszuschließenden Fall, dass auch die Währungen
entwickelter Industrieländer unter Druck geraten.
Auch wird die
politische Realisierbarkeit einer Devisentransaktionssteuer in
Frage gestellt. Der Einwand ist so alt wie der Vorschlag der
Tobinsteuer. Dabei ist es ausreichend, wenn die G7-Länder oder
auch nur der Euro-Raum die Steuer erheben würden, da damit
mehr als 75 Prozent aller internationalen Kapitalbewegungen erfasst
würden. Bhaduri und Matzner (1990) haben vorgeschlagen, dass
zunächst die Länder mit einem Leis
tungsbilanzüberschuss aus einer „Position der
Stärke“ heraus die Steuer erheben. Der Zweck, auf
spekulatives Kapital eine abschreckende Wirkung auszuüben,
könne so erreicht werden, selbst wenn die Finanzmarktakteure
Ausweichstrategien entwickeln. Davon ist tatsächlich
auszugehen. Doch sind diese, wie auch das Gutachten von Spahn
hervorhebt, ihrerseits mit Transaktionskosten verbunden, die
Ausweichstrategien verteuern.
Eine Besteuerung
der internationalen Kapitalbewegungen wird im übrigen auch
unter dem Aspekt diskutiert, dass den nationalen Staaten die
Steuerbasis mehr und mehr schwindet und daher der am wenigsten
mobile Produk tionsfaktor – die abhängige
Lohnarbeit – einen immer größeren Anteil der
Steuerlast zu tragen hat.
So sanken beispielsweise in
Deutschland die „effektiven durchschnittlichen
Körperschaftsteuersätze“ (Hettich, Schmidt 2000:
14) von deutlich über 50 (1980) auf unter 20 Prozent
(1995)36 und die
„effektiven durchschnittlichen Kapitalsteuersätze“
(Hettich, Schmidt 2000: 15) von etwa 35 (1980) auf 25 Prozent
(1996), während die „effektiven durchschnittlichen
Arbeitssteuersätze“ (Hettich, Schmidt 2000: 16) leicht
von 38 (1980) auf 41 Prozent (1996) anzogen.
Dem entgegen
steht die Aussage der neuesten Ausgabe des OECD Jahresberichtes
„Taxing Wages“ (2002b), der eine maximale steuerliche
Belastung von durchschnittlichen Lohn- und Gehaltseinkommen in
Deutschland im Jahr 1997 von über 42 Prozent feststellt. Bis
zum Jahr 2001 sinkt der Steueranteil am Bruttoeinkommen auf unter
41 Prozent. Damit liegt jedoch die steuerliche Belastung der
Löhne und Gehälter in Deutschland weiterhin deutlich
über der britischen bzw. der US-amerikanischen Steuerlast.
Die Tobinsteuer belastet
den mobilsten Produktionsfaktor: das kurzfristige Kapital. Für
die Einführung der Steuer könnten wegen ihrer
progressiven Wirkung also auch Erwägungen über
Steuergerechtigkeit vorgebracht werden.
Außerdem hat
die Devisentransaktionssteuer nicht nur eine Lenkungswirkung,
sondern auch eine fiskalische Dimension. Ein Teil der Einnahmen,
über den internationale Verständigung erzielt werden
muss, kann bei den Ländern bleiben, in denen die Steuer beim
Tausch von Devisen erhoben wird. Die übrigen Einnahmen
können, wie auf dem Weltsozialgipfel 1995 in Kopenhagen vom
damaligen Präsidenten Frankreichs, Mitterand, vorgeschlagen,
für soziale, ökologische und/oder Entwicklungsprojekte
verwendet werden.
Dieser Vorschlag
ist immer noch aktuell und er spielt eine Rolle in den Programmen
zur Entwicklungsfinanzierung. Denn es wird immer schwieriger und
zugleich dringlicher, globale öffentliche Güter zu
finanzieren, die zur Erreichung der selbst gesetzten
Entwicklungsziele der Staatengemeinschaft (Reduktion der Armut,
Stabilisierung des Klimas etc.) unverzichtbar sind (vgl. auch
Kapitel 2.4.6 zu
„Entwicklungsfinanzierung“).
Je nach der
Höhe des Steuersatzes und der Elastizität, mit der die
Finanzmarktakteure auf die Steuer reagieren, wird mit Einnahmen
zwischen 20 und mehreren hundert Milliarden US-Dollar gerechnet. Ob
diese fiskalischen Einnahmen in der Praxis zustande kommen, wird
sich zeigen müssen. Allerdings ist die Lenkungswirkung der
Steuer weitaus wichtiger als die fiskalische Wirkung. Letztere kann
mit anderen Abgaben, die im Kontext der Entwicklungsfinanzierung
diskutiert werden, möglicherweise besser erzielt werden (z. B.
CO2-Steuer, Kerosin-Steuer, Steuer auf den Export von Kleinwaffen
etc.).
Andere
Möglichkeiten, kurzfristige, volatile Kapitaltransfers
einzuschränken
Eine
ähnliche Lenkungswirkung wie eine Tobinsteuer können auch
härtere Eigenkapitalvorschriften, ein Kredit- bzw.
Unternehmensregister für Transaktionen über
(nicht-kooperative) Offshorezentren etc. haben. Denn spekulative,
kurzfristig orientierte und daher in der Regel volatile
Kapitaltransfers werden dadurch im Vergleich zu
längerfristigen Anlagen verteuert.
Der „Basel
II-Akkord“ hingegen dürfte widersprüchlich wirken.
Einerseits kann die nach Kreditrisiken differenzierte
Eigenkapitalanforderung der Finanzinstitute zur Verteuerung
internationaler Kredite (wegen der höher bewerteten Risiken)
führen. Andererseits wird jedoch befürchtet, dass damit
das Gegenteil erreicht wird: Kurzfristige Engagements sind weniger
risikoreich als langfristige und müssen deshalb mit geringerem
Eigenkapital unterlegt werden. Die Volatilität der
liberalisierten Kapitalbewegungen könnte sogar steigen,
anstatt zurückzugehen.
Ein praktikables
Mittel gegen spekulative Kapitalbewegungen können auch
Kapitalverkehrskontrollen (an nationalstaatlichen Grenzen) sein.
Dafür stehen die in den jüngsten Krisensequenzen
vergleichsweise erfolgreichen Beispiele von Chile und Slowenien
(mit Bardepotpflicht) und Malaysia oder der VR China
(Kapitalimport- und -exportkontrollen).
Insbesondere die
Bardepotpflicht ist ein sehr flexibles Instrument, da der
Bardepotsatz (die unverzinsliche Hinterlegung eines Teils des
eingeführten Kapitals bei der Zentralbank) prinzipiell
zwischen Null und 100 Prozent variieren und je nach Fristigkeit der
Kapitalanlagen oder beabsichtigter Anlagesphäre
unterschiedlich sein kann.
Kapitalverkehrskontrollen waren bis in die 70er Jahre hinein ein
ganz übliches Instrument der Segmentation – auch in der
Welt der westeuropäischen Industrieländer. Selbst nach
dem Maastricht-Vertrag sind gemäß Art. 73f
(Schutzmaßnahmen des Rates) Kapitalverkehrskontrollen
möglich: „Falls Kapitalbewegungen nach oder aus dritten
Ländern unter außergewöhnlichen Umständen das
Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion schwerwiegend
stören oder zu stören drohen, kann der Rat mit
qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach
Anhörung der EZB gegenüber dritten Ländern
Schutzmaßnahmen mit einer Geltungsdauer von höchstens
sechs Monaten treffen, wenn diese unbedingt erforderlich
sind.“
Der Nachteil der
Bardepotpflicht gegenüber einer „Exchange Rate
Normalization Duty“ (ERND) besteht darin, dass sie nicht wie
ein automatischer Stabilisator wirkt, also weniger marktkonform ist
als die ERND. Hinzu kommt, dass die Steigerung der
Transaktions kosten durch Regulierung anders als eine
Devisentransaktionssteuer keine fiskalische Wirkung hat, also der
wünschbare entwicklungspolitische Effekt ausbleibt.
34 Das sind 0,01 Prozent.
35 Zuerst hat Rüdiger Dornbusch 1986)
vorgeschlagen, unterschiedliche Steuersätze für
leistungsbilanz- und kapitalbilanzwirksame Transaktionen
vorzusehen.
36 Für 1996 wird wieder eine leichte Steigerung auf
über 20 Prozent angegeben (Hettich, Schmidt 2001: 14).
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