4.2.1.1 Außenhandelsorientierte
Definition internationaler Wettbewerbsfähigkeit
Hier wird versucht, die
Wettbewerbsfähigkeit eines Landes am Außenhandelserfolg
einer Volkswirtschaft zu messen, z. B. am Export, am
Exportüberschuss, dem Anteil am Welthandelsvolumen oder an der
so genannten Exportperformance4. Dabei treten allerdings beträchtliche
Schwierigkeiten auf:
– Exporte und Importe
sagen nur bedingt etwas über die Arbeitsmarktwirkung aus. So
ist z. B. trotz eines Exportdefizits ein positiver
Arbeitsmarkteffekt möglich, wenn arbeitsintensive Güter
exportiert und kapitalintensive Güter importiert werden. Auch
der umgekehrte Fall – negativer Beschäftigungseffekt bei
positiver Handelsbilanz – ist möglich.
– Die Beteiligung eines
Landes am Außenhandel hängt nicht ausschließlich von
seiner Wettbewerbsfähigkeit ab, sondern zum Teil von
strukturellen, vielfach auch nicht oder jedenfalls nur langfristig
änderbaren Faktoren, wie z.B. von der
Bevölkerungsgröße, von den natürlichen
Ressourcen und von der Ausstattung mit Rohstoffen. Auch die
Verbrauchsgewohnheiten können eine wichtige Rolle spielen. Ein
hoher Exportanteil am Bruttoinlandsprodukt muss nicht unbedingt
Ausdruck überlegener Wettbewerbsfähigkeit sein, sondern
könnte auch aus einer binnenwirtschaftlichen
Nachfrageschwäche resultieren; Exporterfolge können also
eine Zeit lang bestehende Strukturschwächen
überdecken5. Auf der anderen Seite können
Handelsbilanzdefizite zwar in bestimmten Konstellationen etwas mit
geringer internationaler Wettbewerbsfähigkeit zu tun haben,
müssen es aber nicht unbedingt. Möglicherweise sind sie
auch – wie z.B. am prominenten Beispiel der USA – der
Ausdruck einer geringen Sparquote.
– Bei der Umrechnung in
eine einheitliche Währung entstehen methodische Probleme, weil
die Wechselkurse zunehmend von den realen Handelsströmen
unabhängig sind und somit die Aussagekraft der
Wettbewerbsindikatoren getrübt werden.
– Wählt man den Welthandelsanteil oder die
Exportperformance als Indikator für Wettbewerbsfähigkeit,
so impliziert dies ein – jedenfalls
für ein Industrieland wie Deutschland – problematisches
wirtschaftspolitisches Ziel. Denn aus entwicklungspolitischer Sicht
sind nicht steigende, sondern abnehmende relative
Welthandels anteile der Industrieländer
erwünscht. Dies muss bei insgesamt wachsendem
Welthandelsvolumen keineswegs zu sinkendem Außenhandelsvolumen
und damit zu Wohlstandseinbußen bei den Industrieländern
führen.
Ungeachtet der
Relativierungen, die mithin bei Versuchen, die Wettbewerbssituation
eines Landes am Exporterfolg zu messen, angebracht sind, deuten die
Kennzahlen der Exportentwicklung auf keine substanzielle
Schwächung der deutschen Position im Wettbewerb hin. 4-1
stellt die Welthandelsanteile Deutschlands und anderer wichtiger
Industrieländer in der Zeit von 1982 bis 1999 dar.
Danach ist der Anteil Deutschlands am
Welthandelsvolumen heute in etwa so hoch wie in der ersten
Hälfte der 80er Jahre, wenn auch die Spitzenwerte der Zeit von
1986 bis 1992 der Vergangenheit angehören. Der Abstieg zu
Beginn der 90er Jahre kann als Folge der Wiedervereinigung gesehen
werden. Überkapazitäten in Westdeutschland wurden von der
Nachfrage in den Neuen Bundesländern vorübergehend
ausgeglichen. Inzwischen hat sich der deutsche Anteil am Welthandel
stabilisiert und scheint in den letzten Jahren sogar wie der
zuzulegen. Das Volumen gemessen an der
Bevölkerungsgröße und der Zahl der
Erwerbstätigen ist bei weitem nach wie vor im internationalen
Vergleich überdurchschnittlich.
Zu einem ähnlichen Ergebnis führt
die Betrachtung der preisbereinigten Entwicklung der deutschen
Exportleis tungen von 1991 bis 1999, die in 4-2 abgebildet
wird6.
Lediglich zu Beginn der 90er Jahre ist der
Export in Folge des Wiedervereinigungseffektes langsamer gewachsen
als das Bruttoinlandsprodukt
(abnehmender Exportanteil am BIP). Seit 1995 nimmt der Exportanteil
wieder zu.
4 Die Exportperformance ist ein von der OECD
entwickelter Indikator, der – bezogen auf ein bestimmtes
Basisjahr – das Wachstum der Exporte eines Landes ins
Verhältnis zum Wachstum seiner Absatzmärkte (d. h. der
Importvolumina seiner Abnehmerländer) setzt. Diese
Verhältniszahlen werden für jedes einzelne Absatzland
ermittelt und dann zu einem gewichteten Gesamtindex
zusammengefügt.
5 Letzteres ist z. B. die wiederholt geäußerte
Auffassung des Sachverständigenrates, der die wachsenden
Exporterfolge der deutschen Wirtschaft nicht als Beweis ihrer
Wettbewerbsfähigkeit anerkennt, ohne freilich die vermutete
Strukturschwächen an Hand quantifizierbarer Indikatoren
darzulegen.
6 Bei allen internationalen Zeitreihenvergleichen ist
– abgesehen von jeweils speziellen Problem – der
Vorbehalt zu machen, dass die Daten streng genommen nur
vergleichbar sind, wenn die Konjunkturzyklen in den betrachteten
Ländern synchron verlaufen, was aber in aller Regel nicht der
Fall ist.
|