4.2.1.2 Kostenorientierte Definition
internationaler Wettbewerbsfähigkeit
Bei diesem Ansatz wird
Wettbewerbsfähigkeit als das Vermögen der Volkswirtschaft
verstanden, den Faktor Arbeit im Vergleich zu anderen Ländern
möglichst kostengünstig einzusetzen. Gerade im
Zusammenhang mit den Auswirkungen der Globalisierung für den
deutschen Arbeitsmarkt ist dieser Aspekt interessant, denn in der
öffentlichen Diskussion wird vielfach die Auffassung
vertreten, die hierzulande üblichen Lohn- und Sozialkosten
belasteten den Wirtschaftsstandort. Zur Klärung dieser Frage
bietet sich in der Tat der internationale Vergleich der
Lohnstückkosten an. Dabei werden die Arbeitskosten –
einschließlich der Arbeitgeberbeiträge zur
Sozialversicherung und der sonstigen Lohnnebenkosten – zum
preisbereinigten Bruttoinlandsprodukt ins Verhältnis gesetzt.
Allerdings sind solche Vergleiche zwischen verschiedenen
Ländern mit erheblichen methodischen Schwierigkeiten
verbunden.
– Bei sektoralen oder
branchenbezogenen internationalen
Lohnstückkostenvergleichen7 werden zwar gezielt diejenigen Sektoren
analysiert, die im internationalen Wettbewerb stehen8. Sie sind aber nicht unproblematisch,
weil Vorleistungsverflechtungen und die Fertigungstiefen in den
verschiedenen Volkswirtschaften und die Strukturen der Länder
– z.B. die Anteile von primärem, sekundärem und
tertiärem Sektor – zum Teil sehr unterschiedlich sind.
Theoretisch sinnvoller sind Vergleiche der Lohnstückkosten auf
der Ebene der Gesamtwirtschaft (Deutsche Bundesbank 1998).
Gesamtwirtschaftliche und sektorale internationale
Lohnstückkostenvergleiche können also zu konträren
Ergebnissen führen.
– Werden
Lohnstückkosten in jeweiliger Landeswährung verglichen,
so werden zwar die heimischen Faktoren sichtbar, die auf Kosten und
Effizienz des Arbeitseinsatzes einwirken. Jedoch sind dann keine
Niveauvergleiche zwischen Ländern möglich, sondern nur
der Vergleich der Änderung gegenüber einem bestimmten
Basisjahr. Außerdem sagt der Vergleich der
Lohnstückkosten in jeweiligen nationalen Währungen nichts
über die Wettbewerbsverhältnisse auf den Märkten
aus, da diese unter anderem entscheidend von den Wechselkursen
abhängen.
– Beim Vergleich von
Lohnstückkosten in einer einheitlichen Währung –
z.B. in Euro oder in US-Dollar – werden zwar
Wechselkursänderungen berücksichtigt, die in der Tat
für die Wettbewerbsverhältnisse auf den Märkten mit
entscheidend sind. Allerdings hat dieser Vergleich dann nicht mehr
unbedingt etwas mehr mit den tatsächlichen Lohnkosten zu tun.
Darüber hinaus sagen heutzutage Wechselkurse nur noch zum Teil
etwas über die realen Handels- und Dienstleistungsströme
zwischen Volkswirtschaften oder Währungsblöcken aus. Der
zunehmend spekulative Anteil an der Wechselkursfindung verzerrt
realwirtschaftliche Vergleichsmöglichkeiten.
– Vergleicht man
schließlich Lohnstückkosten zu Kaufkraftparitäten,
dann wird wiederum die tatsächliche Wettbewerbssituation nicht
erfasst. Außerdem entstehen bei der Berechnung von
Kaufkraftparitäten erhebliche methodische Probleme9.
Ungeachtet dieser methodischen Probleme wird
in den Abbildungen 4-3 und 4-4 der internationale
Lohnstück kostenvergleich auf gesamtwirtschaftlicher
Ebene gezeigt, und zwar zum einen in jeweiliger Landeswährung
und zum andern wechselkursbereinigt in ECU/Euro.
Ohne
Wechselkurseinflüsse verlief demnach die Entwicklung der
gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten – Darstellung in
jeweiligen Landeswährungen – in Deutschland
kontinuierlich und auch im internationalen Vergleich
vergleichsweise günstig; von den hier betrachteten
Ländern war der Anstieg nur in Japan geringer. Werden
hingegen, wie in
Abbildung 4-4 gezeigt, die Lohnsstückkosten einheitlich in
ECU dargestellt, dann wird sichtbar, dass
Wechselkursänderungen teilweise zu einem heftigen Auf und Ab
der Lohnstückkostenentwicklung geführt haben. Für
Deutschland war der Verlauf gleichwohl auffällig
kontinuierlich. Für die USA und Japan haben sich hingegen die
Wettbewerbsbedingungen durch Wechselkursänderungen
gegenüber Anfang der 80er Jahre, unterbrochen jeweils von
größeren Erholungspausen, erheblich verschlechtert.
Insgesamt kann
die prinzipiell begrenzte Aussagefähigkeit von internationalen
Lohnstückkostenvergleichen wie folgt zusammengefasst
werden:
– Einigermaßen problemlos können nur
Veränderungen im Zeitablauf, aber keine Niveauunterschiede
gemessen werden.
– Da weder gesamtwirtschaftliche noch sektorale
internationale Lohnstückkostenvergleiche von strukturellen
Verzerrungen frei sind, sind sie nur zwischen strukturell
vergleichbaren Ländern oder nur für kurze Zeitabschnitte,
d.h. solange Strukturveränderungen vernachlässigt werden
können, sinnvoll.
– Die Lohnstückkosten
und ihre Entwicklung sind zwar wichtig, aber keinesfalls allein
entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit einer
Volkswirtschaft. Zum einen sind die bei den Unternehmen
anfallenden Arbeitskos ten nicht die einzigen Kosten; auch
Kapital- und Vorleistungskosten und nicht zuletzt auch die
gesamtwirtschaftlich anfallenden Infrastrukturkosten kommen hinzu.
Außerdem wird die Wettbewerbsfähigkeit durch Steuern und
Subventionen beeinflusst. Schließlich sind auch nicht die
Kosten allein entscheidend, sondern andere Faktoren, wie z.B.
Qualität der Güter und Zuverlässigkeit der
Dienstleistungen, können eine ausschlaggebende Rolle
spielen.
– Die reine Fixierung auf die
Lohnstückkosten könnte zu dem Gedanken verführen,
bei gegebener Produktivität müssten nur die Arbeitskosten
sinken, um günstigere Lohnstückkosten zu erhalten und
international wettbewerbsfähiger zu werden. Beide
Größen können jedoch nicht unabhängig
voneinander gesehen werden. Vielmehr beeinflusst die Lohnhöhe
die Produktivität und umgekehrt. Steigende Löhne
lösen in Unternehmen Rationalisierungsinvestitionen aus und
treiben damit die
Produktivität an. Zum anderen stützt sich die
Finanzierung der öffentlichen Haushalte und der
Sozialversicherungen stark auf die Lohneinkommen. Steigenden
Löhnen kommt damit eine wichtige Rolle bei der Finanzierung
der Infrastruktur zu, z.B. im Sinne einer breiten
Bildungsbeteiligung.
Abgesehen von diesen methodischen
Schwierigkeiten vermitteln die vorliegenden internationalen
Lohnstückkostenvergleiche keinesfalls den Eindruck, dass die
deutsche Wirtschaft in den letzten zwanzig Jahren systematisch und
lohnkostenbedingt an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt
hat. Der Vergleich von vier großen Industrieländern
zeigt, dass die Lohnstückkosten im Jahresvergleich 1980/2000
nur in Frankreich weniger stark anstiegen als in Deutschland. In
den USA und in Japan nahmen sie dagegen deutlich stärker
zu.
7 Internationale Lohnstückkostenvergleiche für
das verarbeitende Gewerbe hat das Institut der deutschen Wirtschaft
Köln veröffentlicht (Schröder 2002).
8 Zum Beispiel sind Dienstleistungen in der deutschen
Industrie noch vielfach in die Industrieunternehmen eingegliedert,
in den USA hingegen in größerem Umfang ausgelagert; die
in den extern eingekauften Dienstleistungen enthaltenen Lohnkosten
erscheinen nicht als Lohnkosten der Industrie, die intern
produzierten sind hingegen Teil der industriellen
Lohnkosten.
9 Zur Problematik der Berechnung von
Kaufkraftparitäten vgl. Görzig (2000).
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