*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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2.4.6       Entwicklungsfinanzierung

2.4.6.1    Eigenverantwortung, private Ressourcen und Marktzugang sowie öffentliche Entwicklungs­ zusammenarbeit

Auf dem „Millennium-Gipfel“ im September 2000 wurde beschlossen, die Armut in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren, die Ausbreitung von Krankheiten wie AIDS, Malaria etc. zu verhindern, die Gesundheitssituation der Menschen vor allem in den Entwicklungsländern zu verbessern, das Bildungsniveau der Menschen zu erhöhen und die Ernährungssicherheit zu steigern. Nach dem 11. September 2001 ist die Beseitigung von Armut und die Verringerung von Ungleichheit und damit die Überwindung der Polarisierung in der Welt auch als integraler und proaktiver Bestandteil der Strategien gegen den internationalen Terrorismus bezeichnet worden. Um diese Ziele zu erreichen, benötigen die Entwicklungsländer in Zukunft hohe finanzielle Mittel. Doch die Finanzierung der auf den Weltkonferenzen beschlossenen Aktionsprogramme zur Lösung der dringendsten Menschheitsprobleme ist nicht gewährleistet. Deshalb haben sich die Erwartungen in besonderem Maße auf die UN-Konferenz „Financing for Development“ in Monterrey (Mexiko) im März 2002 gerichtet.

In den Vorbereitungen der Konferenz (insbesondere im „Zedillo-Report“ (Vereinte Nationen 2001) und in den    sich daran anschließenden Verhandlungen (Vereinte Nationen 2002a) ist die Frage der Entwicklungsfinanzierung, einem „holistischen Ansatz“ folgend, in einen größeren Systemzusammenhang gerückt worden. Dies ist eine Konsequenz aus den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte: Probleme der Entwicklung und der Entwicklungsfinanzierung sind nicht zu lösen, wenn nicht der Gesamtzusammenhang globaler Märkte (Terms of Trade auf Waren- und Dienstleistungsmärkten, langfristige und kurzfristige Kapitaltransaktionen, Marktzugangsbeschränkungen etc.) gesehen wird.

Der ganzheitliche Ansatz (Holistic Approach) schließt Maßnahmen in Richtung nachhaltiger, geschlechterspezifischer, auf den Menschen ausgerichteter Entwicklung in allen Regionen der Erde ein. Die Prinzipien der ausgleichenden Gerechtigkeit (Equity), Teilhabe (Participation), Verfügungsmacht (Ownership), Transparenz und Verantwortlichkeit (Accountability) sollen eine übergeordnete und verpflichtende Richtschnur für alle Beteiligten darstellen. Die private Wirtschaft ist ausdrücklich angesprochen, sich diesen Prinzipien zu verpflichten.

Allerdings sind diese Zielsetzungen aus den Vorbereitungstreffen und den dort erarbeiteten Dokumenten nicht in das Abschlussdokument (Vereinte Nationen 2002b) eingegangen. Immer noch werden die folgenden sechs Quellen der Entwicklungsfinanzierung unterschieden:

1.   Interne Ressourcen der Entwicklungsländer,

2.   Externe öffentliche Ressourcen der Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA),

3.   Externe private Ressourcen, vor allem private Direkt­ investitionen,

4.   Einnahmen aus Überschüssen der Leistungsbilanz,

5.   Maßnahmen zur Entschuldung, von der HIPC-Initiative über Public Private Partnership (PPP) zu Insolvenzregeln und

6.   Einnahmeverbesserungen durch die Lösung „systemischer Fragen“, von Regeln für Offshore Finanzentren bis zur Einrichtung einer „internationalen Steuerorganisation“ oder eines „Global Council“ (wie im Zedillo-Report (Vereinte Nationen 2001) vorgeschlagen).

Eigenverantwortung und Mobilisierung interner Entwicklungspotenziale

Ein Grundsatz der Entwicklungszusammenarbeit ist die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer für einen angemessenen institutionellen Rahmen (vgl. dazu auch Weltbank 2002) und die Beachtung der Regeln einer „Good Governance“. So selbstverständlich dies sein sollte – im übrigen auch für Industrieländer – so schwierig ist eine Konkretisierung, wenn es darum geht, die „systemische“ Wettbewerbsfähigkeit“ (Eßer, Hillebrand u. a. 1995: 186) zu verbessern.

Es geht nämlich bei der Mobilisierung interner Ressourcen nicht nur um die Bekämpfung der Korruption und des Missbrauchs öffentlicher Gelder, den Aufbau effektiver und transparenter Steuersysteme, die Verhinderung der Kapitalflucht, die Schaffung von Rechtssicherheit, die Beseitigung von Fehlallokationen im Staatshaushalt (z. B. durch Kürzung von überhöhten Militärausgaben) sowie die Förderung des Spar- und Kreditwesens. Es geht auch um die Entwicklung mikroökonomischer Kompetenzen, Technologietransfer, Qualifikationsentwicklung und um makroökonomische Rahmensetzung in einem sich schnell ändernden weltwirtschaftlichen Umfeld. An dieser Stelle wird bereits deutlich, dass der Verweis auf interne Ressourcen und deren Mobilisierung keine Entwicklungsstrategie ohne die Berücksichtigung systemischer Zusammenhänge begründen kann.

Ressourcen aus öffentlicher Entwicklungszusammenarbeit

Die Mobilisierung interner Ressourcen ist zwar notwendig, aber nicht ausreichend, um eine nachhaltige öko­ nomische    Entwicklung in Gang zu setzen und die Entwicklung der notwendigen sozialen und politischen Ins­ ­ titutionen voran zu treiben. Dabei sind Probleme der Kohärenz sowohl in der Entwicklung selbst, als auch in der Entwicklungs­ politik unbedingt zu beachten. Kohärenz hat eine auf die definierten Entwicklungsziele bezogene qualitative, aber auch eine quantitative Seite. Die derzeitige Höhe der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung ist, gemessen an dem von den Vereinten Nationen gesetzten Ziel, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die öffent­ liche Entwicklungshilfe bereit zu stellen, unzureichend.

Das 0,7 Prozent-Ziel der öffentlichen Mittel der Ent­ wicklungszusammenarbeit (Official Development Assis­ tance – ODA) wird nur von einigen kleineren europäischen Staaten erreicht. Deutschland lag mit 0,26 Prozent des BIP (1999) genauso wie die USA mit 0,1 Prozent und Japan mit 0,35 Prozent weit unter dem erklärten Ziel. Der Anteil der Entwicklungszusammenarbeit am BIP der DAC-Länder insgesamt liegt 1999 bei 0,24 Prozent (BMZ 2001b). Erst in Vorbereitung auf die Konferenz von Monterrey hat die Bundesregierung in Aussicht gestellt, den Anteil der Mittel für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit am BIP auf 0,33 Prozent bis 2006 auf­ zustocken. Sie folgt damit den „Schluss­ folgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates in Barcelona vom 15. und 16. März 2002“, in denen für die EU insgesamt angestrebt wird, ihren durchschnittlichen Beitrag zur ODA auf 0,39 Prozent des BIP zu steigern (Europäische Kommission 2002: Ziffer 13). Zugleich wird der Beschluss von Göteborg bekräftigt, den UN-Zielwert von 0,7 Prozent zu erreichen.

Internationale private Ressourcen: Direktinvestitionen und die Einbeziehung des privaten Sektors (PPP)

Im Gegensatz zur öffentlichen Entwicklungshilfe haben private Kapitalströme in Form von Direktinvestitionen in die Entwicklungsländer zugenommen. Nach Angaben des World Investment Report 2000 der UNCTAD (2000) sind die Direktinvestitionen in die Entwicklungsländer von 37 Milliarden US-Dollar im Jahre 1990 auf 190 Milliarden US-Dollar im Jahre 1999 gestiegen. (Zum Vergleich: Direktinvestitionen in die entwickelten Länder stiegen im gleichen Zeitraum von 172 Milliarden US-Dollar auf 770 Milliarden US-Dollar.)

Doch die Verteilung ist ungleich. „Über 90 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen entfallen auf rund 20 wachstumsstarke und bevölkerungsreiche Schwellenländer, während für die übrigen Entwicklungsländer fast nur Direktinvestitionen für den Abbau von mineralischen Ressourcen und die Erschließung neuer Erdölquellen verbleiben.“ (Stiftung Entwicklung und Frieden 2002: 259). Auf Afrika entfielen Ende der 90er Jahre nur noch gut ein Prozent der gesamten ausländischen Direktinvestitionen. Das bedeutet, dass Öffentliche Mittel der Entwicklungszusammenarbeit für viele Entwicklungsländer die nahezu ausschließliche Finanzquelle darstellen.

In der Entwicklungspolitik ist der gestiegenen Bedeutung privater Unternehmen durch Mischformen der öffentlichen und privaten Finanzierung („Public Private Partnership“ – PPP) Rechnung getragen worden: Viele Projekte werden in öffentlich-privater Kooperation geplant, finanziert und durchgeführt. Die Konzentration der privaten Kapitalströme auf einzelne Länder jedoch ist problematisch, weil damit Entwicklungsunterschiede zwischen Ländern größer werden können. Auch sollten private Kapitalströme in langfristig angelegte Entwicklungsstrategien eingebunden werden, um entwicklungspolitisch positive externe Effekte (Linkages, Spill-Over-Effekte) nutzen zu können. Mit anderen Worten: In PPP muss dafür gesorgt werden, dass tatsächlich partnerschaftlich verfahren wird, also die öffentliche Hand Vorleistungen für die Privaten erbringt, die privaten Investoren aber ihrerseits öffentliche Beiträge erbringen.

Die Bedeutung des freien Zugangs zu Märkten der Industrieländer

Neben der unzureichenden finanziellen Unterstützung der Entwicklungsländer, ist festzustellen, dass den Entwicklungsländern Einnahmen im Waren- und Dienstleistungshandel durch protektionistische Maßnahmen seitens der Industrieländer vorenthalten werden; Schätzungen gehen von einem zusätzlichen Absatzpotenzial der Entwicklungsländer von 150 bis 200 Milliarden US-Dollar bei einer Marktöffnung der Industrieländer aus (Vereinte Nationen 2000: 27, Ziffer 69).

Allerdings ist bei einer Marktöffnung auf Seiten der Entwicklungsländer darauf zu achten, dass nicht für die lokale und regionale Versorgung wichtige Agrarprodukte in „Cash Crops“ für den Weltmarkt verwandelt werden. Es hat genügend Fälle gegeben, in denen die zusätzlichen Deviseneinnahmen nicht ausreichten, um die für die Versorgung der Bevölkerung benötigten Nahrungsmittel zu importieren. Von Seiten der Industrieländer muss bei den aus Entwicklungsländern importierten Produkten auf die Einhaltung von Standards geachtet werden. Während die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der ILO wenig strittig ist, besteht bei weitergehenden sozialen Schutzrechten für Arbeiternehmer und bei gesundheitlichen und Umweltstandards noch Beratungsbedarf vor allem im Rahmen der WTO.




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